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200 Wasserhähne weniger

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Jetzt wollen alle dichthalten. Die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes schweigen eisern, wenn sie nach dem Leck auf der Baustelle ihrer neuen Berliner Zentrale gefragt werden. Nur so viel wird verraten: Diebe haben mehrere Wasserhähne aus den oberen Stockwerken gestohlen und so in dem Hochsicherheitsbereich einen großen Wasserschaden angerichtet. Dienstagmittag hatte ein Anrufer die Polizei verständigt. Der Rest ist Schweigen.



Die neue BND-Zentrale gefällt mit ihrer stattlichen Fassade und zwei künstlichen Palmen, die an getarnte Funkmasten erinnern sollen.

Der Fall wirf viele Fragen auf. Dass der Auslandsgeheimdienst BND die Antworten geheim hält, heizt Spekulationen an Stammtischen und in sozialen Netzwerken an. Das Internet wird von einem Schwall an Wasserwitzen geflutet: Der BND sei nun mit allen Wassern gewaschen. Habe den Quellenschutz vernachlässigt. Habe Wasser auf die Mühlen der Kritiker geliefert. Fast so absehbar wie die Netzfrotzeleien war die Reaktion von Hans-Christian Ströbele. Der grüne Bundestagsabgeordnete forderte am Donnerstag eine umfassende Untersuchung. Die neue BND-Zentrale sei schließlich „nicht irgendein Gebäude“. Aber auch der Rest des Landes wüsste gerne, wie die Diebe in die wohl bestbewachte Baustelle der Hauptstadt eindringen konnten. Ob der Wasserschaden ein Sabotageakt war. Und wer dahintersteckt.

Ein Anruf bei der Berliner Polizei. „Wir schließen nicht aus, dass es ein Anschlag war“, sagt ein Sprecher am Donnerstag. In der Vergangenheit wurden aus Protest gegen die Gentrifizierung von Berliner Kiezen immer wieder Rohbauten geflutet. Der Staatsschutz beobachte, ob Linksextremisten im Internet ein Bekennerschreiben veröffentlichen. Momentan werde nicht nur wegen Diebstahls, sondern auch wegen Zerstörung von Bauwerken ermittelt.

In Berliner Medien ist von einem Wasserschaden in Millionenhöhe die Rede. Und von etwa 200 gestohlenen Wasserhähnen. Gleichzeitig will die dpa von fünf abgeschraubten Armaturen erfahren haben. Zu alldem sagt die Polizei nichts. Aber dazu, dass die Hähne nicht wertvoller gewesen seien als gewöhnliche Baumarktmodelle. Die Täter hätten keine Einbruchsspuren hinterlassen, weshalb man sich auch auf jene Personen konzentriere, die auf der Großbaustelle arbeiten.

Laut einer Sprecherin des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung, an die der BND alle Anfragen zum Thema überstellt, sind dort Tausende Menschen beschäftigt, von denen jeder Sicherheitschecks durchlaufen habe. Die Baustelle in Berlin Mitte wird rund um die Uhr von einem privaten Sicherheitsdienst und Kameras bewacht. Wer vor dem Gebäude steht, steht erst einmal vor einem Schutzwall. Durch Schleusen können nur angemeldete Besucher auf das Gelände. Oder, wie es die Sprecherin formuliert: „Da kommt man als normaler Mensch gar nicht rein.“

Nachdem das offensichtlich doch jemandem gelungen war, lief laut Polizei seit Dienstagmorgen eine „größere Menge Wasser“ über mehrere Zwischendecken bis in die unteren Stockwerke. Dabei, heißt es in Medienberichten, seien die Lüftung und elektrische Anlagen beschädigt worden. Ob das Wasser beim Abschrauben der Armaturen losgesprudelt war oder ob die Diebe es absichtlich aufgedreht hatten, ist unklar. Der BND hält dicht. Der Schaden wurde jedenfalls erst mittags bemerkt.

Dabei müsste auf der Baustelle Hochbetrieb herrschen. Denn eigentlich sollte die neue Zentrale seit vier Jahren fertig sein. Im nächsten Jahr sollen nun endlich 4000 Beschäftigte einziehen. Derzeit ist der BND-Hauptsitz noch im oberbayerischen Pullach. Die Baukosten sind ohnehin schon von 720 Millionen auf etwa eine Milliarde Euro gestiegen. Von Anfang an galt das Gebäude, das sein Architekt Jan Kleihues liebevoll „das Arschgeweih“ nennt, weil es aus der Luft betrachtet an ein solches erinnert, als teuerstes Gebäude, das die Bundesrepublik je gebaut hat. 14000 Fenster, 20000 Tonnen Stahl, 135000 Kubikmeter Beton. Von Anfang an war es jedoch auch für eine Rekordserie an Pannen berühmt.

Höhepunkt war das Jahr 2011, in dem Unbekannte geheime Baupläne stahlen und ein Abteilungsleiter über seinen Dienstcomputer Pornos bestellt haben soll. 2010, als längst gebaut wurde, plötzlich neue Sicherheitsbedenken: Tausende ausländische Bauarbeiter müssten sorgfältiger kontrolliert werden. Mehrkosten: 25 Millionen Euro. 2012 wurden 4000 Meter Lüftungsrohre falsch eingebaut und wieder herausgerissen. 100 Millionen Euro und anderthalb Jahre Bauzeit mehr.

Ob der Wasserschaden die Bauzeit ein weiteres Mal verlängern wird, ist noch nicht bekannt. Fest steht: Der BND hat gerade mit mindestens zwei Lecks zu kämpfen. Vergangene Woche offenbarte ein Schreiben, dass der Geheimdienst dem NSA-Ausschuss mehr als hundert Dokumente vorenthalten habe. Aber das ist eine ganz andere Baustelle.

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