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„Dass das Geld nicht vom Himmel fällt“

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In digitalen Zeiten kann schon eine kurze Nachricht auf Twitter den Verfasser zum politischen Akteur machen. So hat vor ein paar Tagen eine Schülerin – Naina aus Köln – eine Debatte über den Sinn ihres Unterrichts in Bewegung gesetzt. „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen“, twitterte die junge Frau – was Experten und Politiker zu Reaktionen veranlasste.



Wissen Schüler zu wenig über das Berufsleben? Der Tweet einer Schülerin hat in der letzten Woche eine neue Debatte darüber ausgelöst. Baden-Württemberg reagiert und will 2016 das neue Unterrichtsfach Wirtschaft und Beruf einführen.

Der Deutsche Lehrerverband konterte: „Eine gewisse Alltagstauglichkeit sollte auch von den Eltern vorgelebt werden.“ Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) ließ ausrichten: „Ich finde es sehr positiv, dass Naina die Debatte angestoßen hat. Es bleibt aber wichtig, Gedichte zu interpretieren.“ Nordrhein-Westfalens Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) verwies auf Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK), Verbraucherbildung stärker in die Lehrpläne zu bringen, wandte aber ein: „Die Frage ist: Wie schaffen wir das, ohne dass wir ständig von oben draufsatteln.“

Diese Frage beschäftigt die KMK schon länger. Im Fokus: Ist gar ein eigenes Fach nötig? Vorreiter wird Baden-Württemberg sein. Die grün-rote Landesregierung will 2016 an allen allgemeinbildenden Schulen das Pflichtfach Wirtschaft und Beruf einführen. Die Pläne bestätigte nun Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD). Das Fach solle „Kindern helfen, zu mündigen Wirtschaftsbürgern zu werden.“ Ähnliche Inhalte kommen in allen Ländern in der Mittel- und Oberstufe in verschiedenen Fächern vor, an Gymnasien unter anderen in Bayern wird Wirtschaft teils in bestimmten Stufen angeboten. Eine umfassende, verpflichtende Behandlung wie nun im Südwesten ist ein Novum. Auch Praktiker sollen in Schulen referieren. Gewerkschaften und Elternvertreter weisen aber darauf hin, dass keinesfalls Konzerne einseitig ihre Interessen in Klassen tragen dürften.

Wirtschaftsverbände haben immer wieder ein solches Fach gefordert und haben auf Befragungen von Schülern verwiesen, die mangelnde Kenntnisse beweisen sollen. Ein Zusatz zur letzten Pisa-Studie, in dem 15-Jährige etwa die Kosten eines Kredits prüfen sollten, fand ohne Deutschland statt. „Dadurch, dass wir in der Schule heile Welt spielen, bereiten wir die Schüler nicht darauf vor, auf Augenhöhe am Wirtschaftsleben teilzunehmen“, rügte Wirtschaftsjunioren-Chef Christian Wewezow.

Hatte die Politik Angst vor einer Blamage? In KMK-Kreisen heißt es, dass man an einer solchen Studie gern teilnehme, wenn die Beschlüsse für mehr Verbraucherbildung greifen. Mit eigenem Fach? In einigen Ländern werde das durchaus geprüft.

Wie das Fach in Stuttgart exakt aussehen wird, ist noch unklar. Wirtschaftsminister Schmid, der in der Angelegenheit offensiver auftritt als der Kultusminister, sagte in einem Zeit-Interview zur Kritik an den Plänen: „Die gleichen Eltern, die sich über dieses Fach aufregen, haben kein Problem damit, ihren Kindern das neueste Smartphone zu kaufen. Man sollte den Schülern dann zumindest erklären dürfen, woher das Geld kommt und dass das Geld nicht vom Himmel fällt.“ Noch wichtiger sei berufliche Orientierung. Schmid denkt da an das Duale System, das unter dem Trend zum Studium leide: „Baden-Württemberg lebt vom Ruf und von der Güte seines Mittelstandes. Der besteht zum Großteil aber nicht aus Akademikern, das sind gut ausgebildete Fachkräfte, Meister, Techniker.“

Laut einer Umfrage des Instituts Allensbach fühlen sich nur die Hälfte der Schüler bundesweit gut über die Berufswelt informiert. Die meisten, die sich mehr Hilfe wünschen, sehen das als Aufgabe der Schule. 2014 hatte der Wissenschaftsrat, das Beratergremium der Politik, Reformen angeregt: Mehr Praktika und Beratung, denkbar sei deutschlandweit ein Fach Berufsorientierung. Gutachten des Rates werden häufig von der Politik umgesetzt – auch Indiz dafür, dass das Stuttgarter Vorhaben Schule machen könnte.

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