Gute Ideen, wie man Korruption und Steuerhinterziehung in Griechenland erschweren könnte, gab es ja schon lange. Aber sie verschwanden immer wieder in den Schubladen. Nun verspricht die Regierung von Alexis Tsipras in ihrer Reformliste, vieles besser zu machen als ihre Vorgänger. Gleich an der Spitze steht die Steuerpolitik. Sechs Punkte werden hier aufgeführt, „Reform der Mehrwertsteuer“ lautet der erste. Damit weniger schwarz kassiert wird, beispielsweise in Restaurants, sollen künftig mehr digitale Abrechnungssysteme eingesetzt werden. Man wolle „vollen Nutzen aus technischen Innovationen“ ziehen, heißt es in dem Sieben-Seiten-Papier. Griechische Steuerfahnder dürften sich freuen, sie hatten schon früher verlangt, Kassen in Bars und Boutiquen mit einer Datenbank zu verbinden, die alle Transaktionen für die Finanzämter transparent machen würde.
Premier Alexis Tsipras hat die griechische Bevölkerung auf seiner Seite: eine Straßenszene im Stadtteil Plaka in Athen.
Neu ist ein Vermögensverzeichnis, für das jeder Bürger seinen Besitz angeben muss – für die Steuerbehörden. Vor allem Selbständige wie Ärzte und Anwälte haben sich bisher gern künstlich arm gerechnet. Um Steuerbetrug im großen Stil geht es beim Ölschmuggel. Das Finanzministerium will nun auch alle kleinen Tanker mit GPS-Systemen ausrüsten und Raffinerien technisch schärfer überwachen, wie Vizefinanzminister Dimitris Mardas ergänzend zu der Liste für die Euro-Gruppe der Zeitung Kathimerini erläuterte. Beteiligt am Schmuggel mit billigem Schiffsdiesel, der in großen Mengen in den allgemeinen Treibstoffmarkt fließt, seien vor allem die Schifffahrtsindustrie und die Streitkräfte, berichtet ebenfalls Kathimerini.
Gestärkt werden soll die Unabhängigkeit des Generalsekretärs für staatliche Einnahmen. Diese Position war bereits 2013 auf Drängen der Kreditgeber Athens geschaffen worden. 2014 hatte der damalige Regierungschef Antonis Samaras aber den obersten Steuerinspekteur Haris Theoharis wieder entlassen. Theoharis berichtete danach von politischem Druck, nachdem er prominente Steuervermeider hatte belangen wollen. Nun verspricht Tsipras, Wohlhabende und Großschuldner unter die Lupe zu nehmen, mit tatkräftiger Unterstützung der Finanzpolizei.
Genauer will die Regierung auch bei staatlichen Aufträgen und Ausschreibungen hinschauen. Ein altes griechisches Übel sind die zum Teil grotesk überhöhten Ausgaben staatlicher Krankenhäuser. Künstliche Hüften oder Dialyse-Filter kosten hier häufig ein Vielfaches dessen, was in anderen europäischen Ländern verlangt wird. Die Hersteller medizinischer Produkte haben in der Vergangenheit besonders von laxen Kontrollen und Korruption profitiert. Nun sollen die Ausgaben jedes Ministeriums geprüft und gekürzt werden.
Um einen Kollaps der Sozialversicherungssysteme zu verhindern, soll es statt Frührenten für 50- bis 65-Jährige künftig ein garantiertes Basiseinkommen geben, eine Art Hartz IV. Damit hat Syriza auch einen Vorschlag der kleinen liberalen Oppositionspartei To Potami übernommen. Auf weiten Strecken trägt der Katalog sonst die Handschrift des Internationalen Währungsfonds und der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die immer wieder die Öffnung geschlossener Berufe und die Auflösung von Kartellen gefordert haben.
Auch das Kapitel „Verwaltungsreform“ stellt Syriza unter das Motto „Bekämpfung der Korruption“ und verspricht einen „Nationalen Aktionsplan“. Die Zahl der Ministerien hat die neue Regierung schon von 16 auf zehn reduziert. Allerdings blieben Teile der alten Ressorts auch unter den neuen Dächern erhalten. Dafür wurden schon die Berater-Armeen der Minister abgeschafft. Gespart werden soll künftig auch bei Dienstreisen, Autos, den Vergütungen für Abgeordnete. Die Zuwendungen an politische Parteien sollen stärker begrenzt werden. Private Medien sollen künftig für Lizenzen bezahlen müssen. Ein entsprechendes Gesetz wurde bislang nie umgesetzt. Damit könnten einige hoch verschuldete Sender vor dem Aus stehen.
Im öffentlichen Dienst soll Leistung bei der Bezahlung eine größere Rolle spielen, eine Forderung, die linken Ideen eigentlich widerspricht. Auch bei der Einstellung soll nicht mehr das Parteibuch zählen, sondern ein System klarer Kriterien.
Steuerschuldnern soll es erleichtert werden, ihre Außenstände in Raten zu begleichen. Davon erhofft sich die Regierung rasch mehr Geld für die leeren Staatskassen. Das Papier nennt hierzu keine Einzelheiten, betont aber, Kleinschuldner sollten „entkriminalisiert werden“. Auch wie die Banken die vielen faulen Kredite los werden sollen, die sich bei ihnen angehäuft haben, erläutert die Liste nicht im einzelnen. Hier werden in Athen bereits verschiedene Modelle diskutiert, samt der Einrichtung von Bad Banks, zur Bündelung der „roten Kredite“.
Von der alten Syriza-Forderung nach einer „Verstaatlichung“ der Banken ist nicht mehr die Rede. Dagegen betont die Regierung ihre Absicht, in allen Fragen eng mit der Europäischen Zentralbank und den EU-Institutionen zusammenzuarbeiten. Auch das Insolvenzrecht soll modernisiert und die Arbeit der Gerichte beschleunigt werden. Letzteres ist von großer Bedeutung. Prozesse können in Griechenland oft ein Jahrzehnt und länger dauern. Auch dies behindert Investitionen.
Schon abgeschlossene Privatisierungsverfahren werden nicht infrage gestellt. Bei laufenden Ausschreibungen will man sich an Recht und Gesetz halten. Selbst neue Privatisierungen werden nicht mehr grundsätzlich abgelehnt. Vielmehr soll nun auf „Wettbewerb“ und „langfristige Vorteile“ für den Staat geachtet werden. Das ist eine deutliche Abkehr von dem grundsätzlichen Nein der Linkspartei zur Privatisierung von Staatsvermögen.
Eine Wende vollzieht die Regierung auch im Verhältnis zur griechischen Statistikbehörde Elstat. Deren Unabhängigkeit wird nun betont. Zuvor waren immer wieder Zweifel an der Arbeit von Elstat geäußert worden. Der Leiter der Behörde, Andreas Georgiou, musste sich deshalb gar vor der Justiz verantworten. Der Vorwurf: Er soll das Staatsdefizit zu hoch angesetzt haben. Die Europäische Statistikbehörde Eurostat hatte solche Vorwürfe mehrmals als absurd zurückgewiesen.
Auch die humanitäre Krise in Griechenland wird in der Liste erwähnt, als letztes Kapitel, mit Hilfen für die Ärmsten. Gesichert werden sollen die Grundbedürfnisse, mit Essensmarken und einem Ausweis, der freien Zugang zur staatlichen Gesundheitsversorgung erlaubt. In Griechenland erhalten derzeit Arbeitslose schon nach einem Jahr keine finanzielle Hilfe vom Staat mehr. Viele Familien sind daher ohne jedes Einkommen. In dem Papier heißt es auch, der Kampf gegen die humanitäre Krise dürfe „keine negativen fiskalischen Auswirkungen“ haben. Näher erläutert wird dies nicht.
Das an Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem adressierte Schreiben sagt auch nicht, was der Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung bringen wird, schon weil dies schwer zu beziffern ist. Es ist aber bekannt, dass die Regierung auf Mehreinnahmen von 5,5 Milliarden Euro in diesem Jahr hofft.
Das griechische Parlament muss nicht über die Liste abstimmen. Es wird sich erst später mit den einzelnen Gesetzen befassen, die geändert werden müssen, um die Vorschläge in die Praxis umzusetzen. Zwar hat der Linksaußen-Flügel von Syriza schon Kritik geübt, dass viele Wahlversprechen erst einmal vertagt sind. So soll beispielsweise der Mindestlohn nicht sofort, sondern nur schrittweise erhöht werden. Doch mit einer „Rebellion“ sei bei Syriza nicht zu rechnen, meint der Wirtschaftsblog Macropolis. Keine Fraktion in der Partei sei derzeit gewillt, die Autorität von Tsipras zu untergraben. Dafür ist das Gefühl der Macht wohl noch zu frisch.
Premier Alexis Tsipras hat die griechische Bevölkerung auf seiner Seite: eine Straßenszene im Stadtteil Plaka in Athen.
Neu ist ein Vermögensverzeichnis, für das jeder Bürger seinen Besitz angeben muss – für die Steuerbehörden. Vor allem Selbständige wie Ärzte und Anwälte haben sich bisher gern künstlich arm gerechnet. Um Steuerbetrug im großen Stil geht es beim Ölschmuggel. Das Finanzministerium will nun auch alle kleinen Tanker mit GPS-Systemen ausrüsten und Raffinerien technisch schärfer überwachen, wie Vizefinanzminister Dimitris Mardas ergänzend zu der Liste für die Euro-Gruppe der Zeitung Kathimerini erläuterte. Beteiligt am Schmuggel mit billigem Schiffsdiesel, der in großen Mengen in den allgemeinen Treibstoffmarkt fließt, seien vor allem die Schifffahrtsindustrie und die Streitkräfte, berichtet ebenfalls Kathimerini.
Gestärkt werden soll die Unabhängigkeit des Generalsekretärs für staatliche Einnahmen. Diese Position war bereits 2013 auf Drängen der Kreditgeber Athens geschaffen worden. 2014 hatte der damalige Regierungschef Antonis Samaras aber den obersten Steuerinspekteur Haris Theoharis wieder entlassen. Theoharis berichtete danach von politischem Druck, nachdem er prominente Steuervermeider hatte belangen wollen. Nun verspricht Tsipras, Wohlhabende und Großschuldner unter die Lupe zu nehmen, mit tatkräftiger Unterstützung der Finanzpolizei.
Genauer will die Regierung auch bei staatlichen Aufträgen und Ausschreibungen hinschauen. Ein altes griechisches Übel sind die zum Teil grotesk überhöhten Ausgaben staatlicher Krankenhäuser. Künstliche Hüften oder Dialyse-Filter kosten hier häufig ein Vielfaches dessen, was in anderen europäischen Ländern verlangt wird. Die Hersteller medizinischer Produkte haben in der Vergangenheit besonders von laxen Kontrollen und Korruption profitiert. Nun sollen die Ausgaben jedes Ministeriums geprüft und gekürzt werden.
Um einen Kollaps der Sozialversicherungssysteme zu verhindern, soll es statt Frührenten für 50- bis 65-Jährige künftig ein garantiertes Basiseinkommen geben, eine Art Hartz IV. Damit hat Syriza auch einen Vorschlag der kleinen liberalen Oppositionspartei To Potami übernommen. Auf weiten Strecken trägt der Katalog sonst die Handschrift des Internationalen Währungsfonds und der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die immer wieder die Öffnung geschlossener Berufe und die Auflösung von Kartellen gefordert haben.
Auch das Kapitel „Verwaltungsreform“ stellt Syriza unter das Motto „Bekämpfung der Korruption“ und verspricht einen „Nationalen Aktionsplan“. Die Zahl der Ministerien hat die neue Regierung schon von 16 auf zehn reduziert. Allerdings blieben Teile der alten Ressorts auch unter den neuen Dächern erhalten. Dafür wurden schon die Berater-Armeen der Minister abgeschafft. Gespart werden soll künftig auch bei Dienstreisen, Autos, den Vergütungen für Abgeordnete. Die Zuwendungen an politische Parteien sollen stärker begrenzt werden. Private Medien sollen künftig für Lizenzen bezahlen müssen. Ein entsprechendes Gesetz wurde bislang nie umgesetzt. Damit könnten einige hoch verschuldete Sender vor dem Aus stehen.
Im öffentlichen Dienst soll Leistung bei der Bezahlung eine größere Rolle spielen, eine Forderung, die linken Ideen eigentlich widerspricht. Auch bei der Einstellung soll nicht mehr das Parteibuch zählen, sondern ein System klarer Kriterien.
Steuerschuldnern soll es erleichtert werden, ihre Außenstände in Raten zu begleichen. Davon erhofft sich die Regierung rasch mehr Geld für die leeren Staatskassen. Das Papier nennt hierzu keine Einzelheiten, betont aber, Kleinschuldner sollten „entkriminalisiert werden“. Auch wie die Banken die vielen faulen Kredite los werden sollen, die sich bei ihnen angehäuft haben, erläutert die Liste nicht im einzelnen. Hier werden in Athen bereits verschiedene Modelle diskutiert, samt der Einrichtung von Bad Banks, zur Bündelung der „roten Kredite“.
Von der alten Syriza-Forderung nach einer „Verstaatlichung“ der Banken ist nicht mehr die Rede. Dagegen betont die Regierung ihre Absicht, in allen Fragen eng mit der Europäischen Zentralbank und den EU-Institutionen zusammenzuarbeiten. Auch das Insolvenzrecht soll modernisiert und die Arbeit der Gerichte beschleunigt werden. Letzteres ist von großer Bedeutung. Prozesse können in Griechenland oft ein Jahrzehnt und länger dauern. Auch dies behindert Investitionen.
Schon abgeschlossene Privatisierungsverfahren werden nicht infrage gestellt. Bei laufenden Ausschreibungen will man sich an Recht und Gesetz halten. Selbst neue Privatisierungen werden nicht mehr grundsätzlich abgelehnt. Vielmehr soll nun auf „Wettbewerb“ und „langfristige Vorteile“ für den Staat geachtet werden. Das ist eine deutliche Abkehr von dem grundsätzlichen Nein der Linkspartei zur Privatisierung von Staatsvermögen.
Eine Wende vollzieht die Regierung auch im Verhältnis zur griechischen Statistikbehörde Elstat. Deren Unabhängigkeit wird nun betont. Zuvor waren immer wieder Zweifel an der Arbeit von Elstat geäußert worden. Der Leiter der Behörde, Andreas Georgiou, musste sich deshalb gar vor der Justiz verantworten. Der Vorwurf: Er soll das Staatsdefizit zu hoch angesetzt haben. Die Europäische Statistikbehörde Eurostat hatte solche Vorwürfe mehrmals als absurd zurückgewiesen.
Auch die humanitäre Krise in Griechenland wird in der Liste erwähnt, als letztes Kapitel, mit Hilfen für die Ärmsten. Gesichert werden sollen die Grundbedürfnisse, mit Essensmarken und einem Ausweis, der freien Zugang zur staatlichen Gesundheitsversorgung erlaubt. In Griechenland erhalten derzeit Arbeitslose schon nach einem Jahr keine finanzielle Hilfe vom Staat mehr. Viele Familien sind daher ohne jedes Einkommen. In dem Papier heißt es auch, der Kampf gegen die humanitäre Krise dürfe „keine negativen fiskalischen Auswirkungen“ haben. Näher erläutert wird dies nicht.
Das an Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem adressierte Schreiben sagt auch nicht, was der Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung bringen wird, schon weil dies schwer zu beziffern ist. Es ist aber bekannt, dass die Regierung auf Mehreinnahmen von 5,5 Milliarden Euro in diesem Jahr hofft.
Das griechische Parlament muss nicht über die Liste abstimmen. Es wird sich erst später mit den einzelnen Gesetzen befassen, die geändert werden müssen, um die Vorschläge in die Praxis umzusetzen. Zwar hat der Linksaußen-Flügel von Syriza schon Kritik geübt, dass viele Wahlversprechen erst einmal vertagt sind. So soll beispielsweise der Mindestlohn nicht sofort, sondern nur schrittweise erhöht werden. Doch mit einer „Rebellion“ sei bei Syriza nicht zu rechnen, meint der Wirtschaftsblog Macropolis. Keine Fraktion in der Partei sei derzeit gewillt, die Autorität von Tsipras zu untergraben. Dafür ist das Gefühl der Macht wohl noch zu frisch.