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Ein sibirischer Hiob

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Russlands Fernsehen ist gewöhnlich nicht zimperlich, wenn es nationale Erfolge zu feiern gilt. Besiegt die Jugendauswahl der Hockey-Nationalmannschaft im Halbfinale die Schweden, verdrängt die Meldung schon mal die Ukraine von Platz eins der Nachrichten. Als am Sonntag eine russische Produktion mit dem Golden Globe für den besten nicht englischsprachigen Film 2014 ausgezeichnet wurde, herrschte in den beiden größten staatlichen Sendern, Erster Kanal und Rossija 1, dagegen peinliche Stille.



Regisseur Andrej Swjaginzew (rechts) und sein Produzent Alexander Rodnyansky (links) mit dem Golden Globe, den sie für "Leviathan" bekommen haben. In Russland ist der Film stark umstritten.

Lediglich am Ende der Nachrichten wurden erst alle anderen Preisträger aufgezählt, bevor der Name des Regisseurs Andrej Swjaginzew fiel. Rossija 1 illustrierte das Ganze mit einem Bild des ebenfalls ausgezeichneten George Clooney. Dabei ist der Preis eigentlich eine Sensation: Der letzte russische Regisseur, der einen Golden Globe erhielt, war 1969 Sergej Bondartschuk für „Krieg und Frieden“.

Swjaginzews Film „Leviathan“ verpflanzt die Hiob-Geschichte ins Russland von heute: Ein einfacher Mann, Nikolaj, verliert alles, was er hat, und fragt verzweifelt, wo Gott bleibt. Es ist der Staat, der den russischen Hiob zermalmt: Ein korrupter Provinzbürgermeister lässt Nikolajs Grundstück enteignen und sein Haus abreißen. Zwischendurch sucht er geistlichen Rat beim Popen. Am Ende steht auf dem Platz eine neue Kirche. Bis dahin wird viel geflucht und sehr viel getrunken.

Der Film dürfte schon jetzt die am heftigsten umstrittene Produktion der letzten Jahre in Russland sein. Dabei kommt er erst im Februar in die Kinos. Im Internet ist aber seit einigen Wochen eine Raubkopie mit englischen Untertiteln zu haben. Das sei Schwarzmalerei und antirussisch, schimpfen die einen. Swjaginzew habe ihn für ein westliches Publikum produziert, das darin seine russophoben Klischees bestätigt finde. Hollywood zeichne ihn nur aus, weil das der gegenwärtigen russlandfeindlichen Stimmung entspreche.

Schon nach der Premiere in Cannes, wo Sjwaginzew im Mai für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde, beklagte sich Kulturminister Wladimir Medinski über „Leviathan“. Medinski steckt allerdings in einer Zwickmühle, denn der Staat hat die Produktion finanziert. Und im Oktober hat das konservative russische Oscar-Komitee den Film – offenbar mangels anderer aussichtsreicher Produktionen – als Russlands Kandidaten ins Rennen um die Statue für den besten ausländischen Film geschickt. Inzwischen steht er auf der Shortlist.

Bevor er Minister wurde, hatte sich Medinski mit einer Buchreihe einen Namen gemacht, in der er nachzuweisen versuchte, dass alle „Mythen über Russland“ – vom Alkoholismus bis zur staatlichen Rückständigkeit – stets vom Ausland erfunden wurden. Kürzlich versprach er, künftig keine Filme über das „beschissene Russland“ mehr zu fördern.

Die Inspiration zu seiner Geschichte kam Swjaginzew indes durch eine reale Begebenheit in den USA. Russland liefert lediglich die Kulisse.


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