Es gibt sie noch: die Sonne. Zumindest zwischendurch. Am Montagmorgen kommt sie heraus und viele nutzen das, um ihre Kleider zu trocknen, Matratzen, was sie eben retten konnten. Manche haben begonnen, Reste von Maniokwurzeln zu suchen, die sie in die Erde stecken können, damit bald wieder neue Knollen wachsen. Es ist ja nichts übrig, was sie jetzt noch ernten könnten.
Kinder spielen in den Ruinen in Port Vila, der Hauptstadt von Vanuatu.
Der Wirbelsturm Pam war von einer Wucht, die sich die 367 000 Einwohner auf den Inseln von Vanuatu kaum vorstellen konnten. Der Zyklon hat fast alles fortgefegt, die Gärten mit dem Gemüse, die Bäume mit den Früchten. Vielleicht reichen die Vorräte noch ein, zwei Wochen, schätzt ein Helfer. Wenn überhaupt. 80 Prozent der Insulaner sind Subsistenzbauern, die nun vor größten Schwierigkeiten stehen.
Sie haben schon viel erlebt hier draußen in der Südsee. Das Leben ist nicht so, wie es westliche Klischees gerne farbenfroh ausmalen: ewig lachende Insulaner mit Blumenketten um den Hals, denen das Glück gleichsam eingepflanzt ist – das war schon immer ein skurriles Zerrbild dieser Welt. Ihr Präsident, Baldwin Lonsdale, hat gerade erst mit bebender Stimme um Hilfe gebeten. Vanuatu ist ein kleines Land, das jetzt ganz von vorn anfangen muss. Lonsdale ist überzeugt, dass der Klimawandel diese Katastrophe mit ausgelöst hat. Er kann sich stützen auf Experten, die damit rechnen, dass im Pazifik künftig stärkere Zyklone wüten werden. Und war Pam nicht auch so einer? Wie viele Opfer es gegeben hat, weiß man nicht. Von 24 Toten sprach die Regierung am Montagabend. Mindestens. Nur eines scheint sicher zu sein: Zehntausende Menschen sind obdachlos.
Die Welt nach dem Sturm, Entwicklungshelfer Christopher Bartlett erlebt sie an diesem Montag in der Hauptstadt Port Vila. Der Amerikaner leitet das Büro der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Vanuatu. Er ist Meeresbiologe, Sozialarbeiter und seit einiger Zeit auch „Climate Change Adaptation Expert“. Neue Probleme schaffen neue Berufe.
Schon vor diesem Sturm leitete Bartlett ein Programm, das den Menschen helfen soll, mit Veränderungen des Klimas besser klarzukommen. Sich anzupassen. Von den Einheimischen hat er viel gelernt. Wie sich das Wetter verändert, wie sich jetzt zum Beispiel Regenperioden verschieben. Bartletts Handy geht noch, er kann jetzt erzählen, weil ein einziger Funkmast in Port Vila noch steht. Aber das ist auch so ziemlich das Einzige, was drei Tage nach dem Wirbelsturm funktioniert. Die Wasserversorgung? Zusammengebrochen. Das Stromnetz? Zerstört. Häuser, Brücken, Straßen? Kaputt. Das Krankenhaus? Eine Ruine.
Es fehle an Medizin, heißt es in ersten Berichten der Vereinten Nationen. In Notunterkünften brauchen sie dringend frisches Wasser. Sonst drohen Seuchen. Und überall fehlt Baumaterial, weil allein auf der Hauptinsel 90 Prozent der Gebäude beschädigt oder zerstört sind. Wenn Bartlett aus dem Fenster seines Büros in Port Vila schaut, sieht er kein einziges Blatt mehr an den Bäumen hängen. Überall türmt sich verbogenes Wellblech. „Zu spüren ist immer noch die Fassungslosigkeit. Die Verwirrung. Der Unglaube, dass es sie so hart getroffen hat“, erzählt Bartlett. Alle wissen, dass das Wetter tückisch sein kann. Aber Windgeschwindigkeiten von 320 Kilometern pro Stunde? Zugleich versuchen sich alle hochzurappeln. Während die Australier Schwerverletzte ausfliegen, sind die Überlebenden damit beschäftigt, aufzuräumen. Sie nageln in Port Vila zusammen, was noch zusammenzunageln ist.
Aber wie steht es eigentlich um all die anderen Inseln da draußen? 80 kleine Südseewelten, die völlig abgeschnitten sind. Bartlett sagt: „Wir haben keinen blassen Schimmer, was dort passiert ist und wie es den Leuten geht.“ Alle Telefonverbindungen dorthin sind zusammengebrochen, mit dem Boot dauert es zu manchen Inseln mehrere Tage, und das Wetter ist am Montag noch zu schlecht, um das zu wagen. Manche Eilande haben Flugfelder, ob man noch landen kann, ist unklar. Das australische Militär ist auf Erkundungsflügen unterwegs, die UN versuchen, sich ein besseres Bild zu verschaffen. Aber das dauert.
Viele Kleinstaaten im Pazifik sind vor allem vom steigenden Meeresspiegel bedroht. Vanuatu allerdings kaum, diese Inseln sind nicht so flach wie andere. Hier liegen einige der höchsten Berge des Pazifiks, zum Beispiel Mount Tabwemasana, 1879 Meter hoch. Die größte Sorge hier ist das Wetter. Und Pam gibt ihnen recht.
Mittendrin im Chaos steckt auch Desiree Hetzel, Studentin der Universität Köln. Sie erkundet für ihre Masterarbeit, wie die Insulaner den viel diskutierten Klimawandel betrachten. Mit einem so schweren Sturm hat sie natürlich nicht gerechnet. Aber sie hat alles gut überstanden. Was die Leute über das Klima nach Pam denken, ist nun eine interessante Frage. Aber sie kann sie derzeit gar nicht stellen. Denn alle brauchen erst mal wieder ein Dach über dem Kopf. Sie haben jetzt andere Sorgen.
Hetzler und Bartlett beobachten jetzt vor allem eines: wie sich Menschen gegenseitig unterstützen. „Der Zusammenhalt ist überwältigend“, sagt der GIZ-Leiter. Ohne Nothilfe von außen wird es dennoch nicht gehen. Die Vereinten Nationen deuten aber bereits an, dass mit der Hilfe weitere Probleme auf Vanuatu zurasen könnten. Vor allem dann, wenn es nicht gelingt, die Aktionen aufeinander abzustimmen. In der Nothilfe ist das ein bekanntes Problem. Im ersten UN-Lagebericht über Vanuatu heißt es etwas umständlich: Die humanitären Partner müssten sicherstellen, dass sie die Regierung Vanuatus jetzt nicht überwältigen. Man könnte auch sagen: Ein schwerer Sturm ist schlimm genug. Keinesfalls sollte ihm noch eine Flut unkoordinierter Helfer folgen.
Kinder spielen in den Ruinen in Port Vila, der Hauptstadt von Vanuatu.
Der Wirbelsturm Pam war von einer Wucht, die sich die 367 000 Einwohner auf den Inseln von Vanuatu kaum vorstellen konnten. Der Zyklon hat fast alles fortgefegt, die Gärten mit dem Gemüse, die Bäume mit den Früchten. Vielleicht reichen die Vorräte noch ein, zwei Wochen, schätzt ein Helfer. Wenn überhaupt. 80 Prozent der Insulaner sind Subsistenzbauern, die nun vor größten Schwierigkeiten stehen.
Sie haben schon viel erlebt hier draußen in der Südsee. Das Leben ist nicht so, wie es westliche Klischees gerne farbenfroh ausmalen: ewig lachende Insulaner mit Blumenketten um den Hals, denen das Glück gleichsam eingepflanzt ist – das war schon immer ein skurriles Zerrbild dieser Welt. Ihr Präsident, Baldwin Lonsdale, hat gerade erst mit bebender Stimme um Hilfe gebeten. Vanuatu ist ein kleines Land, das jetzt ganz von vorn anfangen muss. Lonsdale ist überzeugt, dass der Klimawandel diese Katastrophe mit ausgelöst hat. Er kann sich stützen auf Experten, die damit rechnen, dass im Pazifik künftig stärkere Zyklone wüten werden. Und war Pam nicht auch so einer? Wie viele Opfer es gegeben hat, weiß man nicht. Von 24 Toten sprach die Regierung am Montagabend. Mindestens. Nur eines scheint sicher zu sein: Zehntausende Menschen sind obdachlos.
Die Welt nach dem Sturm, Entwicklungshelfer Christopher Bartlett erlebt sie an diesem Montag in der Hauptstadt Port Vila. Der Amerikaner leitet das Büro der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Vanuatu. Er ist Meeresbiologe, Sozialarbeiter und seit einiger Zeit auch „Climate Change Adaptation Expert“. Neue Probleme schaffen neue Berufe.
Schon vor diesem Sturm leitete Bartlett ein Programm, das den Menschen helfen soll, mit Veränderungen des Klimas besser klarzukommen. Sich anzupassen. Von den Einheimischen hat er viel gelernt. Wie sich das Wetter verändert, wie sich jetzt zum Beispiel Regenperioden verschieben. Bartletts Handy geht noch, er kann jetzt erzählen, weil ein einziger Funkmast in Port Vila noch steht. Aber das ist auch so ziemlich das Einzige, was drei Tage nach dem Wirbelsturm funktioniert. Die Wasserversorgung? Zusammengebrochen. Das Stromnetz? Zerstört. Häuser, Brücken, Straßen? Kaputt. Das Krankenhaus? Eine Ruine.
Es fehle an Medizin, heißt es in ersten Berichten der Vereinten Nationen. In Notunterkünften brauchen sie dringend frisches Wasser. Sonst drohen Seuchen. Und überall fehlt Baumaterial, weil allein auf der Hauptinsel 90 Prozent der Gebäude beschädigt oder zerstört sind. Wenn Bartlett aus dem Fenster seines Büros in Port Vila schaut, sieht er kein einziges Blatt mehr an den Bäumen hängen. Überall türmt sich verbogenes Wellblech. „Zu spüren ist immer noch die Fassungslosigkeit. Die Verwirrung. Der Unglaube, dass es sie so hart getroffen hat“, erzählt Bartlett. Alle wissen, dass das Wetter tückisch sein kann. Aber Windgeschwindigkeiten von 320 Kilometern pro Stunde? Zugleich versuchen sich alle hochzurappeln. Während die Australier Schwerverletzte ausfliegen, sind die Überlebenden damit beschäftigt, aufzuräumen. Sie nageln in Port Vila zusammen, was noch zusammenzunageln ist.
Aber wie steht es eigentlich um all die anderen Inseln da draußen? 80 kleine Südseewelten, die völlig abgeschnitten sind. Bartlett sagt: „Wir haben keinen blassen Schimmer, was dort passiert ist und wie es den Leuten geht.“ Alle Telefonverbindungen dorthin sind zusammengebrochen, mit dem Boot dauert es zu manchen Inseln mehrere Tage, und das Wetter ist am Montag noch zu schlecht, um das zu wagen. Manche Eilande haben Flugfelder, ob man noch landen kann, ist unklar. Das australische Militär ist auf Erkundungsflügen unterwegs, die UN versuchen, sich ein besseres Bild zu verschaffen. Aber das dauert.
Viele Kleinstaaten im Pazifik sind vor allem vom steigenden Meeresspiegel bedroht. Vanuatu allerdings kaum, diese Inseln sind nicht so flach wie andere. Hier liegen einige der höchsten Berge des Pazifiks, zum Beispiel Mount Tabwemasana, 1879 Meter hoch. Die größte Sorge hier ist das Wetter. Und Pam gibt ihnen recht.
Mittendrin im Chaos steckt auch Desiree Hetzel, Studentin der Universität Köln. Sie erkundet für ihre Masterarbeit, wie die Insulaner den viel diskutierten Klimawandel betrachten. Mit einem so schweren Sturm hat sie natürlich nicht gerechnet. Aber sie hat alles gut überstanden. Was die Leute über das Klima nach Pam denken, ist nun eine interessante Frage. Aber sie kann sie derzeit gar nicht stellen. Denn alle brauchen erst mal wieder ein Dach über dem Kopf. Sie haben jetzt andere Sorgen.
Hetzler und Bartlett beobachten jetzt vor allem eines: wie sich Menschen gegenseitig unterstützen. „Der Zusammenhalt ist überwältigend“, sagt der GIZ-Leiter. Ohne Nothilfe von außen wird es dennoch nicht gehen. Die Vereinten Nationen deuten aber bereits an, dass mit der Hilfe weitere Probleme auf Vanuatu zurasen könnten. Vor allem dann, wenn es nicht gelingt, die Aktionen aufeinander abzustimmen. In der Nothilfe ist das ein bekanntes Problem. Im ersten UN-Lagebericht über Vanuatu heißt es etwas umständlich: Die humanitären Partner müssten sicherstellen, dass sie die Regierung Vanuatus jetzt nicht überwältigen. Man könnte auch sagen: Ein schwerer Sturm ist schlimm genug. Keinesfalls sollte ihm noch eine Flut unkoordinierter Helfer folgen.