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Mehr Arme, mehr Arbeit

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Trotz des Aufschwungs hat die Armut in Deutschland zugenommen. Darauf wird unterschiedlich reagiert: Manche beschwichtigen, andere dramatisieren. Der Hauptgeschäftsführer des Sozialverbands, Ulrich Schneider, sprach von einem 'regional tief zerrissenen Land'.

Berlin - Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs hat die Armut in Deutschland eher zugenommen. Etwa 12,4 Millionen Menschen haben weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens eines für sie typischen Haushalts - sie gelten als armutsgefährdet. Dies geht aus dem Armutsatlas 2012 hervor, den der Paritätische Wohlfahrtsverband vorgestellt hat. Der Anteil der potenziell Armen an der Bevölkerung erreichte demnach 2011 mit 15,1 Prozent ein Rekordhoch seit der Wiedervereinigung. 2010 waren noch eine halbe Million Menschen weniger betroffen.



Klare Worte: Ulrich Schneider bei der Vorstellung des Armutsberichts in Berlin

Der Hauptgeschäftsführer des Sozialverbands, Ulrich Schneider, sprach von einem 'regional tief zerrissenen Land'. So stechen nach wie vor Baden-Württemberg und Bayern mit den niedrigsten Zahlen positiv heraus. Hier liegt der Anteil der Armutsgefährdeten bei gut elf Prozent. Deutlich höher ist die Quote in Nordrhein-Westfalen. Dort stieg sie von 15,4 auf 16,6 Prozent. Vor allem im Ruhrgebiet ist nach den Zahlen des Gesamtverbands die Lage dramatisch: In Duisburg ist fast jeder vierte Bürger von Armut bedroht. Das sind 45 Prozent mehr seit 2006. Noch schlechter sieht es in den meisten ostdeutschen Ländern aus. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern haben Quoten von circa 20 Prozent. Schlusslicht ist mit Bremen und einem Anteil von 22,3 Prozent erstmals ein westdeutsches Land.

Für den Atlas wertete der Gesamtverband den Mikrozensus aus, eine amtliche Statistik, für die 390000 Haushalte mit 830000 Personen befragt wurden. 2011 lag danach die Schwelle, unter welcher Armut droht, bei 848 Euro für einen Single-Haushalt und 1781 Euro für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren.

Für Schneider zeigt die negative Entwicklung, dass die gute Arbeitslosenstatistik mit Niedriglöhnen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen erkauft worden sei. Er nannte dies eine 'Amerikanisierung des Arbeitsmarkts'. Viele Menschen hätten Arbeit, aber immer weniger könnten auch davon leben, so der Hauptgeschäftsführer. Sparmaßnahmen wie die Streichung des Elterngelds für Hartz-IV-Empfänger und der Energiekosten-Komponente beim Wohngeld oder der Abbau öffentlich geförderter Beschäftigung hätten die Armut verstärkt. Von der Regierung forderte er ein Sofortprogramm gegen Armut. Dazu gehörten ein gesetzlicher Mindestlohn, eine Mindestrente, ein Mindestarbeitslosengeld I sowie höhere Hartz-IV-Sätze. Die Zusatzausgaben von zehn bis 20 Milliarden Euro ließen sich durch höhere Steuern für Vermögende finanzieren.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bezeichnete die Armut in einem reichen Land wie Deutschland als relativ. 'Man sollte die Probleme weder dramatisieren noch kleinreden', sagte sie. Die Ministerin wies darauf hin, dass die Langzeitarbeitslosigkeit seit 2007 um 40 Prozent gesunken sei, die Bundesrepublik die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa habe und der Anteil der Kinder in Hartz-IV-Haushalten gesunken sei. 'Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.'



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