Drückerkolonnen klingeln nicht mehr an der Haustür. Sie rufen an. Täglich werden Zigtausend Bürger von dreisten Verkaufsprofis telefonisch belästigt, bequasselt und abkassiert. Bei Senioren klappt die Masche am besten. „Sie wollen doch sicher sparen? Oder gewinnen?“, so fangen die meisten Telefonate an. Ja klar, sagen viele Angerufene arglos – und sitzen am Ende in Zeitschriften-Abos fest, haben Lotterielose gekauft, Versicherungen und Kontoabbuchungen am Hals. Oder haben den Stromanbieter gewechselt. Unerlaubte Werbeanrufe sind eine Massenplage, wie eine bundesweite Umfrage der Verbraucherzentralen ergab.
Dabei sind die sogenannten cold calls verboten, wie Friederike Wagner, Juristin der Verbraucherzentrale Sachsen, betont. Seit Oktober 2013 ist das Anti-Abzocke-Gesetz in Kraft, das den nervigen und häufig unseriösen Verkaufspraktiken am Telefon endlich den Riegel vorschieben sollte. Seither gilt: Wer einen Bürger anruft, muss vorher dessen Einwilligung eingeholt haben. Doch die meisten Angerufenen haben nie wirklich einem Werbeanruf zugestimmt. Letztlich wird nicht überprüft, ob dem Unternehmen tatsächlich eine rechtswirksame Einwilligung vorlag, wie Ilja Braun vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in Berlin kritisiert.
Ob Hundefutter, Lotterielose oder Zeitungs-Abo: Call-Center-Mitarbeiter haben einige Tricks auf Lager, um Produkte zu verkaufen. Auch mündliche Absprachen können wirksam sein.
Obwohl das neue Gesetz mehr Schutz versprach, „hat sich am täglichen Ärgernis für die Bürger bislang nicht viel geändert“, sagt auch Julia Rehberg, Juristin der Verbraucherzentrale Hamburg. Da hilft auch kaum, dass deutsche Callcenter nicht mehr vor 8.00 Uhr morgens oder nach 20.00 Uhr abends durchläuten, sich samstags auf die Zeit zwischen 9.00 und 18.00 Uhr beschränken und nicht mehr als 15-mal pro Woche beim gleichen Anschluss vorstellig werden. Denn am Kernproblem wurde nicht gerüttelt: Kommt bei den Werbeanrufen und Marketingkampagnen ein Vertrag zustande, ist das erlaubt.
Wichtig: Auch mündliche Vereinbarungen sind Verträge. So ist ein telefonisch geschlossener Vertrag genauso gültig wie ein im Laden unterschriebener. „Es herrscht Vertragsfreiheit“, erklärt Rechtsanwalt Jürgen Widder vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Obwohl telefonische Verträge häufig auf unlauterem Weg zustande kommen, sind sie in der Regel rechtlich wirksam, wie Juristin Wagner betont. Kunden, die zu spät oder gar nicht widerrufen, sitzen darin fest. Diese paradoxe Situation wird von Firmen gnadenlos ausgenutzt.
„Vor allem Ältere lassen sich oft aus Höflichkeit auf Verkaufsgespräche ein und werden dann mit System über den Tisch gezogen“, berichtet Juristin Rehberg. Geschickt werden den Senioren zum Beispiel Abos für Hunde- und Katzenfutter angedreht, obwohl sie gar keine Haustiere haben. Oder sie kriegen nach einem Telefonat die Rechnung für ein angeblich neues Rheumamittel, das sie gar nicht brauchen. Per Telefon werden auch gern Strom-, Internet- und Telefonverträge an den Mann oder die Frau gebracht, Abbuchungen vom Konto vereinbart oder gar ein Geldtransfer mit Western Union eingefordert.
Die Methoden werden immer dreister. Inzwischen geben sich dubiose Anrufer als Anwälte, Mitarbeiter von Behörden oder Verbraucherschützer aus, um Kontodaten abzufischen und Kasse zu machen. Vorher wird noch schnell die Rufnummer unterdrückt oder manipuliert, sodass der Anruf nicht zurückzuverfolgen ist.
Dass die Bundesnetzagentur bei illegaler Telefonwerbung seit 2013 happige Bußgelder von bis zu 300000 Euro verhängen darf, schreckt offensichtlich nicht ab – zumal die Behörde diesen Rahmen trotz unzähliger Beschwerden nicht ausschöpft, wie Juristin Wagner bemängelt. Aus Abzocker-Sicht sei die Rechnung recht einfach: „Wenn ein einziger Call-Center-Mitarbeiter pro Stunde sechs Leute anruft und vieren einen Vertrag unterjubelt, der in zwei Fällen auch noch bezahlt wird, ist ein Bußgeld von ein paar Tausend Euro schnell wieder raus“, so Wagner. Nur ein verschärftes Gesetz könne vor unseriösen Verkaufspraktiken schützen, sind Verbraucherschützer überzeugt. Die vzbv-Experten wollen, dass Telefonverträge erst dann gültig sind, wenn der Kunde sie schriftlich bestätigt hat. Das gilt bisher nur für Gewinnspielverträge.
Und so bleibt allen, die einer Verkaufsmasche am Telefon aufgesessen sind, nur eins: Nach dem Anruf so schnell wie möglich aussteigen. Das Widerrufsrecht bei Telefonverträgen beträgt 14 Tage. Außerdem muss der Verkäufer seine Kunden darüber aufklären, wie Anwalt Widder erläutert. Die 14-Tages-Frist startet, wenn die Belehrung schriftlich beim Kunden eingeht. Ist das nicht der Fall, ist der mündlich geschlossene Vertrag in der Regel nicht gültig. „Auf keinen Fall unter Druck setzen lassen und vorschnell zahlen“, rät Juristin Rehberg. Zwar zeichnen viele Anrufer die Verkaufstelefonate auf, brauchen dafür aber das Einverständnis des Kunden. Drohungen, den Mitschnitt als Beweis einzusetzen, seien deshalb oftmals ohne Basis.
Ist die 14-tägige Widerrufsfrist mitsamt Belehrung schon länger vorbei, wird es allerdings schwierig. Bei komplizierten Fällen ist es ratsam, sich bei Verbraucherzentralen vor Ort Hilfe zu holen (gegen Gebühr). Wer Problemen von vornherein aus dem Weg gehen will, sollte bei Werbeanrufen sofort auflegen, Gewinnspiele meiden und persönliche Daten wie Telefonnummern nur selten aus der Hand geben, empfiehlt Wagner. Wer sich von Werbeanrufen massiv belästigt fühlt, kann sich direkt an die Bundesnetzagentur wenden, am besten per E-Mail an: rufnummernmissbrauch@bnetza.de. Oder unter www.bundesnetzagentur.de, Button „Rufnummernmissbrauch“. Die Regulierungsbehörde geht Beschwerden dann nach. Wichtig ist, Datum und Uhrzeit des Anrufs parat zu haben, welche Produkte beworben wurden, wenn möglich auch die angezeigte Rufnummer und den Firmennamen.
Dabei sind die sogenannten cold calls verboten, wie Friederike Wagner, Juristin der Verbraucherzentrale Sachsen, betont. Seit Oktober 2013 ist das Anti-Abzocke-Gesetz in Kraft, das den nervigen und häufig unseriösen Verkaufspraktiken am Telefon endlich den Riegel vorschieben sollte. Seither gilt: Wer einen Bürger anruft, muss vorher dessen Einwilligung eingeholt haben. Doch die meisten Angerufenen haben nie wirklich einem Werbeanruf zugestimmt. Letztlich wird nicht überprüft, ob dem Unternehmen tatsächlich eine rechtswirksame Einwilligung vorlag, wie Ilja Braun vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in Berlin kritisiert.
Ob Hundefutter, Lotterielose oder Zeitungs-Abo: Call-Center-Mitarbeiter haben einige Tricks auf Lager, um Produkte zu verkaufen. Auch mündliche Absprachen können wirksam sein.
Obwohl das neue Gesetz mehr Schutz versprach, „hat sich am täglichen Ärgernis für die Bürger bislang nicht viel geändert“, sagt auch Julia Rehberg, Juristin der Verbraucherzentrale Hamburg. Da hilft auch kaum, dass deutsche Callcenter nicht mehr vor 8.00 Uhr morgens oder nach 20.00 Uhr abends durchläuten, sich samstags auf die Zeit zwischen 9.00 und 18.00 Uhr beschränken und nicht mehr als 15-mal pro Woche beim gleichen Anschluss vorstellig werden. Denn am Kernproblem wurde nicht gerüttelt: Kommt bei den Werbeanrufen und Marketingkampagnen ein Vertrag zustande, ist das erlaubt.
Wichtig: Auch mündliche Vereinbarungen sind Verträge. So ist ein telefonisch geschlossener Vertrag genauso gültig wie ein im Laden unterschriebener. „Es herrscht Vertragsfreiheit“, erklärt Rechtsanwalt Jürgen Widder vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Obwohl telefonische Verträge häufig auf unlauterem Weg zustande kommen, sind sie in der Regel rechtlich wirksam, wie Juristin Wagner betont. Kunden, die zu spät oder gar nicht widerrufen, sitzen darin fest. Diese paradoxe Situation wird von Firmen gnadenlos ausgenutzt.
„Vor allem Ältere lassen sich oft aus Höflichkeit auf Verkaufsgespräche ein und werden dann mit System über den Tisch gezogen“, berichtet Juristin Rehberg. Geschickt werden den Senioren zum Beispiel Abos für Hunde- und Katzenfutter angedreht, obwohl sie gar keine Haustiere haben. Oder sie kriegen nach einem Telefonat die Rechnung für ein angeblich neues Rheumamittel, das sie gar nicht brauchen. Per Telefon werden auch gern Strom-, Internet- und Telefonverträge an den Mann oder die Frau gebracht, Abbuchungen vom Konto vereinbart oder gar ein Geldtransfer mit Western Union eingefordert.
Die Methoden werden immer dreister. Inzwischen geben sich dubiose Anrufer als Anwälte, Mitarbeiter von Behörden oder Verbraucherschützer aus, um Kontodaten abzufischen und Kasse zu machen. Vorher wird noch schnell die Rufnummer unterdrückt oder manipuliert, sodass der Anruf nicht zurückzuverfolgen ist.
Dass die Bundesnetzagentur bei illegaler Telefonwerbung seit 2013 happige Bußgelder von bis zu 300000 Euro verhängen darf, schreckt offensichtlich nicht ab – zumal die Behörde diesen Rahmen trotz unzähliger Beschwerden nicht ausschöpft, wie Juristin Wagner bemängelt. Aus Abzocker-Sicht sei die Rechnung recht einfach: „Wenn ein einziger Call-Center-Mitarbeiter pro Stunde sechs Leute anruft und vieren einen Vertrag unterjubelt, der in zwei Fällen auch noch bezahlt wird, ist ein Bußgeld von ein paar Tausend Euro schnell wieder raus“, so Wagner. Nur ein verschärftes Gesetz könne vor unseriösen Verkaufspraktiken schützen, sind Verbraucherschützer überzeugt. Die vzbv-Experten wollen, dass Telefonverträge erst dann gültig sind, wenn der Kunde sie schriftlich bestätigt hat. Das gilt bisher nur für Gewinnspielverträge.
Und so bleibt allen, die einer Verkaufsmasche am Telefon aufgesessen sind, nur eins: Nach dem Anruf so schnell wie möglich aussteigen. Das Widerrufsrecht bei Telefonverträgen beträgt 14 Tage. Außerdem muss der Verkäufer seine Kunden darüber aufklären, wie Anwalt Widder erläutert. Die 14-Tages-Frist startet, wenn die Belehrung schriftlich beim Kunden eingeht. Ist das nicht der Fall, ist der mündlich geschlossene Vertrag in der Regel nicht gültig. „Auf keinen Fall unter Druck setzen lassen und vorschnell zahlen“, rät Juristin Rehberg. Zwar zeichnen viele Anrufer die Verkaufstelefonate auf, brauchen dafür aber das Einverständnis des Kunden. Drohungen, den Mitschnitt als Beweis einzusetzen, seien deshalb oftmals ohne Basis.
Ist die 14-tägige Widerrufsfrist mitsamt Belehrung schon länger vorbei, wird es allerdings schwierig. Bei komplizierten Fällen ist es ratsam, sich bei Verbraucherzentralen vor Ort Hilfe zu holen (gegen Gebühr). Wer Problemen von vornherein aus dem Weg gehen will, sollte bei Werbeanrufen sofort auflegen, Gewinnspiele meiden und persönliche Daten wie Telefonnummern nur selten aus der Hand geben, empfiehlt Wagner. Wer sich von Werbeanrufen massiv belästigt fühlt, kann sich direkt an die Bundesnetzagentur wenden, am besten per E-Mail an: rufnummernmissbrauch@bnetza.de. Oder unter www.bundesnetzagentur.de, Button „Rufnummernmissbrauch“. Die Regulierungsbehörde geht Beschwerden dann nach. Wichtig ist, Datum und Uhrzeit des Anrufs parat zu haben, welche Produkte beworben wurden, wenn möglich auch die angezeigte Rufnummer und den Firmennamen.