Wenn es je ein Bild gegeben hat, das die Opulenz Europas und das Elend der Flüchtlinge an seinen Grenzen eindrücklich gegenüberstellt, dann dieses: ein Foto vom Golfplatz in Melilla mit seinen unerbetenen Zaungästen. Vorne schlagen Golfspieler ihre Bälle ins satt bewässerte Grün; im Hintergrund sitzen afrikanische Flüchtlinge rittlings auf einem mehrere Meter hohen Gatter. Doch dieses hegt eben nicht die palmenumsäumte Sportanlage ein, sondern ist eine Grenzbefestigungsanlage des Königreichs Spanien.
Dieses Bild ging um die Welt: Melillas Golfplatz an der Grenze zu Marokko.
Besonders pikant war die Information, dass die Europäische Union den Golfplatz in Spaniens nordafrikanischer Exklave mit 1,4 Millionen Euro bezuschusst hatte – auf Antrag der spanischen Regierung, die selber 3,5 Millionen Euro dafür lockermachte. Die EU-Kommission hat ihren Millionenzuschuss nun gerechtfertigt, mit Argumenten, die wie Hohn wirken müssen: Die Kofinanzierung des Golfplatzes sei Sportförderung – und daher dazu angetan, die Lebensqualität der EU-Bürger in Melilla zu verbessern.
Enthalten ist diese Bemerkung in der Antwort der EU-Regionalkommissarin Corina Creţu auf eine parlamentarische Anfrage der EU-Abgeordneten Marina Albiol. Die spanische Linke hatte sich daran gestoßen, dass das Geld für den Golfplatz ausgerechnet aus dem EU-Regionalfördertopf gekommen war. Diese Mittel sollen eigentlich dafür sorgen, dass sich die Lebensverhältnisse in den verschiedenen europäischen Staaten möglichst weit anpassen. Dass Melilla ein Infrastrukturproblem hat, ist unbestritten. Aber: „Glaubt die Europäische Kommission wirklich, dass ein Luxusgolfplatz der Korrektur von Ungleichgewichten in der EU dient?“, wollte Frau Albiol wissen. Nicht nur das, antwortete Kommissarin Creţu ziemlich wörtlich. Wenn man es genau nehme, schaffe man „durch die Förderung von öffentlicher Sportinfrastruktur“ nicht nur die Gelegenheit für Leibesübungen, sondern auch Investitionen und damit Jobs. Damit sei ein Ziel der EU-Regionalförderung sehr genau getroffen. Zusätzlichen Mehrwert entfalte das Golfplatzprojekt dadurch, dass das Grün auf einer inoffiziellen Müllhalde gepflanzt wurde, die zum Himmel stank. Man habe also zu besserem Müllmanagement in der Stadt Melilla – und damit auch zum Umweltschutz beigetragen. Albiol ist über diese Ausführungen empört. „In meinen Augen ist das eine einzige Unverfrorenheit“, sagte die Spanierin in Brüssel, „die Kommission will uns offenkundig für dumm verkaufen.“ Die Grünen-Abgeordnete Ska Keller, die wiederholt die Grenzanlagen an Spaniens Grenze besucht hat, hält Creţus Argumentationslinie ebenfalls für „völlig absurd“.
Das eigentliche Problem aber bleibt der Umgang des EU-Mitgliedsland Spanien mit den Flüchtlingen. Jedes Jahr versuchen mehrere Tausend Menschen, über den Zaun in Melilla nach Europa zu kommen, dort werden sie meist, oft unter Missachtung elementarer Grundrechte, wieder abgeschoben. Die Aufnahmebedingungen gelten als katastrophal. Dass ausgerechnet dort ein Golfplatz entstanden sei, „wo täglich das Flüchtlingsdrama zu beobachten“ sei, zeige nur, „wo die Prioritäten der EU liegen“, sagt Albiol. Damit habe der Platz tatsächlich eine besondere Symbolkraft.
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Grenze mit Handicap
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