'Es geht nicht darum, eine Mauer zu errichten': Axel Springer führt auf der Internetseite seiner Tageszeitung ein Bezahlmodell ein. Beginnt jetzt das Ende der Gratiskultur?
Das Wort Mauer hat einen besonderen Klang im Hause Springer. Der Verleger Axel Caesar Springer ließ einst im Mai 1959 den gewaltigen Firmensitz in West-Berlin demonstrativ neben der Sektoren-Grenze hochziehen. Als der Bau fertig war, stand die Mauer schon. Von oben konnte der Verleger von Welt und Bild in den Osten sehen und von der deutschen Einheit träumen.
Die Mauer kommt: Der Springer-Chef Mathias Döpfner entscheidet sich für das Bezahlmodell
Am Montagabend ist dort oben, im 19. Stock des Springer-Hochhauses, wieder von einer Mauer die Rede gewesen. Es geht auf das Ende des Jahres zu, in dem die Financial Times Deutschland eingestellt wurde und die Frankfurter Rundschau bankrott ging, der Schnee treibt von draußen gegen die großen Glasfenster aus einer Nacht, die so schwarz ist, wie es die Bilanzen mancher deutscher Zeitungshäuser nicht mehr sind.
'Es geht uns überhaupt nicht darum, eine Mauer zu errichten', sagt Romanus Otte, der einen hellen karierten Anzug und den Titel 'General Manager Digital Welt-Gruppe' trägt. Otte meint eine Mauer im Internet und wahrscheinlich denkt in diesem Moment kein Mensch an den alten Verleger und seinen Kampf gegen den Kommunismus.
Oder doch? Sagen wir: Die Verleger in Deutschland erkennen, dass ziemlich kalte Zeiten auf sie zukommen, wenn im Internet allen Leuten einfach so das gehören soll, wofür bisher Geld bezahlt wurde, wenn es auf Papier stand.
Was Otte an diesem Abend technisch vorstellt ist das Ende der unbegrenzten Kostenfreiheit auf den Internet-Seiten der Welt-Titel. Am Mittwoch wird die Welt als erste der großen überregionalen Zeitungen eine sogenannte Paywall oder Bezahlschranke im Netz einführen. Das bringt für Texte im Internet erstmals Vertriebserlöse wie im klassischen Kioskgeschäft, aber die Reichweiten sinken, die eigentlich die Währung für die Anzeigenpreise sind. Es ist ein Risikogeschäft.
International hat sich die New York Times schon vor eineinhalb Jahren dazu entschieden und dafür rasante Rückgänge im Anzeigengeschäft kassiert. Trotzdem wechselt gerade praktisch die gesamte Schweizer Presse von NZZ bis Blick im Internet zum Abo-Modell. Es könnte sein, dass Deutschlands Qualitätsmedien bald ähnlich vollständig konvertieren.
Es wäre eine geschäftliche, aber auch eine psychologische Wende. Die Branche hat lange vor der Gratiskultur im Netz kapituliert. Sie sah zu, wie der Konzern Apple unter anderem mit den Produkten der Verlage zum weltweiten Medienkaufhaus aufstieg. Vielleicht hat es auch mit dem Erfolg von Apple zu tun, wenn Verlagshäuser nun öfter Geld im Netz verlangen: Es ist die Vernunft der Bilanzen - aber auch die Verteidigung eines publizistischen Wertes.
Springer-Chef Mathias Döpfner wird es an diesem Abend in Berlin den 'Beginn einer Suche' nennen: 'Wir suchen nach einem Geschäftsmodell für Journalismus in der digitalen Welt'. Und er macht deutlich, was er nicht dafür hält: Quersubventionierung und E-Commerce. Es sind Modelle, die heute etwa der Konkurrent Burda oder Springers Schweizer Geschäftspartner Ringier praktizieren. Man wolle, sagt Döpfner, dass Qualitätsjournalismus ein Geschäftsmodell bleibe. Döpfner spricht damit präzise in die gigantische Ratlosigkeit hinein, die in Verlagen herrscht, seit das Print-Anzeigengeschäft die Branche nicht mehr nährt und immer weiter abmagern lässt - ohne dass ein Ende erkennbar würde.
Bei der Welt soll nun Geld aus dem Netz kommen. Künftig ist die Lektüre von 20 Artikeln pro Monat im Internet kostenfrei. Beim 21. Klick wird der Leser aufgefordert, ein Abonnement abzuschließen, das in drei Preispaketen von 6,99 Euro (Web und Smartphone) bis 14,99 Euro (Web, Smartphone, Tablet inklusive Welt am Sonntag) erhältlich ist. Abonnenten einer Zeitung der Welt-Gruppe haben automatisch unbegrenzten Zugang zu Web, Smartphone und Tablet. Auch die Internetseite der Bild-Zeitung wird in absehbarer Zeit wohl nicht mehr vollständig gratis sein, aber die Art, wann und wofür gezahlt werden muss, wird sicher nach einem anderen Modell funktionieren, eine Rolle dürften dabei aber die Bundesliga-Streaming-Rechte spielen, die Springer erworben hat.
Die Skepsis, gibt Döpfner zu, sei groß. Was, wenn sich kein anderer deutscher Verlag anschließt? Was, wenn die Leser sich dem Modell verweigern? 'Wir wissen es nicht', aber 'wir müssen alles tun, dass es klappt': 'Wenn Sie glauben, dass die Zeitung Papier ist, haben Sie noch ein paar nette Jahrzehnte vor sich, vielleicht nicht einmal im Plural'. Wenn Zeitung aber für Journalismus mit einer verantwortlichen Absenderschaft und professionellem Ethos stehe, 'dann kann ich nicht verstehen, warum diese Zeitung an das Medium Papier schicksalhaft gekoppelt sein soll'.
Jan Bayer, Vorstand der Welt-Gruppe, erwartet nun zunächst, dass die Reichweite der Internet-Welt 'sehr klar' zurückgeht. Man baue aber eine andere, qualitativ hochwertige Reichweite auf, sagt er. Und Döpfner holt dann noch eine Zahl raus, eine richtige glänzende Dagobert-Duck-Zahl. Fünfzehn Mal mehr, sagt Döpfner, sei Werbekunden eine Print-Anzeige wert, wenn sie damit zahlende Leser erreichen könnten. Es ist eine Zahl aus der Papierwelt, aber sie handelt vielleicht auch von der Zukunft des Anzeigengeschäftes hinter der Paywall.
Das Wort Mauer hat einen besonderen Klang im Hause Springer. Der Verleger Axel Caesar Springer ließ einst im Mai 1959 den gewaltigen Firmensitz in West-Berlin demonstrativ neben der Sektoren-Grenze hochziehen. Als der Bau fertig war, stand die Mauer schon. Von oben konnte der Verleger von Welt und Bild in den Osten sehen und von der deutschen Einheit träumen.
Die Mauer kommt: Der Springer-Chef Mathias Döpfner entscheidet sich für das Bezahlmodell
Am Montagabend ist dort oben, im 19. Stock des Springer-Hochhauses, wieder von einer Mauer die Rede gewesen. Es geht auf das Ende des Jahres zu, in dem die Financial Times Deutschland eingestellt wurde und die Frankfurter Rundschau bankrott ging, der Schnee treibt von draußen gegen die großen Glasfenster aus einer Nacht, die so schwarz ist, wie es die Bilanzen mancher deutscher Zeitungshäuser nicht mehr sind.
'Es geht uns überhaupt nicht darum, eine Mauer zu errichten', sagt Romanus Otte, der einen hellen karierten Anzug und den Titel 'General Manager Digital Welt-Gruppe' trägt. Otte meint eine Mauer im Internet und wahrscheinlich denkt in diesem Moment kein Mensch an den alten Verleger und seinen Kampf gegen den Kommunismus.
Oder doch? Sagen wir: Die Verleger in Deutschland erkennen, dass ziemlich kalte Zeiten auf sie zukommen, wenn im Internet allen Leuten einfach so das gehören soll, wofür bisher Geld bezahlt wurde, wenn es auf Papier stand.
Was Otte an diesem Abend technisch vorstellt ist das Ende der unbegrenzten Kostenfreiheit auf den Internet-Seiten der Welt-Titel. Am Mittwoch wird die Welt als erste der großen überregionalen Zeitungen eine sogenannte Paywall oder Bezahlschranke im Netz einführen. Das bringt für Texte im Internet erstmals Vertriebserlöse wie im klassischen Kioskgeschäft, aber die Reichweiten sinken, die eigentlich die Währung für die Anzeigenpreise sind. Es ist ein Risikogeschäft.
International hat sich die New York Times schon vor eineinhalb Jahren dazu entschieden und dafür rasante Rückgänge im Anzeigengeschäft kassiert. Trotzdem wechselt gerade praktisch die gesamte Schweizer Presse von NZZ bis Blick im Internet zum Abo-Modell. Es könnte sein, dass Deutschlands Qualitätsmedien bald ähnlich vollständig konvertieren.
Es wäre eine geschäftliche, aber auch eine psychologische Wende. Die Branche hat lange vor der Gratiskultur im Netz kapituliert. Sie sah zu, wie der Konzern Apple unter anderem mit den Produkten der Verlage zum weltweiten Medienkaufhaus aufstieg. Vielleicht hat es auch mit dem Erfolg von Apple zu tun, wenn Verlagshäuser nun öfter Geld im Netz verlangen: Es ist die Vernunft der Bilanzen - aber auch die Verteidigung eines publizistischen Wertes.
Springer-Chef Mathias Döpfner wird es an diesem Abend in Berlin den 'Beginn einer Suche' nennen: 'Wir suchen nach einem Geschäftsmodell für Journalismus in der digitalen Welt'. Und er macht deutlich, was er nicht dafür hält: Quersubventionierung und E-Commerce. Es sind Modelle, die heute etwa der Konkurrent Burda oder Springers Schweizer Geschäftspartner Ringier praktizieren. Man wolle, sagt Döpfner, dass Qualitätsjournalismus ein Geschäftsmodell bleibe. Döpfner spricht damit präzise in die gigantische Ratlosigkeit hinein, die in Verlagen herrscht, seit das Print-Anzeigengeschäft die Branche nicht mehr nährt und immer weiter abmagern lässt - ohne dass ein Ende erkennbar würde.
Bei der Welt soll nun Geld aus dem Netz kommen. Künftig ist die Lektüre von 20 Artikeln pro Monat im Internet kostenfrei. Beim 21. Klick wird der Leser aufgefordert, ein Abonnement abzuschließen, das in drei Preispaketen von 6,99 Euro (Web und Smartphone) bis 14,99 Euro (Web, Smartphone, Tablet inklusive Welt am Sonntag) erhältlich ist. Abonnenten einer Zeitung der Welt-Gruppe haben automatisch unbegrenzten Zugang zu Web, Smartphone und Tablet. Auch die Internetseite der Bild-Zeitung wird in absehbarer Zeit wohl nicht mehr vollständig gratis sein, aber die Art, wann und wofür gezahlt werden muss, wird sicher nach einem anderen Modell funktionieren, eine Rolle dürften dabei aber die Bundesliga-Streaming-Rechte spielen, die Springer erworben hat.
Die Skepsis, gibt Döpfner zu, sei groß. Was, wenn sich kein anderer deutscher Verlag anschließt? Was, wenn die Leser sich dem Modell verweigern? 'Wir wissen es nicht', aber 'wir müssen alles tun, dass es klappt': 'Wenn Sie glauben, dass die Zeitung Papier ist, haben Sie noch ein paar nette Jahrzehnte vor sich, vielleicht nicht einmal im Plural'. Wenn Zeitung aber für Journalismus mit einer verantwortlichen Absenderschaft und professionellem Ethos stehe, 'dann kann ich nicht verstehen, warum diese Zeitung an das Medium Papier schicksalhaft gekoppelt sein soll'.
Jan Bayer, Vorstand der Welt-Gruppe, erwartet nun zunächst, dass die Reichweite der Internet-Welt 'sehr klar' zurückgeht. Man baue aber eine andere, qualitativ hochwertige Reichweite auf, sagt er. Und Döpfner holt dann noch eine Zahl raus, eine richtige glänzende Dagobert-Duck-Zahl. Fünfzehn Mal mehr, sagt Döpfner, sei Werbekunden eine Print-Anzeige wert, wenn sie damit zahlende Leser erreichen könnten. Es ist eine Zahl aus der Papierwelt, aber sie handelt vielleicht auch von der Zukunft des Anzeigengeschäftes hinter der Paywall.