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Spicker am Handgelenk

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Ist es A? B klingt aber auch verdammt richtig. C, ich weiß nicht, aber D, ja, es könnte auch Dsein – Prüfungen nach dem Multiple-Choice-Verfahren haben ihre ganz eigenen Tücken. Wenn man jetzt bloß mal kurz im Netz nachsehen dürfte. Aber das Smartphone muss natürlich während der Prüfung in der Tasche bleiben. Und an einigen Universitäten wie etwa der City of London University heißt es neuerdings auch noch: Uhren ab. Durch das Aufkommen von internetfähigen Uhren, sogenannten Smart Watches, wachse die Gefahr, dass Studenten sich mithilfe ihrer Computeruhr durchs Examen schummeln. Aber ist das wirklich realistisch?



Viel Potential steckt in der sensiblen Technik: So verfügen Smart Watches nicht nur über eine Internetverbindung, sondern können auch Werte wie Blutdruck oder Pulsschlag erheben.

Eine Gruppe von Forschern um Alex Migicovsky von der University of Michigan hat sozusagen die Probe aufs Examen gemacht. Und zwar gleich mit einem richtig ausgeklügelten System. Sie nutzen die Pebble Smartwatch, die einen Schwarz-Weiß-Bildschirm hat mit derselben Technik wie Lesegeräte für elektronische Bücher. Die Forscher schrieben ein kleines Programm für Apples iPhone, besorgten sich bei einem Anbieter kostenlos Speicherplatz auf in einem übers Internet zugänglichen Server. Dort bauten sie während einer simulierten Prüfung eine Datenbank für die am häufigsten gewählten Antworten auf – fertig war die Echtzeit-Spick-Zentrale, eine Art Publikumsjoker für Nerds.

Mit wenigen Tastendrucken auf ihren Uhren konnten die Testteilnehmer ihre Antwort eingeben, nahezu verzögerungsfrei erschien das Ergebnis auf den Uhren der anderen Prüflinge – für die Verbindung mit dem Internet sorgten die iPhones der Tester. Diese wiederum waren via Bluetooth-Funk mit den Uhren verbunden. Das Ergebnis aber, wie raffiniert, wurde nicht etwa irgendwie im Klartext dargestellt. Sondern für einen, der nicht im Bilde war, so gut wie unsichtbar – als kleine Pünktchen, die sich in den Ziffern der Digitaluhr versteckten. Erschien das Pünktchen an der dritten Ecke einer Ziffer, war die dritte Antwort die am häufigsten gewählte.

Migicovsky und Kollegen ging es aber nicht darum, von MC-Tests geplagte Studenten mit raffinierter Schummel-Software zu versorgen. Die Frage war vielmehr: Steckt in den computerähnlichen Geräten, die man am Körper trägt, als Brille, als Knopf am Jackett oder eben auch als klobige Armbanduhr, auch ein Potenzial, mit dem systematisch betrogen werden könnte? Nicht nur bei Prüfungen an der Uni, sondern auch in vielen anderen Lebensbereichen? Ihr Schummel-System zeigt, dass das mit vergleichsweise wenig Aufwand möglich ist.

Smart Watches gibt es mittlerweile von einer ganzen Reihe von Herstellern, manche haben sogar eine eigene Internetanbindung und sind damit unabhängig von Smartphones. Im Frühjahr schließlich soll auch die im Herbst mit großem Pomp ankündigte Computeruhr von Apple auf den Markt kommen. Viele in der Branche rechnen damit, dass Apple nicht nur viele davon verkaufen, sondern auch der gesamten Industrie einen Schub geben wird. Das wird sie brauchen, denn noch sind die Computer fürs Handgelenk kein richtiger Verkaufsschlager.

Sieht man sich aber um, zum Beispiel auf der Konferenz Wearable Technologies in München, dann wird deutlich, wie viel Potenzial in dieser Technik steckt, aber auch wie viele sensiblen Daten hier erfasst werden. Die tragbaren Sensoren und Computer erfassen alle möglichen Werte, vom Pulsschlag über den Blutdruck bis zur Hautfeuchte. „Das Gerät am Handgelenk ist ein Fenster in den Körper“, sagt Simon Drabble von Adidas. Technik der Firma ist bei Profis längst im Einsatz, zum Beispiel der Fußball-Nationalmannschaft. „Es geht um die Lieferkette der menschlichen Leistungsfähigkeit.



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