Kommen Karikaturisten in den Himmel? Menschen, die ihre Arbeit mit Ironie und Sarkasmus verrichten und für religiöse Visionen nicht unbedingt anfällig sind? Was die vier französischen Zeichner Charb, Wolinski, Cabu und Tignous angeht, die zu den Stars der Satirezeitschrift Charlie Hebdo gehörten und bei dem Überfall auf die Redaktion erschossen wurden, ist die Meinung der Kollegen eindeutig. In einigen der spontanen Zeichnungen landen die vier tatsächlich über den Wolken und flattern dem Allmächtigen vor die Augen (siehe rechts oben): viel zu früh, kommentiert dieser und lässt sich in seiner Lektüre kaum stören: Charlie Hebdo.
Der Cartoonist Muhindo Kashauri a.k.a. Kash aus Kongo würdigt die ermordeten Zeichner von Charlie Hebdo
Das große Vorbild für die Reaktion auf ein Ereignis, das eine ganze Nation – und die Welt – erschütterte, ist wohl immer noch die Titelseite des amerikanischen Magazins New Yorker vom 25.September 2001, gestaltet von Art Spiegelman – in tiefem Schwarz, auf dem sich schwach die Türme des World Trade Center abzeichnen. Der Phantomschmerz der Erinnerung.
Die vielen Reaktionen der Kollegen in aller Welt auf den Tod der Charlie-Hebdo-Zeichner können und wollen so subtil nicht sein. Sie sind spontan, intuitiv, Dokumente der Trauer, der Fassungslosigkeit, der Verunsicherung – in einer Zeichnung gibt es eine Erinnerung an den Schock von 9/11. Es ist, als würde die internationale Bruderschaft der kritischen Zeichner – die des Westens, unterstützt von einigen aus östlichen Ländern – sich ihrer Solidarität versichern. Bewegend die Erinnerung an den Namensgeber der Zeitschrift, den guten alten Charlie Brown, der in einer der raren Szenen echter Trauer gezeigt wird. Und von bewegender Gradlinigkeit der alte Albert Uderzo, der seine Superhelden Asterix und Obelix still den Kopf senken lässt –und der kleine Idefix schaut traurig und ratlos.
Die Zeichnungen signalisieren Trotz, Widerstandswillen, vielleicht Wut. Immer wieder wird die Unbesiegbarkeit der Feder beschworen, Stifte figurieren auf jeder zweiten Zeichnung. Manchmal spürt man etwas wie ein Innehalten – als wären sich die Zeichner durch den Überfall der eigenen Exponiertheit bewusst geworden – in einer Welt, in der die Globalisierung die Konfrontation verschiedener Perspektiven und Ansichten radikal verschärft.
Manchmal erledigen die Zeichner, unter Schock, aber echte Profis, auch nur ihre Arbeit: die aktuelle Situation in prägnanten, auf einen Blick einsichtigen Bildern festzuhalten. Es sind schmerzlich schöne Momente der Erkenntnis. Die Attentäter schießen auf die Redaktion des Charlie Hebdo, das Blut rinnt, aber was sie eigentlich beschädigen mit ihren Kugeln und Querschlägern, ist die Moschee dahinter, der Islam, die eigene Religion.
Und der große australische Karikaturist David Pope zeigt einen maskierten Attentäter, in dessen Augen sich die Ratlosigkeit eines ertappten Kindes zu spiegeln scheint: He drew first, versucht er sich herauszureden. Er hat zuerst gezogen, wie man es aus den Duellen im Wilden Westen kennt. Aber auch: Er hat zuerst gezeichnet.
So wird es auch in Zukunft bleiben, die Zeichner werden immer die Ersten sein, die ziehen.
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Obelix trägt Trauer
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