Die Stadionkultur hat zurzeit nicht den besten Ruf. Ein Bildband beschäftigt sich jetzt mit Architektur, Geschichte und Faszination von Fußballstadien - abseits der Chaos-Bilder.
Außer Kontrolle, Randale, Bengalo-Feuer, gesinnungsbedenkliche Hooligans und alkoholisierte Ultra-Chaoten. Wenn man in diesen Tagen von Sport-Arenen hört: den Fußballstadien, dann muss man den Eindruck gewinnen, dass der öffentliche Diskurs sich darin verbissen hat, in ihnen nur noch Orte der Gefahr und Gefährdung Unbeteiligter sehen zu wollen. Und so sehr man begrüßen muss, dass die deutschen Profi-Fußballklubs sich gerade selber verpflichtet haben, gegen randalierende Fans in ihren Freilufthäusern entschlossener vorzugehen, so wird man dennoch festhalten können, dass diese modernen Amphitheater des Ballsports den Kampf nur nach den Regeln des Fairplays und auch weiterhin nur auf dem Rasen kennen. Dort also, wo er hingehört. Denn Stadien sind faktisch weder Orte der Gesetzlosigkeit, an denen Recht und Ordnung nicht mehr gelten. Sie sind aber auch mehr als das Labyrinth ihrer Treppenaufgänge, Rampen, Ränge und der Armada von Sitzschalen auf großer Fläche. Stadien sind Wahrzeichen, Signets ihrer Städte. Und das sind sie nicht, weil Anarchie in ihnen herrscht.
Insgesamt 19 Stadien werden in dem Bildband der Fußball- und Architekturjournalisten vorgestellt.
Denn könnte es nicht vielmehr so sein, dass die Faszination des Sports sogar unmittelbar von dem Ort herrührt, an dem er stattfindet? Dass also die Reviere des Sports, jene Gebäude, Arenen, Stadien, welche man errichtet hat, um dem Sportgeschehen eine Bühne zu bereiten, dass also diese gestalteten Schauplätze für jene wohligen Schauder verantwortlich sind, die Sport, insbesondere den Fußball, zu dem berauschend-berückenden Erlebnis machen, das stets unabhängig ist von den Ergebnissen, die Sportler dort erzielen?
Für die drei Autoren des schönen Bildbandes 'Fußball - Wunder - Bauten. Die schönsten Stadien und ihre Geschichten' ist das gar keine Frage. Sie gehen selbstverständlich davon aus: Alexander Gutzmer, ein Architektur-Journalist, spricht im Vorwort vom 'Kraftfeld Stadion', er nennt deren Besucher - die Fans - mit Peter Sloterdijk: 'Erregungsgemeinschaften', deren Zusammenhalt von dem 'Akteur Stadion' gestiftet werde. Auch wenn man den 'Akteur' in Stein, Stahl, Beton und Glas, in Kabinen, Rängen, Gängen und Rasen nicht erkennen mag, so ist doch selbstverständlich, dass man den Ort der Erregung weltweit porträtieren muss, wenn man die universelle Fußballbegeisterung nicht nur als mediales, TV-generiertes Übertragungsphänomen verstehen will. Fußball ist die Anwesenheit von 22 Männern und einem Ball auf dem Rasen (gut, Schiedsrichtern auch noch), und Zigtausenden, die zur selben Zeit um sie herum in Besuchertrichter geordnet gestaffelt sind. Fußball also hat mit Gleichzeitigkeit zu tun - und der Konzentration auf ein Geschehen. Damit sind Fußballstadien weltweit Ermöglichungsräume von Gegenwart, die von Akteuren wie Rezipienten gemeinsam erlebt - oft auch durchlitten - wird. Und darum ist dieses Bilderbuch von Gutzmer und den beiden Fußballjournalisten Andreas Bock und Benjamin Kuhlhoff ein Verdienst zu nennen, auf das die ballbegeisterte Welt lange gewartet hat.
19 Stadien rund um den Globus hat das Autoren-Trio für würdig (und legendär genug) befunden, ausführlich beschrieben zu werden. Dabei findet nicht nur Architektur-Kritik statt, sondern es wird eben auch über die Fußballhistorie berichtet, für die diese Orte jeweils stehen. Das geschieht nicht in einer stringenten Form, sondern läuft mal über Interviews (etwa mit Günter Netzer zum Bernabéu-Stadion in Madrid, mit Campino zur Arena in der Anfield-Road in Liverpool, ), mal über Spieler-Anekdoten (etwa zum besten Boca-Spieler aller Zeiten: Martin "Der Verrückte` Palermo, dem man nach 230 Toren im Anschluss an dessen Abschiedsspiel eines der Tore des La Bombonera-Stadions in Buenos Aires offiziell vom Rasen pflückte und schenkte), mal aus der Sicht eines Sportlers, der auch wegen der Schönheit eines Stadion-Baus den Verein wechselte (Hansi Müller 1982 zu Inter Mailand ins Stadion San Siro), aber auch rein architekturkritisch: Das 'singuläre bauliche Objekt' wird so gewürdigt, das Herzog/de Meuron den Münchnern 2005 als Allianz Arena in den Norden der Stadt gestellt haben. Dazu gibt es Bilder, Bilder, Bilder. Es sind die aufwallenden Fan-Massen dabei, die frenetisch jubeln, wie die, die gerade verloren haben und nun nach Hause gehen werden, um ihre Frauen zu verprügeln. Man sieht Details der leeren Stadien, die bei Vollbesetzung nicht auffallen, erhält die Bau-Pläne und reist bestens unterhalten rund um den Fußball-Globus: Von Dortmund (Signal Iduna Park) über Rio de Janeiro (Maracana) nach Old Trafford in Manchester und dann über das Craven Cottage (London) in die Veltlins-Arena nach Gelsenkirchen, um irgendwann bei einem Exoten wie dem Azadi-Stadion in Teheran zu landen. Den schönsten Satz des Buches spricht der ehemalige Nationaltorwart Toni Schumacher über das Aztekenstadion in Mexiko-Stadt: 'Du atmest und atmest und atmest, doch da ist kein Sauerstoff.' Vielleich deshalb, aber nur vielleicht deshalb, hat die deutsche Mannschaft dort 1986 das WM-Finale gegen Argentinien verloren. Wer Fußball liebt, den in Stadien mitzuerlebenden zumal, wird dieses Buch lieben.Bernd Graff
Andreas Bock/ Benjamin Kuhlhoff/Alexander Gutzmer: Fußball Wunder Bauten. Die schönsten Stadien und ihre Geschichten. Callwey Verlag, München 2012. 192 Seiten, 175 Fotos und Pläne, 39,95Euro.
Außer Kontrolle, Randale, Bengalo-Feuer, gesinnungsbedenkliche Hooligans und alkoholisierte Ultra-Chaoten. Wenn man in diesen Tagen von Sport-Arenen hört: den Fußballstadien, dann muss man den Eindruck gewinnen, dass der öffentliche Diskurs sich darin verbissen hat, in ihnen nur noch Orte der Gefahr und Gefährdung Unbeteiligter sehen zu wollen. Und so sehr man begrüßen muss, dass die deutschen Profi-Fußballklubs sich gerade selber verpflichtet haben, gegen randalierende Fans in ihren Freilufthäusern entschlossener vorzugehen, so wird man dennoch festhalten können, dass diese modernen Amphitheater des Ballsports den Kampf nur nach den Regeln des Fairplays und auch weiterhin nur auf dem Rasen kennen. Dort also, wo er hingehört. Denn Stadien sind faktisch weder Orte der Gesetzlosigkeit, an denen Recht und Ordnung nicht mehr gelten. Sie sind aber auch mehr als das Labyrinth ihrer Treppenaufgänge, Rampen, Ränge und der Armada von Sitzschalen auf großer Fläche. Stadien sind Wahrzeichen, Signets ihrer Städte. Und das sind sie nicht, weil Anarchie in ihnen herrscht.
Insgesamt 19 Stadien werden in dem Bildband der Fußball- und Architekturjournalisten vorgestellt.
Denn könnte es nicht vielmehr so sein, dass die Faszination des Sports sogar unmittelbar von dem Ort herrührt, an dem er stattfindet? Dass also die Reviere des Sports, jene Gebäude, Arenen, Stadien, welche man errichtet hat, um dem Sportgeschehen eine Bühne zu bereiten, dass also diese gestalteten Schauplätze für jene wohligen Schauder verantwortlich sind, die Sport, insbesondere den Fußball, zu dem berauschend-berückenden Erlebnis machen, das stets unabhängig ist von den Ergebnissen, die Sportler dort erzielen?
Für die drei Autoren des schönen Bildbandes 'Fußball - Wunder - Bauten. Die schönsten Stadien und ihre Geschichten' ist das gar keine Frage. Sie gehen selbstverständlich davon aus: Alexander Gutzmer, ein Architektur-Journalist, spricht im Vorwort vom 'Kraftfeld Stadion', er nennt deren Besucher - die Fans - mit Peter Sloterdijk: 'Erregungsgemeinschaften', deren Zusammenhalt von dem 'Akteur Stadion' gestiftet werde. Auch wenn man den 'Akteur' in Stein, Stahl, Beton und Glas, in Kabinen, Rängen, Gängen und Rasen nicht erkennen mag, so ist doch selbstverständlich, dass man den Ort der Erregung weltweit porträtieren muss, wenn man die universelle Fußballbegeisterung nicht nur als mediales, TV-generiertes Übertragungsphänomen verstehen will. Fußball ist die Anwesenheit von 22 Männern und einem Ball auf dem Rasen (gut, Schiedsrichtern auch noch), und Zigtausenden, die zur selben Zeit um sie herum in Besuchertrichter geordnet gestaffelt sind. Fußball also hat mit Gleichzeitigkeit zu tun - und der Konzentration auf ein Geschehen. Damit sind Fußballstadien weltweit Ermöglichungsräume von Gegenwart, die von Akteuren wie Rezipienten gemeinsam erlebt - oft auch durchlitten - wird. Und darum ist dieses Bilderbuch von Gutzmer und den beiden Fußballjournalisten Andreas Bock und Benjamin Kuhlhoff ein Verdienst zu nennen, auf das die ballbegeisterte Welt lange gewartet hat.
19 Stadien rund um den Globus hat das Autoren-Trio für würdig (und legendär genug) befunden, ausführlich beschrieben zu werden. Dabei findet nicht nur Architektur-Kritik statt, sondern es wird eben auch über die Fußballhistorie berichtet, für die diese Orte jeweils stehen. Das geschieht nicht in einer stringenten Form, sondern läuft mal über Interviews (etwa mit Günter Netzer zum Bernabéu-Stadion in Madrid, mit Campino zur Arena in der Anfield-Road in Liverpool, ), mal über Spieler-Anekdoten (etwa zum besten Boca-Spieler aller Zeiten: Martin "Der Verrückte` Palermo, dem man nach 230 Toren im Anschluss an dessen Abschiedsspiel eines der Tore des La Bombonera-Stadions in Buenos Aires offiziell vom Rasen pflückte und schenkte), mal aus der Sicht eines Sportlers, der auch wegen der Schönheit eines Stadion-Baus den Verein wechselte (Hansi Müller 1982 zu Inter Mailand ins Stadion San Siro), aber auch rein architekturkritisch: Das 'singuläre bauliche Objekt' wird so gewürdigt, das Herzog/de Meuron den Münchnern 2005 als Allianz Arena in den Norden der Stadt gestellt haben. Dazu gibt es Bilder, Bilder, Bilder. Es sind die aufwallenden Fan-Massen dabei, die frenetisch jubeln, wie die, die gerade verloren haben und nun nach Hause gehen werden, um ihre Frauen zu verprügeln. Man sieht Details der leeren Stadien, die bei Vollbesetzung nicht auffallen, erhält die Bau-Pläne und reist bestens unterhalten rund um den Fußball-Globus: Von Dortmund (Signal Iduna Park) über Rio de Janeiro (Maracana) nach Old Trafford in Manchester und dann über das Craven Cottage (London) in die Veltlins-Arena nach Gelsenkirchen, um irgendwann bei einem Exoten wie dem Azadi-Stadion in Teheran zu landen. Den schönsten Satz des Buches spricht der ehemalige Nationaltorwart Toni Schumacher über das Aztekenstadion in Mexiko-Stadt: 'Du atmest und atmest und atmest, doch da ist kein Sauerstoff.' Vielleich deshalb, aber nur vielleicht deshalb, hat die deutsche Mannschaft dort 1986 das WM-Finale gegen Argentinien verloren. Wer Fußball liebt, den in Stadien mitzuerlebenden zumal, wird dieses Buch lieben.Bernd Graff
Andreas Bock/ Benjamin Kuhlhoff/Alexander Gutzmer: Fußball Wunder Bauten. Die schönsten Stadien und ihre Geschichten. Callwey Verlag, München 2012. 192 Seiten, 175 Fotos und Pläne, 39,95Euro.