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Aufschieber im Fokus

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Experten widmen sich dem schlechten Zeitmanagement von Studenten

Das Sparschwein muss an diesem Tag gefüttert werden. Die Studentin erhebt sich von ihrem Platz, zieht eine Euro-Münze hervor und geht langsam zum schwarzen Porzellanferkel, für das ein eigener Stuhl im Halbkreis reserviert ist. Als die Münze im Bauch des Schweines klingt, schauen einige der Anwesenden betreten auf den Boden. Es ist ein Mittwochvormittag an der Universität Bielefeld. In einem Raum der Zentralen Studienberatung trifft sich die Gruppe 'Lost in Procrastination'. Alle zwei Wochen kommen sie zusammen, ein Dutzend Teilnehmer aus allen Semestern. Ihr gemeinsames Problem: Sie schaffen es nicht, die anfallenden Uni-Aufgaben in der vorgesehenen Zeit zu erledigen. Sie schieben auf, meist ziemlich häufig.



Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird das ständige Aufschieben zum Problem.

'Das Problem des Aufschiebens kennt jeder', sagt Studienberaterin Carmen Kropat. 'Nur ab einem bestimmten Punkt wird das problematisch. Gemeinsam mit den Studenten versuchen wir, die Hintergründe für ein solches verzögerndes Verhalten ausfindig zu machen.' Nach der Analyse setzt sich jedes Mitglied der Gruppe ein erreichbares Teilziel. Dessen Erfüllung wird bei der nächsten Sitzung kontrolliert. Wer es nicht eingehalten hat, muss das Sparschwein füttern, vor aller Augen. Mit 50 Cent, manchmal auch mit einem Euro. 'Der Betrag spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es darum, miteinander sinnvolle Ziele zu vereinbaren, deren Erfüllung in der Gruppe kontrolliert wird', erklärt Kropat.

'Prokrastination' heißt das Modewort, das landläufig gern mit Aufschieberitis übersetzt wird. Doch nicht jedes Aufschieben sei zugleich Prokrastination, sagt Carola Grunschel. Die Psychologin promoviert zum Thema und beschwert sich über die inflationäre Verwendung des Begriffes in den Medien. 'Wer häufig den Wohnungsputz verschiebt, weil er eben noch andere Dinge zu tun hat, leidet noch lange nicht an Prokrastination.' Auch strategisches Aufschieben sei davon zu unterscheiden: 'Wenn das wichtige Buch aus der Fernleihe noch nicht da ist und es sich eigentlich nicht lohnt, mit der Arbeit zu beginnen, kann solches Aufschieben am Ende gar den Erfolg steigern.' Anders sei es, wenn man bereits die Literatur gelesen habe, der Schreibtisch aufgeräumt sei und Zeit zur Verfügung stehe. 'Wenn ich es dann entgegen aller Rationalität doch nicht schaffe, mit meiner Arbeit anzufangen, dann kann man von Prokrastination sprechen.'

Doktorandin Grunschel konnte empirisch zeigen, dass längst nicht jeder Student zum Prokrastinieren neige. Besonders zwei Typen seien aber gefährdet: Während den 'sorgenvoll-ängstlichen Typ' vor allem die Angst vor dem Versagen quäle, sei der 'studiumsunzufriedene Typ' mit seiner Fächerwahl, womöglich aber auch über die Bedingungen im Hörsaal unglücklich, etwa mit dem Betreuungsverhältnis. Beide Typen zeigten Probleme beim selbstregulierten Lernen und beim Zeitmanagement. Mit mangelnder Intelligenz habe das nichts zu tun: Ein solcher Zusammenhang lasse sich empirisch nicht belegen.

Übrigens genauso wenig wie der Vorwurf, dass prokrastinierende Studenten eher mit Kommilitonen im Kaffeehaus sitzen, als über ihrer Abschlussarbeit zu schwitzen. 'Studenten, die im akademischen Umfeld gerne aufschieben, neigen auch bei ihren familiären und freundschaftlichen Kontakten zum Prokrastinieren', sagt Katrin Klingsieck, Professorin an der Universität Paderborn. Auch sie forscht zu diesem Aspekt, ihre Untersuchung mit Studenten hat gezeigt, dass sich das Phänomen auf ganz unterschiedliche Lebensbereiche erstrecken kann. 'Und natürlich gibt es Prokrastination nicht nur bei Studenten. Besonders selbständige Berufe wie der des Lehrers beinhalten viele Freiräume und erfordern ein entsprechendes Selbstmanagement. Solche Tätigkeiten lassen ein prokrastinierendes Verhalten stärker zu als reglementierte Berufe.'

Im Gegensatz zu Arbeitnehmern kann man die studentische Prokrastination aber relativ gut messen, weil zum Beispiel gewisse Aufgaben und Anforderungen nicht erfüllt werden. Durch das Überschreiten der Langzeitstudienzeit werden in manchen Bundesländern Zusatzgebühren fällig oder der Bafög-Anspruch endet. Gerade die Studenten, hinter deren langer Studiendauer sich wirkliche Probleme und nicht Faulheit verbergen, erfahren den zunehmenden Druck negativ - bis zum Abbruch des Studiums. So wundert es kaum, dass prokrastinierende Studenten eher zum akademischen Betrug neigen. So hat eine vor Kurzem vorgestellte Studie der Universität Bielefeld gezeigt, dass zum Aufschieben neigende Studenten besonders stark dazu tendieren, Plagiate zu erstellen oder durch das Vorlegen falscher Atteste mehr Zeit für Hausarbeiten zu gewinnen.

Dass sich jedoch durch den Wegfall der großen Abschlussarbeiten in den alten Diplom- und Magisterstudiengängen etwas am Phänomen ändern wird, bezweifelt die Bielefelder Studienberaterin Kropat. 'Wer vorher Angst vor der Magisterarbeit hatte, dem graut es jetzt vor der Bachelor-Arbeit.' Auch die Prüfungsangst nehme durch die häufigen Abfragen in den stark verschulten neuen Studiengängen eher zu. Dem will man in Bielefeld vorbeugen: Einführungen in Zeitmanagement und die Früherkennung von prokrastinierendem Verhalten sollen im ersten Jahr aller Studiengänge in Zukunft selbstverständlich werden.

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