Manch einer wird schon gehofft haben, selbst eines Tages im Geld baden zu können, wie es Onkel Dagobert jeden Tag tut. Vermutlich immer dann, wenn es wieder eine dieser Geschichten in die Schlagzeilen schafft. Eine Geschichte wie die vom Mann in Minnesota, der in der Wanddämmung seines für wenige Tausend Dollar gekauften Hauses ein Heft fand, das ihn reich machte. Dann stehen wieder wöchentlich Menschen mit solchen Hoffnungen im Geschäft von Peter Zemann. Seit 26 Jahren betreibt er die „Comic Company“ in der Münchner Fraunhoferstraße. Regelmäßig bringen ihm Menschen einzelne Alben oder ganze Kisten in das kleine Geschäft mit Regalen an allen Wänden und Drehständern voller Comics. Oder sie rufen einfach an: „Die wollen dann Wertanalysen aus der Ferne“, sagt er und lacht. „Dabei macht das kein Spezialhändler.“
"Geld wird gedruckt, alte Comics nicht mehr" - einer der Gründe, warum Comics zu einer immer beliebteren Geldanlage werden.
Alte Comics gelten seit einigen Jahren als Wertgegenstand – das ist Teil eines allgemeinen Booms hochwertiger Sammlerware. „Vor 20 Jahren hätte keiner geglaubt, dass solche Preissprünge im Comicmarkt möglich sind“, sagt Zemann. Heute erreichen einzelne Hefte bei Auktionen Spitzenpreise, zuletzt wechselte im August ein Comic mit dem ersten Auftritt von Superman für 3,2 Millionen Dollar den Besitzer.
Die Gründe für den Hype um alte Hefte sind vielfältig. „Geld wird gedruckt, alte Comics nicht mehr“, sagt Marco Heuberg. Er betreibt in Bremen den Laden Comicmafia und berät Auktionshäuser. „Frischfunde passieren nicht mehr“, sagt der Experte, „High-End-Ware kommt von unten nicht mehr nach.“ Prädikat „garantiert selten“: Comics werden zur guten Alternative zu anderen Investitionen, gerade in Zeiten niedriger Zinsen. „Es gibt viele Menschen, die einfach nicht wissen, wohin mit ihrem Geld“, sagt Heuberg. Der Prozess der Wertsteigerung verselbständigt sich dann schnell. Denn je mehr die Hefte wert sind, desto länger behalten die Besitzer sie – was dazu führt, dass einzelne Produkte überhaupt nicht mehr auf dem Markt landen. „Ich habe schon mehrfach gehört, dass etwa 80 Prozent der wirklich wertvollen Comics sogar in Bankenbesitz sind“, sagt Heuberg. Zudem werden Comics zunehmend als Kunstform entdeckt, professionelle Institutionen sammeln Originalzeichnungen und künstlerische Vorlagen und stellen sie aus – wie vor einiger Zeit in München, als in der Hypokunsthalle Disney-Vorbilder zu sehen waren.
Einen weiteren Beitrag leistet Hollywood: Verfilmungen von Batman- und Supermangeschichten machen die Figuren auch einem nicht Comic-affinen Publikum bekannt. „Tim und Struppi kannte in den USA vorher kein Mensch. Seit der Film im Kino war, hat sich der Preis für Ausgaben vervierfacht“, sagt Heuberg. Gleichzeitig ist der Markt internationaler geworden. Wo man früher beim lokalen Händler nachfragte, erfährt man Details heute nach kurzer Suche im Netz. Und ertragreiche Auktionen bekommen weltweit nicht mehr nur die Aufmerksamkeit begeisterter Privatsammler, sondern auch von Investoren und Institutionen. Mit der Bekanntheit steigt die Zahl derjenigen, die bereit sind, für ein altes Superman-Heft viel Geld hinzulegen – der Schauspieler Nicolas Cage hat in Comics investiert, auch Rap-Star Eminem hat mit einem Teil seines Vermögens bunte Hefte gekauft. „Hohe Preise schrecken mittlerweile die wenigsten ab“, sagt Marco Heuberg.
Dabei ist der Markt in Deutschland vergleichsweise ruhig. „Hier sind sogar manche Sachen für ihre Seltenheit noch eher billig“, findet Marco Heuberg. Extrembeispiele wie aus den USA sind noch die Ausnahme – auch, weil der Markt für Comics auf Deutsch kleiner ist. Doch selbst wer eine seltene Ausgabe daheim hat, kann kaum ohne Expertenhilfe schätzen, wie viel ein Heft bringen könnte – hochwertige Funde zu erkennen grenzt schon an eine Superheldenfähigkeit. Manche Details entdecken selbst Experten wie Marco Heuberg nur mit der Lupe.
Denn was ein guter Comic ist, hängt an vielen Faktoren – zu allererst natürlich am Zustand. „Wenn Kind und Kindeskinder das mit Nutellafingern durchgeblättert haben, kann das nichts mehr wert sein“, sagt Zemann. Comics müssen fachkundig gelagert sein: druckfrisch, dunkel und mit einem rückenverstärkenden Karton verpackt in säurefreiem Plastik, genannt „Kondome“. Manche Händler bieten sogar Papiere an, die, zwischen die Seiten gelegt, deren Zersetzungsprozess verlangsamen sollen. „Und bloß weil ein Heft neu ist, ist es nicht in einem super Zustand“, sagt Zemann. „Ein echt gutes Comic muss besser sein als neu.“ Heißt: Es muss auch ein besonders guter Druck gewesen sein; schon wenn bei der Druckmaschine die Schnittkanten abgewetzt waren, beeinflusst das die Qualität. Die Zustände werden nach Zahlen definiert: Null ist der ideale Zustand, eins ein sehr guter. Schon wenn ein Heft eine zwei bekommt, erzielt ein Verkäufer nur 40 Prozent des Preises eines 1er-Heftes.
Hinzu kommt: Die Ausgabe muss selten sein – und die Rarität steigt mit dem Alter. Comics werden nach Golden-, Silver- und Bronze-Zeitaltern eingeteilt. Natürlich sind Ausgaben aus der goldenen Ära, gedruckt von den Zwanziger- bis Vierzigerjahren, seltener als Bronze-Comics aus der Zeit ab den Siebzigern. Besonders gut gehen beliebte und bekannte Helden. „Die Geburtsstunde eines Helden ist immer etwas wert“, sagt Ladenbesitzer Zemann – auch das ist ein Grund, warum die „Action Comics No. 1“-Ausgabe mit Supermans ersten Heldentaten so viel einbrachte.
Anhand dieser Kriterien lässt sich zumindest theoretisch definieren, wann ein Comic wertvoll sein könnte. Dazu kommen aber immer wieder Ausnahmeerscheinungen. Marco Heuberg setzt derzeit auf Mosaik-Hefte. Die DDR-Comics hält er für die beliebteste Serie der Bundesrepublik, weil ein Großteil ehemaliger DDR-Bürger nur die kannte und liebte und es gleichzeitig nur wenige Ausgaben davon gibt – ein Sammler hat kürzlich für eine albanische Ausgabe aus den Siebzigerjahren 6500 Euro bezahlt. „Das ist für diese Zeit der absolute Irrsinn“, sagt Heuberg. „Aber ich kenne durchaus Menschen, die mir für eine Nummer eins 15000 Euro zahlen würden.“
Solche Kunden mit sehr speziellen Interessen und einer großen Bereitschaft, dafür Geld auszugeben, merkt sich Heuberg leicht. Für alle anderen führt er eine Liste. Kommt ein lang ersehntes Heft rein, ruft er den Liebhaber an. Auch darin sieht er einen Grund, warum Comics zwar ein Boom-Markt sind, aber keine Blase droht. Zwar gibt es einige Spekulanten und in den Neunzigerjahren gab es auch mal einen Preissturz, „aber dass Menschen das allein aus Geldgründen machen, ist nach wie vor die Ausnahme“, sagt Heumann. Vor allem Liebhaber sammeln Comics – die sind eher keine Spekulanten. „Sie kaufen vor allem, was ihnen gefällt“, sagt Zemann. Ein hoher Wert ist da eher ein willkommener Nebeneffekt.
Trotzdem verändern die Rekordpreise den Markt. Es gibt mehr Nachdrucke alter Ausgaben, die Branche wird ernster genommen. Comicsammelei sei früher etwas für arme Leute gewesen, sagt Zemann, deshalb gehe es in klassischen Arbeiterstädten auch mehr Comicläden. Je teurer einzelne Hefte, desto mehr Beachtung bekommt die ganze Branche. „Der Wert in der Gesellschaft misst sich oft am ökonomischen Wert“, sagt Dietrich Grünewald, der seit Jahren über Comics forscht. „Und der Normalbürger sieht Comics nun mit anderen Augen.“
Dass eben jene Normalbürger nun mit Comics reich werden, ist dennoch unwahrscheinlich. Wer sich trotzdem im Sammeln probieren möchte, dem raten die Experten, Hefte direkt im Laden beim Händler zu kaufen. Natürlich, weil es ihr Geschäft ist. Aber auch wegen der Details, die nur der Kenner sieht. Sowohl Zemann als auch Heuberg wurden schon in Betrugsfällen als Experten zu Rate gezogen – denn gerade auf Plattformen wie Ebay wird viel angeboten, was keinerlei Wert hat. „Dort werden nur in Ausnahmefällen hohe Preise erzielt“, sagt Heuberg. Der Traum vom Dachbodenfund wird deshalb meist genau das bleiben: ein Traum.
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Mein Held, mein teurer Held!
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