Seine Rede über Bürgerrechte beginnt Barack Obama mit einem Helden: Er schildert, wie sich der schwarze Aktivist John Lewis für den Protestmarsch am 7. März 1965 rüstet. Lewis will mit Hunderten Mitstreitern nach Montgomery ziehen im Südstaat Alabama, um friedlich gleiche Rechte für Schwarze einzufordern, vor allem das Recht, wählen zu dürfen. Lewis packt einen Apfel ein, eine Zahnbürste, ein Buch – was man eben mitnimmt für eine Nacht im Gefängnis. Später, auf der Edmund-Pettus-Brücke in Selma, benannt nach einem Anhänger des Ku Klux Klan, schlagen Polizisten so erbarmungslos auf die Demonstranten ein, dass der Tag fortan „Bloody Sunday“ heißt, blutiger Sonntag. Lewis trägt einen Schädelbruch davon.
Am Samstag hat der US-Präsident in Selma vor der Brücke an diesen Tag erinnert, und er würdigte den Mut von Menschen wie Lewis. „Die Demonstranten waren nicht übermäßig groß und stark, aber sie haben Millionen Menschen Mut gemacht“, sagte Obama. „Sie bekleideten keine Ämter, aber sie haben das Land geführt.“ Als schwarze Amerikaner hätten sie Hunderte Jahre brutaler Gewalt ertragen und doch keine Sonderrechte gefordert, nur gleiche Rechte. Die Mächtigen damals hätten sie geschmäht und ihren Patriotismus infrage gestellt. Und doch sei in Selma etwas geschehen, das nicht amerikanischer sein könne: Bescheidene, unbekannte Menschen hätten sich vereint, um die Richtung zu ändern, in die sich ihr Land bewegte.
Die schwarze Bürgerrechtsbewegung hatte in Selma einen ihrer Höhepunkte
Obama definierte bei dieser Gelegenheit, was er für die wahre Vaterlandsliebe hält: „Welcher Patriotismus könnte größer sein als der Glaube, dass Amerika noch nicht vollendet ist, dass wir stark genug sind, um selbstkritisch zu sein, dass jede Generation aufs Neue unsere Mängel erkennt und beschließen kann, dieses Land entsprechend unserer Ideale zu erneuern?“ Einerseits wollte sich der Präsident damit selbst rechtfertigen: Gegner auf der politischen Rechten stellen oft seine Vaterlandsliebe infrage, weil er gesellschaftliche Missstände anprangert oder Amerikas Macht im Ausland endlich nennt. Andererseits nutzte Obama die Rede für eine Bestandsaufnahme über Bürgerrechte im heutigen Amerika, nicht nur im Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen, sondern allgemein zwischen der Mehrheit und Minderheiten wie Schwulen, Behinderten, Latinos und Asiaten.
Der „Bloody Sunday“ hat eine Wende eingeleitet: Landesweite Empörung über die Gewalt in Selma half Präsident Lyndon B. Johnson, ein neues Gesetz für ein allgemeines Wahlrecht im Kongress durchzusetzen. Aber die Kluft zwischen Schwarz und Weiß ist noch immer sichtbar, wenn auch viel schmaler als einst. Daran haben vor allem die Zustände in Ferguson erinnert, einem Vorort von St. Louis in Missouri, wo ein weißer Polizist im August 2014 einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschoss. Obamas positive Botschaft lautete, dass Ereignisse wie die in Ferguson „nicht mehr vorherrschend sind“, und anders als 1965 sei weiße Willkür gegenüber Schwarzen nicht mehr von Gesetz oder Gewohnheitsrecht erlaubt. Gleichwohl habe Amerika den Rassismus nicht besiegt. „Wir müssen nur unsere Augen und Ohren und Herzen öffnen, um zu wissen, dass die Geschichte noch immer einen langen Schatten auf uns wirft. Wir wissen, dass der Marsch nicht vorüber ist“, sagte Obama vor Zehntausenden, überwiegend schwarzen Bürgerinnen und Bürgern.
Gerade in der vergangenen Woche hat ein Bericht aus dem US-Justizministerium eine vernichtende Bilanz darüber gezogen, wie die Polizei in Ferguson schwarze Bürger ohne jeden Anfangsverdacht schikanierte, anpöbelte, ausbeutete. Die Stadtverwaltung sanierte ihre Finanzen, indem sie systematisch Bußgeld eintrieb. Als die Menschen nach dem Tod des erschossenen Michael Brown protestierten, trat ihnen die Polizei in kriegerischer Pose entgegen. In Ferguson sei jener „Missbrauch und jene Geringschätzung“ zum Ausdruck gekommen, die einst die Bürgerrechtsbewegung ausgelöst hätten, sagte Obama.
Auch beim Wahlrecht liegt weiter vieles im Argen. Noch immer häufen sich besonders im Süden des Landes Berichte, wonach die Behörden gezielt versuchen, Schwarze und Arme vom Wählen abzuhalten. Gleichwohl hat das Oberste Gericht, der Supreme Court, im Jahr 2013 die Wahlrechtsreform von 1965 weitgehend entkernt: Südstaaten wie Alabama hätten ihre rassistische Vergangenheit hinter sich gelassen, hieß es, sie müssten ihre Wahlgesetze heute nicht mehr von Washington kontrollieren lassen. Obama appellierte an die in Selma anwesenden Kongressmitglieder, ein neues Gesetz zu verabschieden zum Schutz von Minderheiten an Amerikas Wahlurnen. Und er beklagte die inzwischen massive Enthaltung bei Abstimmungen im ganzen Land. „Wie können wir beiläufig ein Recht wegwerfen“, fragte er, „für das so viele gekämpft haben?“
Am Samstag hat der US-Präsident in Selma vor der Brücke an diesen Tag erinnert, und er würdigte den Mut von Menschen wie Lewis. „Die Demonstranten waren nicht übermäßig groß und stark, aber sie haben Millionen Menschen Mut gemacht“, sagte Obama. „Sie bekleideten keine Ämter, aber sie haben das Land geführt.“ Als schwarze Amerikaner hätten sie Hunderte Jahre brutaler Gewalt ertragen und doch keine Sonderrechte gefordert, nur gleiche Rechte. Die Mächtigen damals hätten sie geschmäht und ihren Patriotismus infrage gestellt. Und doch sei in Selma etwas geschehen, das nicht amerikanischer sein könne: Bescheidene, unbekannte Menschen hätten sich vereint, um die Richtung zu ändern, in die sich ihr Land bewegte.
Die schwarze Bürgerrechtsbewegung hatte in Selma einen ihrer Höhepunkte
Obama definierte bei dieser Gelegenheit, was er für die wahre Vaterlandsliebe hält: „Welcher Patriotismus könnte größer sein als der Glaube, dass Amerika noch nicht vollendet ist, dass wir stark genug sind, um selbstkritisch zu sein, dass jede Generation aufs Neue unsere Mängel erkennt und beschließen kann, dieses Land entsprechend unserer Ideale zu erneuern?“ Einerseits wollte sich der Präsident damit selbst rechtfertigen: Gegner auf der politischen Rechten stellen oft seine Vaterlandsliebe infrage, weil er gesellschaftliche Missstände anprangert oder Amerikas Macht im Ausland endlich nennt. Andererseits nutzte Obama die Rede für eine Bestandsaufnahme über Bürgerrechte im heutigen Amerika, nicht nur im Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen, sondern allgemein zwischen der Mehrheit und Minderheiten wie Schwulen, Behinderten, Latinos und Asiaten.
Der „Bloody Sunday“ hat eine Wende eingeleitet: Landesweite Empörung über die Gewalt in Selma half Präsident Lyndon B. Johnson, ein neues Gesetz für ein allgemeines Wahlrecht im Kongress durchzusetzen. Aber die Kluft zwischen Schwarz und Weiß ist noch immer sichtbar, wenn auch viel schmaler als einst. Daran haben vor allem die Zustände in Ferguson erinnert, einem Vorort von St. Louis in Missouri, wo ein weißer Polizist im August 2014 einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschoss. Obamas positive Botschaft lautete, dass Ereignisse wie die in Ferguson „nicht mehr vorherrschend sind“, und anders als 1965 sei weiße Willkür gegenüber Schwarzen nicht mehr von Gesetz oder Gewohnheitsrecht erlaubt. Gleichwohl habe Amerika den Rassismus nicht besiegt. „Wir müssen nur unsere Augen und Ohren und Herzen öffnen, um zu wissen, dass die Geschichte noch immer einen langen Schatten auf uns wirft. Wir wissen, dass der Marsch nicht vorüber ist“, sagte Obama vor Zehntausenden, überwiegend schwarzen Bürgerinnen und Bürgern.
Gerade in der vergangenen Woche hat ein Bericht aus dem US-Justizministerium eine vernichtende Bilanz darüber gezogen, wie die Polizei in Ferguson schwarze Bürger ohne jeden Anfangsverdacht schikanierte, anpöbelte, ausbeutete. Die Stadtverwaltung sanierte ihre Finanzen, indem sie systematisch Bußgeld eintrieb. Als die Menschen nach dem Tod des erschossenen Michael Brown protestierten, trat ihnen die Polizei in kriegerischer Pose entgegen. In Ferguson sei jener „Missbrauch und jene Geringschätzung“ zum Ausdruck gekommen, die einst die Bürgerrechtsbewegung ausgelöst hätten, sagte Obama.
Auch beim Wahlrecht liegt weiter vieles im Argen. Noch immer häufen sich besonders im Süden des Landes Berichte, wonach die Behörden gezielt versuchen, Schwarze und Arme vom Wählen abzuhalten. Gleichwohl hat das Oberste Gericht, der Supreme Court, im Jahr 2013 die Wahlrechtsreform von 1965 weitgehend entkernt: Südstaaten wie Alabama hätten ihre rassistische Vergangenheit hinter sich gelassen, hieß es, sie müssten ihre Wahlgesetze heute nicht mehr von Washington kontrollieren lassen. Obama appellierte an die in Selma anwesenden Kongressmitglieder, ein neues Gesetz zu verabschieden zum Schutz von Minderheiten an Amerikas Wahlurnen. Und er beklagte die inzwischen massive Enthaltung bei Abstimmungen im ganzen Land. „Wie können wir beiläufig ein Recht wegwerfen“, fragte er, „für das so viele gekämpft haben?“