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Granaten-Jahre

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Cynthia Nixon war sechs Staffeln lang die Anwältin Miranda in "Sex and the City". Und danach? In Ken Folletts "Die Tore der Welt" bringt sie nun sechs Menschen und einen Hund um. Eine Begegnung

Cynthia Nixon hat sich für das Interview schick gemacht, und man wünscht sich, sie hätte es bleiben lassen. Weil es die Schauspielerin auf den ersten Blick zurück in den Sex and the City-Kontext katapultiert. Nixon liegt im Berliner Ritz Carlton in einem engen Etuikleid auf einem kleinen Sofa mit Chintzbezug. Es ist so klein, dass sie ihre strumpflosen Beine, die in hautfarbenen, sehr hohen Pumps enden, akkurat übereinander gelegt hat. Das Licht ist gedimmt, auf dem Beistelltisch steht überraschenderweise eine Tasse Tee, kein Champagner. Nixon steht zur Begrüßung nicht auf. Sie reicht der Besucherin, die auf einem Stuhl mit Folterlehne direkt vor ihr Platz nimmt, lediglich die Hand. Von unten nach oben.





Die 46-jährige Cynthia Nixon, die sechs Jahre lang die rothaarige, sarkastische Anwältin Miranda Hobbes in SATC war, ist nach Berlin gekommen, weil sie in der Mittelalter-Mini-Serie Die Tore der Welt die Bürgerliche Petranilla spielt. In der Serie trägt sie Mittelscheitel, eine honigblonde Haarmähne bis zum Po, formlose Kittelkleider und ist zwar wiederzuerkennen, aber gerade nur so viel, dass es nicht nervt. Nixon spielt diese durchtriebene, intrigante Petranilla mit einem süffisanten, leicht ironischen Unterton, der beweist, dass die Frau ihr Handwerk beherrscht.

Es ist ja so: Serienschauspieler verschmelzen oft mit ihrer Rolle so sehr, dass sie nach Drehschluss nicht mal mehr wissen, wer sie selber sind. Bestes Beispiel: Sarah Jessica Parker. Die eigentlich immer Carrie spielt, egal ob sie auf einen roten Teppich oder vor die Kamera tritt. Letzteres macht Cynthia Nixon schon seit sie elf Jahre alt ist, sie spielte als Teenager am Broadway und an der Seite von Matt Dillon und Tatum O"Neal in Little Darlings. Nixon ist ein ehemaliger Kinderstar, der auch nach der Pubertät im Geschäft geblieben ist. "Ich wusste, dass auf meiner Stirn ein Verfallsdatum steht und es jeder sehen konnte. Meine Mutter, die bis heute mein Coach ist, hatte mich darauf vorbereitet, dass mit 18 Schluss ist. Komischerweise blieb ich im Geschäft. Vermutlich weil ich nie supersüße Hauptdarstellerin, sondern immer der kesse Sidekick war", sagt Nixon. Die übrigens auch im Liegen auf eine sehr professionelle Art freundlich ist.

Mit Anfang dreißig ergatterte Nixon die Rolle der Miranda, obwohl sie zum Vorsprechen für die Rolle von Carrie Bradshaw kam. "Eine Serie mit erwachsenen Frauen, die direkt vor meiner Tür in Manhattan gedreht wird? Da wollte ich natürlich dabei sein! Als ich für Carrie einen Korb bekam, ließ ich die Produzenten wissen, dass ich jeden anderen Part übernehmen würde." Im Nachhinein beschreibt Nixon die Serien-Jahre als ihre "bombshell years", ihre Granaten-Jahre: Nie wieder wäre sie so schlank, sexy und gut angezogen gewesen.

Und danach? Als die Serie in den USA 2004 abgedreht ist, aber weltweit ihren Höhepunkt feiert, macht Nixon, was sie vorher getan hat: Sie spielt am Broadway Theater. Wird praktischerweise für ihre Rolle als trauernde Mutter in Rabbit Hole gleich mit einem Tony Award ausgezeichnet. "Mit dem Ende einer Serie musst du dich als Schauspieler neu etablieren, und daher empfiehlt es sich, keine Klischees zu bedienen, sondern etwas Neues zu wagen."

Die Tore der Welt ist für Nixon etwas Neues, bedient aber eine Menge Klischees. Die Guten sind gut, die Bösen sind böse. Und die Bösen sind viel unterhaltsamer. Ken Follett, der bekannteste aller Historienschinkenschreiber, hat den Roman verfasst. Die Geschichte spielt in England im Jahr 1327. Zwei Jahrhunderte nach seinem Buch Die Säulen der Erde. 46 Millionen Dollar Budget, 20 trainierte Ratten, Raben und Falken, 200 Schwerter, 100 Schilde, 140 Speere und ein 20 000 Quadratmeter großer Haupt-Set in der Slowakei.

Wie viel Liter Theaterblut vergossen wurde? Viel, sehr viel. Im Mittelpunkt stehen die schöne Caris (Charlotte Riley), die Krankenschwester werden will und vor dem Scheiterhaufen ins Kloster flüchtet, und ihre große Liebe, der Baumeister Merthin (Tom Weston-Jones). Zwischendurch stürzt eine Brücke ein, es wird Kirchenkritik geübt, die moderne Medizin aus der Hexenkunst entwickelt. Rädelsführerin ist die arme, wie schöne, wie schmutzige Gwenda, die von Nora von Waldstätten gespielt wird. Es wird vergewaltigt, geköpft, gehängt. Und Petranilla? Die Witwe hat mütterliche Ambitionen, sie will ihren Sohn Godwyn (Rupert Evans) zum Piror machen und geht dafür über Leichen.

"Insgesamt bringe ich sechs Menschen und einen Hund um", sagt Nixon nicht ohne Stolz. "Die Romane von Ken Follett kannte ich nicht, aber als ich das Drehbuch las, dachte ich die ganze Zeit, noch böser kann es nicht werden. Und dann wurde es noch böser. Herrlich."

Nixon lässt sich weder beruflich noch privat festlegen: Mit 37 lernt sie bei einem Protestmarsch für bessere öffentliche Schulen die Bildungsaktivistin Christine Marinoni kennen. Sie verlieben sich, und Nixon, Mutter von zwei Kindern, verlässt ihren Mann. Sie sagt, es sei krass gewesen, sich Hals über Kopf neu zu verlieben. Dass es eine Frau sei, habe sie nicht gestört. Das Paar hat sich lange für die Homo-Ehe stark gemacht und sofort geheiratet, als diese 2011 im Staat New York legal wurde. Nixon im zitronengelben Abendkleid, Marinoni im Anzug. "Seit wir verheiratet sind, behandeln die Leute Christine anders. Kinderärzte, Lehrer, Trainer nehmen sie als Erziehungsberechtigte ernst. Zuvor haben sie gerne mal so getan, als sei sie einfach nur eine Familienfreundin."

Nixons Partnerin ist durch eine Samenspende im letzten Jahr mit 44 Jahren Mutter geworden. "Momentan ist Christine zu Hause, und ich arbeite und sorge dafür, dass Geld in die Haushaltskasse kommt. Sie wollte das so, damit sie Zeit mit unserem Sohn verbringen kann. Seither verstehe ich, warum sich Männer wünschen, dass ihre Frauen nicht Vollzeit arbeiten. Es ist verdammt angenehm, wenn dir jemand den Rücken frei hält." Als Sandy in New York wütete, war Nixon auf Wahlkampftour für Barack Obama, und ihre Frau saß in Downtown ohne Strom. Also schlüpfte sie Uptown mit Söhnchen Max bei Nixons ehemaliger SATC-Kollegin Kristin Davis (Charlotte!) unter. Frauenfreundschaft auch nach Sex and the City.

Seit Kurzem gibt es die neue Serie Girls, die wieder von vier Frauen in New York erzählt. Sie lässt Sex and the City mit der ewigen Jagd nach Schuhen und großer Liebe ziemlich antiquiert wirken. "Alles hat eben seine Zeit", sagt Nixon, die noch keine Folge gesehen hat. "Wir haben keinen Fernseher, und ich schaue auch auf dem Laptop keine Serien. Aber alles, was ich von Lena Dunham mitbekomme, gefällt mir. Immer wenn sie den Mund aufmacht, kommt etwas Lustiges heraus." Böse ist Cynthia Nixon im Liegen nicht. Nur im Film.

Die Tore der Welt, Sat1, 20.15; Teil 2 am 4., Teil 3 und 4 am 10. und 11. Dezember, jeweils 20.15 Uhr.

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