In dicken roten Buchstaben ist der Name am Eingang montiert: „Mine namens A.F.Sasjadko“, schlichtes Sowjetdesign. Mindestens 33Bergarbeiter sind bei der Gasexplosion in der Kohlegrube im Osten der Ukraine gestorben, es ist vor allem ein menschliches Drama. Aber es ist zudem auch ein weiterer Rückschlag für die Industrie. Nur für wessen Industrie?
A.F.Sasjadko war einmal Minister für Bergbauwesen in der Ukraine, aber die Ukraine hat auf die Sasjadko-Mine derzeit keinen Zugriff. Sie liegt wie viele andere Gruben im Gebiet der prorussischen Separatisten. Ihre Kohle muss die Kiewer Regierung daher woanders besorgen. Der Donbass ist bisher stets das industrielle Zentrum der Ukraine gewesen, doch der Donbass ist jetzt umkämpftes Gebiet, kontrolliert von den Rebellen, vermutlich für lange Zeit. Für die ukrainische Wirtschaft und die Führung in Kiew ist all dies ein Desaster. Denn so einfach lassen sich die Schwerindustrie mitsamt der Infrastruktur nicht chirurgisch in andere Landesteile verpflanzen. Der Krieg nimmt dem Land die Luft zum Atmen.
Welche Wirtschaftszahlen man auch nimmt, es sind Botschaften des nahenden Untergangs. Die Landeswährung Hrywnja hat im vergangenen Jahr die Hälfte ihres Wertes verloren, die Ukraine steckt in tiefer Rezession, für 2015 wird die Wirtschaftsleistung um weitere sechs bis acht Prozent sinken, und die ausländischen Währungsreserven sind binnen eines Jahres um mehr als 60Prozent geschrumpft. Es steigen allein die Inflation und die Ängste der Menschen.
Die Kiewer Behörden mussten vor wenigen Tagen die Bevölkerung bereits auffordern, nicht aus lauter Panik gewaltige Mengen an Lebensmittel zu bunkern. Es gebe genug Zucker, Salz und Mehl. Um der Inflationsgefahr etwas entgegenzusetzen, hat die ukrainische Zentralbank den Leitzins radikal von 19,5auf 30 Prozent erhöht. Die Bevölkerung verarmt, und schon skizziert der Vize-Ministerpräsident im benachbarten Polen Szenarien, die offenbar daheim auch Ängste schüren sollen: dass nämlich Hunderttausende Ukrainer, vor allem aus dem Westen der Ukraine, vor der Armut nach Polen flüchten
könnten.
Die Krise in der Ukraine belastet die Wirtschaftslage schwer
Die Lage in der Ukraine ist extrem angespannt, aber in den nächsten Tagen könnte es auch so etwas wie einen Wendepunkt geben. Denn an diesem Mittwoch entscheidet der Internationale Währungsfonds (IWF), ob er der Ukraine einen Kredit in Höhe von 17,5 Milliarden Dollar gewährt. Wenn ja, könnten schon nach wenigen Tagen die ersten fünf Milliarden davon verfügbar sein. Weitere Milliarden stehen durch Umschuldungen in Aussicht, Hilfe könnte von Europäischer Union, Weltbank, den USA und anderen Staaten kommen. Für die Ukraine wäre dies ein Segen, für die Regierung von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk ist dies fast schon ein Pflichtpaket. Wie sonst sollte Kiew das angeschlagene Land finanzieren? Doch liefern muss auch die Ukraine selbst.
In den vergangenen Tagen hat sich in Kiew deshalb eilige Betriebsamkeit entwickelt, das Land will und muss seinen Reformwillen bezeugen. Noch immer gehört die Ukraine zu den korruptesten Ländern weltweit, bei Transparency International steht sie auf Platz 142 von 175 aufgeführten Staaten. Das Problem ist tief verwurzelt und muss dringend bekämpft werden, damit Geld nicht versickert und Betriebe geschützt werden. Präsident Petro Poroschenko hat vor wenigen Tagen mit seiner Unterschrift ein weiteres Anti-Korruptionsgesetz verabschiedet, das nach Angaben Kiews ein sehr strenges Prozedere für das Amt des obersten Korruptionsbekämpfers vorsieht. Aber es gibt noch weitere, auch soziale Einschnitte, die auf Druck des Westens vorangetrieben werden.
Die ukrainische Regierung hat bis 2016 die Renten all jener Ukrainer gekürzt, die nach ihrer Pensionierung weiterarbeiten. Und das müssen viele. Innenpolitisch ist die Rentenkürzung höchst umstritten. Sogar zwei Parteien, die zur Regierungskoalition gehören – die Vaterlandspartei und die Partei Selbsthilfe – haben sich vergeblich gegen das Gesetz gestemmt. Präsident Poroschenko und Premier Jazenjuk müssen nun in der Bevölkerung diese Kürzung moderieren und wollen dies durch gezielte Unterstützung der besonders Bedürftigen erreichen. Auch die Anhebung der Strompreise, die bisher vom Staat massiv subventioniert wurden, dürfte vielen Ukrainern zu schaffen machen.
„So oder so, der Ukraine steht auch mit dem Jahr 2016 ein weiteres schweres Jahr bevor“, sagt Anton Ussow, Berater der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Kiew, die in der Ukraine derzeit pro Jahr etwa eine Milliarde Euro in Infrastrukturprojekte investiert. „Es wird etwas getan, die Regierung probiert wirklich viel. Aber die Risiken sind derzeit noch sehr groß; ich sehe bisher nur wenige internationale Investoren, die ins Land kommen wollen“, sagt Ussow.
Ein großes Problem für Kiew ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung auch sehr davon abhängen dürfte, ob das Minsker Abkommen umgesetzt wird, die vereinbarte Waffenruhe hält und die Lage im Osten der Ukraine sich einigermaßen stabilisiert. Sollten die Kämpfe erneut heftig aufflammen und sich sogar auf weitere Gebiete ausdehnen, etwa auf die von den Separatisten begehrte Hafenstadt Mariupol, wird auch die wirtschaftliche Gesundung extrem erschwert. „In Mariupol werden Container entladen, es ist ein wichtiger Teil der ukrainischen Infrastruktur“, sagt Ussow. „Hält die Waffenruhe dauerhaft, gibt es Licht am Ende des Tunnels, aber das alles ist derzeit schwer vorherzusehen.“
Im April ist für die Ukraine eine internationale Investorenkonferenz geplant. Kiew erhofft sich dort zusätzliche Hilfe in Höhe von mehreren Milliarden Dollar. Der EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik, der Österreicher Johannes Hahn, erhofft sich wiederum, dass die Ukraine sich dann den Investoren als attraktives Land präsentiert. Reformen seien „unverzichtbar, um die Ukraine in einen modernen, friedlichen, demokratischen und reichen Staat zu verwandeln“, sagte er. Ohne einen massiven Abbau der Korruption, aber auch ohne spürbare Beruhigung des Konflikts wird es schwer sein, Investoren zu überzeugen. Gelingt ihr dagegen die Zäsur, hat das Land langfristig Chancen.
„Der Zeitdruck ist immens, denn Russland als wichtigstes ukrainisches Exportland ist weitgehend ausgefallen“, sagt Ussow von der Europäischen Bank für Wiederaufbau. Betroffen ist davon auch der Präsident selber, Petro Poroschenko. Dessen Süßwarenunternehmen Roshen wird von Russland boykottiert; nun strebt es verstärkt in Länder wie Litauen, Ungarn oder Israel. Eigentlich hatte Poroschenko zugesagt, mit Beginn seiner Amtszeit das Unternehmen zu verkaufen. Ein interessierter Käufer aber habe sich noch immer nicht gefunden.
A.F.Sasjadko war einmal Minister für Bergbauwesen in der Ukraine, aber die Ukraine hat auf die Sasjadko-Mine derzeit keinen Zugriff. Sie liegt wie viele andere Gruben im Gebiet der prorussischen Separatisten. Ihre Kohle muss die Kiewer Regierung daher woanders besorgen. Der Donbass ist bisher stets das industrielle Zentrum der Ukraine gewesen, doch der Donbass ist jetzt umkämpftes Gebiet, kontrolliert von den Rebellen, vermutlich für lange Zeit. Für die ukrainische Wirtschaft und die Führung in Kiew ist all dies ein Desaster. Denn so einfach lassen sich die Schwerindustrie mitsamt der Infrastruktur nicht chirurgisch in andere Landesteile verpflanzen. Der Krieg nimmt dem Land die Luft zum Atmen.
Welche Wirtschaftszahlen man auch nimmt, es sind Botschaften des nahenden Untergangs. Die Landeswährung Hrywnja hat im vergangenen Jahr die Hälfte ihres Wertes verloren, die Ukraine steckt in tiefer Rezession, für 2015 wird die Wirtschaftsleistung um weitere sechs bis acht Prozent sinken, und die ausländischen Währungsreserven sind binnen eines Jahres um mehr als 60Prozent geschrumpft. Es steigen allein die Inflation und die Ängste der Menschen.
Die Kiewer Behörden mussten vor wenigen Tagen die Bevölkerung bereits auffordern, nicht aus lauter Panik gewaltige Mengen an Lebensmittel zu bunkern. Es gebe genug Zucker, Salz und Mehl. Um der Inflationsgefahr etwas entgegenzusetzen, hat die ukrainische Zentralbank den Leitzins radikal von 19,5auf 30 Prozent erhöht. Die Bevölkerung verarmt, und schon skizziert der Vize-Ministerpräsident im benachbarten Polen Szenarien, die offenbar daheim auch Ängste schüren sollen: dass nämlich Hunderttausende Ukrainer, vor allem aus dem Westen der Ukraine, vor der Armut nach Polen flüchten
könnten.
Die Krise in der Ukraine belastet die Wirtschaftslage schwer
Die Lage in der Ukraine ist extrem angespannt, aber in den nächsten Tagen könnte es auch so etwas wie einen Wendepunkt geben. Denn an diesem Mittwoch entscheidet der Internationale Währungsfonds (IWF), ob er der Ukraine einen Kredit in Höhe von 17,5 Milliarden Dollar gewährt. Wenn ja, könnten schon nach wenigen Tagen die ersten fünf Milliarden davon verfügbar sein. Weitere Milliarden stehen durch Umschuldungen in Aussicht, Hilfe könnte von Europäischer Union, Weltbank, den USA und anderen Staaten kommen. Für die Ukraine wäre dies ein Segen, für die Regierung von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk ist dies fast schon ein Pflichtpaket. Wie sonst sollte Kiew das angeschlagene Land finanzieren? Doch liefern muss auch die Ukraine selbst.
In den vergangenen Tagen hat sich in Kiew deshalb eilige Betriebsamkeit entwickelt, das Land will und muss seinen Reformwillen bezeugen. Noch immer gehört die Ukraine zu den korruptesten Ländern weltweit, bei Transparency International steht sie auf Platz 142 von 175 aufgeführten Staaten. Das Problem ist tief verwurzelt und muss dringend bekämpft werden, damit Geld nicht versickert und Betriebe geschützt werden. Präsident Petro Poroschenko hat vor wenigen Tagen mit seiner Unterschrift ein weiteres Anti-Korruptionsgesetz verabschiedet, das nach Angaben Kiews ein sehr strenges Prozedere für das Amt des obersten Korruptionsbekämpfers vorsieht. Aber es gibt noch weitere, auch soziale Einschnitte, die auf Druck des Westens vorangetrieben werden.
Die ukrainische Regierung hat bis 2016 die Renten all jener Ukrainer gekürzt, die nach ihrer Pensionierung weiterarbeiten. Und das müssen viele. Innenpolitisch ist die Rentenkürzung höchst umstritten. Sogar zwei Parteien, die zur Regierungskoalition gehören – die Vaterlandspartei und die Partei Selbsthilfe – haben sich vergeblich gegen das Gesetz gestemmt. Präsident Poroschenko und Premier Jazenjuk müssen nun in der Bevölkerung diese Kürzung moderieren und wollen dies durch gezielte Unterstützung der besonders Bedürftigen erreichen. Auch die Anhebung der Strompreise, die bisher vom Staat massiv subventioniert wurden, dürfte vielen Ukrainern zu schaffen machen.
„So oder so, der Ukraine steht auch mit dem Jahr 2016 ein weiteres schweres Jahr bevor“, sagt Anton Ussow, Berater der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Kiew, die in der Ukraine derzeit pro Jahr etwa eine Milliarde Euro in Infrastrukturprojekte investiert. „Es wird etwas getan, die Regierung probiert wirklich viel. Aber die Risiken sind derzeit noch sehr groß; ich sehe bisher nur wenige internationale Investoren, die ins Land kommen wollen“, sagt Ussow.
Ein großes Problem für Kiew ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung auch sehr davon abhängen dürfte, ob das Minsker Abkommen umgesetzt wird, die vereinbarte Waffenruhe hält und die Lage im Osten der Ukraine sich einigermaßen stabilisiert. Sollten die Kämpfe erneut heftig aufflammen und sich sogar auf weitere Gebiete ausdehnen, etwa auf die von den Separatisten begehrte Hafenstadt Mariupol, wird auch die wirtschaftliche Gesundung extrem erschwert. „In Mariupol werden Container entladen, es ist ein wichtiger Teil der ukrainischen Infrastruktur“, sagt Ussow. „Hält die Waffenruhe dauerhaft, gibt es Licht am Ende des Tunnels, aber das alles ist derzeit schwer vorherzusehen.“
Im April ist für die Ukraine eine internationale Investorenkonferenz geplant. Kiew erhofft sich dort zusätzliche Hilfe in Höhe von mehreren Milliarden Dollar. Der EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik, der Österreicher Johannes Hahn, erhofft sich wiederum, dass die Ukraine sich dann den Investoren als attraktives Land präsentiert. Reformen seien „unverzichtbar, um die Ukraine in einen modernen, friedlichen, demokratischen und reichen Staat zu verwandeln“, sagte er. Ohne einen massiven Abbau der Korruption, aber auch ohne spürbare Beruhigung des Konflikts wird es schwer sein, Investoren zu überzeugen. Gelingt ihr dagegen die Zäsur, hat das Land langfristig Chancen.
„Der Zeitdruck ist immens, denn Russland als wichtigstes ukrainisches Exportland ist weitgehend ausgefallen“, sagt Ussow von der Europäischen Bank für Wiederaufbau. Betroffen ist davon auch der Präsident selber, Petro Poroschenko. Dessen Süßwarenunternehmen Roshen wird von Russland boykottiert; nun strebt es verstärkt in Länder wie Litauen, Ungarn oder Israel. Eigentlich hatte Poroschenko zugesagt, mit Beginn seiner Amtszeit das Unternehmen zu verkaufen. Ein interessierter Käufer aber habe sich noch immer nicht gefunden.