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Schauplatz Berlin: Letzte Festreden

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Das Schwule Museum in Berlin liegt in einem seltsamen Niemandsland aus Möbelhäusern, Parkplätzen, Strich. Überall staksen junge osteuropäische Prostituierte auf einen zu, mit Barbielächeln im Gesicht: „Schön Feierabend? Blasen?“

Klaus Wowereit bekommt an diesem Abend nichts mit von den Frauen auf dem Strich. Er wird – noch – vorgefahren in einer Senatslimousine. Das Museum will dem Bürgermeister mit einer (erschreckend dürftigen) Ausstellung den Feierabend versüßen. So steht er dann pünktlich um 18 Uhr im Café, lässt hölzerne Reden mit müder oder gelangweilter Miene über sich ergehen, die stets mit dem millionenfach recycelten Wowereit-Klassiker von 2001 enden, als er bekannte: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“



Klaus Wowereit bei seiner Verabschiedung im Foyer des Roten Rathauses.

Die Sonne hat man schon lange nicht mehr in Berlin gesehen, Glanz allein bringen in diesen trüben Tagen die Wowereit-Festspiele. Alle wollen ihm noch einmal die Hand schütteln, ihn zum Abendessen und zu Varieté-Shows einladen. Die Lokalzeitungen schaufeln Doppelseiten frei für den König der Stadt. Heute, am Freitag, steht kein einziger Termin mehr im Kalender. Er werde vielleicht in ein Loch fallen, gibt er zu, das sei bei plötzlichem Renteneintritt ja oft der Fall. Vielleicht geht er aber auch einfach mal zum Friseur heute, waschen und legen. Kudamm-Coiffeur Udo Walz findet sicher noch Zeit für ihn.

Die Ausstellung im Schwulen Museum, das sind: ein paar Artikel, unter anderem einer aus der Neuen Revue, der Sabine Christiansen in inniger Umarmung mit Wowereit zeigt („Kann sie ihn noch umdrehen?“), 23 Unterschriften der Fußballspieler der Nationalmannschaft und ein Pappdouble von Wowereit. Der Noch-Regierende gibt sich Mühe, Interesse zu zeigen. Er ergreift dann auch das Wort („So viele Gelegenheiten habe ich ja nicht mehr“) und sagt, dass Schwulsein im politischen Betrieb „Gott sei Dank“ heute nur noch eine Randnotiz sei. Früher, wenn er mit seinem Lebenspartner, dem Chirurgen Jörn Kubicki, in dessen Dorf aufgekreuzt sei, „war niemand erfreut. Heute dagegen spielt die Blaskapelle auf, wenn ich komme“.

Einen Tag später hält Wowereit die wirklich allerletzte Rede als Regierender Bürgermeister, auf den Treppenstufen im Foyer des Roten Rathauses. Ein schwuler Männerchor singt und Applaus brandet auf, als Wowereit und Kubicki erscheinen. „Wir sind ja jetzt seit 20 Jahren zusammen“, sagt Wowereit und wird von Kubicki korrigiert: „22 Jahre“. In den Reden davor und danach wird Wowereits 13-jährige Amtszeit ein ums andere Mal auf sein Schwulsein reduziert und jenen millionenfach recycelten Satz. Doch dann wird es sogar Wowereit selbst zu bunt und zu viel mit den sonnigen Sätzen und der Lobhudelei. In seinem allerletzten Satz in seiner allerletzten Rede sagt er dann: „Es geht in Berlin nicht nur um uns Homosexuelle. Es geht um alle, die anders sind. Es gibt noch immer Ecken in Berlin, wo Männer nicht Hand in Hand laufen können und Juden keine Kippa tragen können, ohne angepöbelt zu werden.“

Dann verabschiedet der Männerchor Wowereit in den Lebensfeierabend und stimmt ein letztes Lied an. Alle wippen mit, Wowi auch: „There Is No Business Like Show Business.“


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