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Erst Freund, dann Feind

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Lajos Simicska ist in die Berge geflogen zum Skifahren; Fotos zeigen ihn am Wochenende mit seiner Familie am Budapester Flughafen. Business as usual will er damit demonstrieren, zeigen, dass sein Wutanfall vorbei ist und seine Geschäfte geregelt weiterlaufen. Hinterlassen hat er eine Hauptstadt im Schock, die sich die Augen reibt und fragt: Sind die Drohungen gegen Viktor Orbán und seine Regierung, die Simicskas Kurztrip vorausgingen, der Anfang vom Ende des Premierministers? Oder war das, was am vergangenen Freitag wie ein Wirbelsturm über Ungarns Hauptstadt hinwegfegte, nur ein lauter Streit zwischen Kumpels, die sich über Geld in die Haare gekriegt haben?

Am Wochenende kochte die Gerüchteküche und ganz Budapest fragte sich, was die neue Woche wohl bringen wird im Kampf um das, was die einen einen Kampf zwischen korrupten Oligarchen, die anderen einen Kampf um die Meinungsfreiheit nennen. Aber von vorn: In Ungarn ist ein Medienkrieg ausgebrochen, und wenn man dem Medientycoon Lajos Simicska glaubt, dann ist es ein „totaler Krieg“. Simicska war lange einer der wichtigsten Financiers der Regierungspartei Fidesz, er teilte mit Orbán im Studium ein Zimmer, gründete mit ihm die „Jungliberalen“, die Fidesz-Partei. Vom Machtzuwachs seines Freundes hat auch sein Konzern Közgép in den vergangenen Jahren enorm profitiert. Etwa 40 Prozent aller Ausschreibungen für EU-Gelder soll der Oligarch mithilfe seiner Leute im Machtapparat gewonnen haben.



Ungarns Premierminister Viktor Orban (r) und Medientycoon Lajos Simicska (Bild von 1999) sind im Streit. Simicska kündigte an, Orbans "Diktatur vernichten" zu wollen.


Nun folgt der Stimmungswechsel, der sich in kleineren Scharmützeln schon angekündigt hatte: Simicska hat verkündet, Orbán vernichten und eine „Diktatur“ beenden zu wollen. Er bezeichnet den Premier öffentlich als „Wichser“ und „Sperma“, er spricht davon, dass er fürchte, wegen seiner Kampfansage bei einem Attentat, etwa einem fingierten Autounfall, zu sterben.

Die Informationsbranche in Ungarn, die sich traditionell in links und rechts, mittlerweile aber vor allem in Orbán-Freunde und Orbán-Feinde teilt, ist seither in Aufruhr. Ein Journalist der Zeitung Nepszabadsag sagt, das Ganze sei eine „Mischung aus Trashporno und Seifenoper auf ungarische Art“. Peinlich geworden sei die Sache, weil Orbán seinem Freund Simicska „einmal zu viel auf die Füße getreten ist“.

Denn: Die Regierung hatte eine Steuer für Medienunternehmen beschlossen, die nach Umsatz gestaffelt sein sollte. Der zu Bertelsmann gehörende RTL-Klub hätte demnach 50Prozent Steuern auf sein Werbeaufkommen zahlen müssen. Kurz vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel vergangene Woche wurde nachverhandelt, nun soll die Steuer gesenkt und einheitlich bei fünf Prozent festgelegt werden. Gut für RTL-Klub, schlecht für Simicska. Dessen Zeitungen und Radiostationen müssten nun insgesamt mehr zahlen.Am Freitag sagte Simicska dem linken Blatt Nepszava, dieser Vorschlag sei ein „weiterer Anschlag auf die Demokratie“. Gegenüber einer Online-Zeitung fügte er hinzu, es gehe ihm nicht um Geld, sondern um die Machtfülle Orbáns, der mit einem Fingerschnipsen alles entscheiden könne.

Simicska flippte aus, als er kurz darauf hörte, dass die Führungsriege seiner wichtigsten Medien zurückgetreten war, darunter die Chefredakteure der Zeitung Magyar Nemzet, des Senders Hir-TV und von Radio Lanchid. Ihr Argument: Gewissensgründe. Der gut informierte Blog Hungarianspectrum will wissen, sie hätten nicht „gegen Viktor Orbán arbeiten“ wollen. Simicska, von dem es kaum Fotos gibt und bislang selten mit Journalisten sprach, gab nun Dutzende Interviews, brüllte in jedes Telefon Beleidigungen gegen den Premier, gegen dessen Russland-Politik, gegen seine Machtfülle. Er übernahm kurzerhand selbst die Chefredaktion bei Hir-TV, setzte Vertraute ein und drohte, die Berichterstattung nun kritischer und politischer zu machen. Regierungskritischer also.

Der Kulturwissenschaftler Péter György, der an der Universität Elte lehrt, sagt, in diesem Streit gehe es um Enttäuschung und um Geld. Simicska habe Orbán jahrelang unterstützt, aber der Bruch habe sich schon vor Monaten angekündigt. Auch andere Medien in Ungarn hatten berichtet, dass dem Premier der Oligarch zu einflussreich geworden sei und dass Beamte in letzter Zeit seinen Konzern bei Ausschreibungen demonstrativ ignoriert hätten. Umgekehrt hatte der Unternehmer zeitweilig überlegt, bei Nachwahlen selbst um einen Parlamentssitz gegen Fidesz anzutreten, um die Zweidrittelmehrheit zu kippen, die nur an einem Mandat hängt. Sollte sich der Kampf ausweiten, so György, dann könne das ein Fanal für die Regierung sein. „Simicska war ein Mitglied des Clubs, der Familie. Wenn er so über Orbán redet, dann will er einen richtigen Skandal.“

Für Orbán könnte die Sache aus einem anderen Grund problematisch werden: RTL-Klub hatte im Streit um die Werbesteuer seine kritische Berichterstattung intensiviert; das hatte Orbán Stimmen gekostet. Nun, da die Bertelsmann-Tochter befriedet werden soll, dürfte der Gegenwind aus Simicskas Medien zunehmen – wenn der den Krieg finanziell überlebt. Denn bisher hatten Simicskas Medien hervorragend an staatlich finanzierten Inseraten und Werbekampagnen verdient. Orbán hat aber schon angekündigt, jetzt nur noch den Staatsfunk mit Anzeigen zu bedenken.


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