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„Ihr seid Juden, ihr habt Geld“

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Die drei maskierten Männer wussten genau, was sie wollten. Und exakt von wem. „Rück das Geld raus“, brüllte einer der Täter, „Ihr seid Juden, ihr habt Geld!“ Jonathan X.,21, eines der beiden Opfer des brutalen Überfalls, wähnte sich in einem Albtraum. Die Einbrecher hatten ihn und seine Freundin in der Wohnung seiner Eltern überwältigt, mit einer Flinte bedroht, dann an Stühle gefesselt. Verzweifelt und mit leiser Stimme, so erzählt der junge Mann hinterher, habe er zu erklären versucht, „dass wir unser Geld auf der Bank haben – wie alle Franzosen.“ Vergeblich, der Vermummte wusste es besser: „Ihr Juden, ihr habt euer Geld zu Hause!“ Die Männer durchsuchten alle Zimmer – und als sie nichts fanden, schleppten sie Jonathans Freundin nach nebenan. Und vergewaltigten die 19-jährige Frau.



Das Paar wohnt in dem Pariser Vorort Créteil.

Über eine Stunde lang hatte der Horror gedauert. Dann waren die Gewaltkriminellen mit ihrer Beute – ein bisschen Familienschmuck, ein Computer, zwei Handys – am Montagmittag davongestürmt aus der Neubausiedlung von Créteil, einer Vorstadt im Südosten von Paris. Nur vier Stunden später wurden zwei von ihnen verhaftet, der dritte ist flüchtig. Tathergang und bisherige Ermittlungen belegen eindeutig: Die drei mutmaßlichen Täter, laut Polizeiangaben zwei Männer aus Schwarzafrika und ein Komplize maghrebinischer Herkunft, trieb nicht nur Habgier. Sondern ebenso blanker Hass auf Juden.

Das offizielle Frankreich ist schockiert. Am Donnerstag sprach Präsident François Hollande von einem „Akt unerträglicher Gewalt“, Premierminister Manuel Valls mahnte, „die gesamte Gesellschaft muss sich erheben gegen Rassismus und Antisemitismus“. Sein Parteifreund Julien Dray, Abgeordneter aus dem Großraum Paris und selbst Jude, fürchtet sogar „einen Tabubruch“. Dray glaubt, in Frankreich seien mittlerweile „wieder Dinge möglich, die vor zehn oder 15 Jahren unvorstellbar waren.“ Zum Beispiel gelbe Judensterne, die auf Briefkästen geklebt würden. Oder Beschimpfungen von Passanten, die mit Kippa auf dem Kopf über die Straße gehen. „All das ist ein alltäglicher Antisemitismus“, dem zumindest ein Teil der jüdischen Gemeinschaft in seinem Land ausgesetzt sei. Analysen der Polizeistatistik zeigen, dass die Zahl antisemitischer Taten und Übergriffe in den ersten sieben Monaten 2014 sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum fast verdoppelt haben. Die Täter vom Montag, zwischen 18 und 20 Jahre alt, hatten sich in den Wochen zuvor offenbar an die Fersen des Vater von Jonathan X., dem späteren Opfer, geheftet. Das Familienoberhaupt trägt regelmäßig eine Kippa.

Die Täter wussten außerdem, dass Jonathans jüngerer Bruder in einem Laden nebenan arbeitete. Für ihren Überfall hatten sich die Täter mit Gesichtsmasken, Handschuhen, einer halbautomatischen Pistole und einer abgesägten Schrotflinte ausstaffiert. Ein Vierter, offenbar nur ein jugendlicher Helfershelfer, hatte schon Anfang November an der Wohnungstür geklingelt und unter dem Vorwand, er brauche etwas Zucker, das Appartement ausgespäht. Bereits vor vier Wochen soll die Bande im selben Viertel einen 70-jährigen Rentner niedergeprügelt und ausgeraubt haben. Auch dieses Opfer war Jude.

Die Juden von Créteil beklagen seit Längerem antisemitische Übergriffe. Erst im Mai waren zwei Brüder nahe einer Synagoge von Unbekannten zusammengeschlagen worden. Albert Elharrar, der Präsident der örtlichen Jüdischen Gemeinde, hatte im Sommer gewarnt, der ungelöste Nahostkonflikt dürfe nicht in der Hunderttausend-Einwohner-Stadt ausgetragen werden, in der mehr als 20000 Bürger jüdischen Glaubens sind. Zuvor hatten propalästinensische Demonstranten bei Kundgebungen in Nachbarorten unter anderem „Tod den Juden!“ skandiert.

Eine im November veröffentlichte Studie der unabhängigen Stiftung „Fondapol“ hatte ergeben, dass Frankreichs Gesellschaft insgesamt zwar gegen Antisemitismus gefeit sei. Allerdings identifizierte Fondapol-Direktor Dominique Reynié zwei Gruppen, die zum Teil massive Vorbehalte gegenüber Juden hegten: Neben dem alten, rechtsextremen Rassismus unter Anhängern des Front National gäre ein neuer Antisemitismus in der muslimischen Bevölkerung. So hatte jeweils eine Mehrheit der befragten Muslime in einer Umfrage von Fondapol erklärt, Juden hätten zu viel Macht in Wirtschaft und Finanzen (74 Prozent), den Medien (58 Prozent) oder der Politik (49 Prozent). Sozialforscher Reynié hatte diese Ergebnisse als „sehr beunruhigend“ bewertet.


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