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Geschenke vor dem Wahllokal

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Offenbar knappe Mehrheit für neue ägyptische Verfassung in erster Abstimmungsrunde


Kairo - Nach der ersten Abstimmungsrunde über Ägyptens neue Verfassung zeigen inoffizielle Teilergebnisse eine knappe Zustimmung, gleichzeitig häufen sich die Betrugsvorwürfe der Opposition. Obwohl die Bekanntgabe von Zwischenergebnissen untersagt ist, ergaben die von politischen Gegnern und den Medien bekannt gegebenen Resultate des Referendums eine Ja-Quote von etwas unter 60 Prozent zu dem von den Islamisten in der Verfassungsversammlung durchgeboxten Grundgesetz. Da in der ersten Runde auch in mehreren Großstädten abgestimmt worden ist, könnte die Zustimmung in der zweiten Runde am Samstag steigen: Ägyptens Landbevölkerung ist konservativer, die von den Islamisten rund um Staatschef Mohammed Mursi geprägte Verfassung vereinigt islamische Elemente und 'traditionelle ägyptische Werte und Moralvorstellungen'. Für die Annahme reicht die einfache Mehrheit.



In der ersten Abstimmungsrunde stimmte offenbar eine knappe Mehrheit für eine neue ägyptische Verfassung.

Die Internet-Seite der staatlichen Zeitung Al Ahram sprach von einer Zustimmung von 56,5 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von nur 33 Prozent. Die Mursi nahestehenden Muslimbrüder verkündeten bei Twitter ebenfalls eine Zustimmung von bis zu 57 Prozent. In Kairo und Alexandria haben sich laut Staatsfernsehen zwischen 60 und 70Prozent gegen die Verfassung ausgesprochen. 'Die Ägypter haben in der ersten Runde des Referendums ihren politischen Willen zum Ausdruck gebracht', erklärte die Freiheits-und Gerechtigkeitspartei der Muslimbrüder. 'Das ist ein fundamentaler demokratischer Prozess.' Die Opposition beklagte jedoch zahlreiche Verstöße: 'Das Ausmaß der Manipulationen zeigt den klaren Willen der Muslimbrüder, die Meinung der Wähler zu verfälschen, um die Verfassung der Bruderschaft durchzubringen', teilte die Heilsfront mit, in der die liberalen und säkularen Oppositionsparteien zusammengeschlossen sind.

Da keine organisierte Wahlbeobachtung durch unabhängige Organisationen stattgefunden und eine systematische Darstellung der Ergebnisse fehlte, lassen sich weder diese Zahlen noch die Betrugsvorwürfe der Opposition derzeit überprüfen.

Die Annahme der Verfassung in dem politisch tief gespaltenen Land wäre ein wichtiger Etappenerfolg für die Kräfte um Präsident Mursi, einen ehemaligen Muslimbruder: Mit Inkrafttreten der Verfassung würde das Oberhaus des Parlamentes bis zu Neuwahlen im Frühjahr alle parlamentarischen Aufgaben übernehmen. Das frei gewählte Unterhaus war von einem Gericht aufgelöst worden, sodass Ägypten derzeit kein funktionierendes Parlament hat. Mursi, die Muslimbrüder und die noch radikaleren Salafisten argumentieren, dass erst mit der Annahme der Verfassung die Wiederherstellung aller staatlichen Institutionen beginnen und die politische und wirtschaftliche Lage stabilisiert werden könne.

Die bis heute uneinig auftretende Opposition aus liberalen, säkularen, christlichen und moderat islamischen Gruppen sieht die Verfassung als ersten Schritt hin zu einem islamistischen Staat. Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Christen würden benachteiligt, Grundrechte wie die Meinungsfreiheit beeinträchtigt.

Die Opposition hat gedroht, das Referendum nicht anzuerkennen, wenn sich Betrugsvorwürfe bestätigen sollten. In vielen Wahllokalen seien keine Richter anwesend gewesen: Nach ägyptischem Recht müssen Wahlen von der Richterschaft überwacht werden, ein Teil streikt aber. Zudem hätten die Muslimbrüder vor den Wahllokalen zum Ja aufgerufen und Geschenke verteilt. Einzelne Wähler sprachen laut Agenturberichten von bereits mit Ja gekennzeichneten Wahlzetteln, Nein-Stimmen seien von mit den Muslimbrüdern sympathisierenden Richtern ungültig gemacht worden. Die Oppositionszeitung Al Tahrir sprach von 'falschen Richtern, gefälschten Wahlzetteln, Wahllokalen ohne Richter und einem Wahlrecht nach Religionszugehörigkeit'. Seite 4

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