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Lichter und Steine

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Nach dem Tod der vergewaltigten Inderin protestieren im ganzen Land Tausende friedlich gegen sexuelle Gewalt, in Delhi kommt es aber auch erneut zu Ausschreitungen. Den mutmaßlichen Tätern droht nun die Todesstrafe

München - Die Einäscherung im engsten Familienkreise wurde bis zur letzten Minute geheim gehalten, das Krematorium im Südwesten der indischen Hauptstadt Delhi war von einem großen Polizeiaufgebot abgeriegelt. Am Sonntagmorgen wurde der Leichnam der nach einer Gruppenvergewaltigung gestorbenen Inderin in einem goldfarbenen Sarg per Chartermaschine zurück nach Delhi überführt und dort nach hinduistischem Brauch eingeäschert. Die 23-Jährige war am 16.Dezember von mehreren Männern in einem Bus brutal vergewaltigt worden und schließlich am Wochenende in einer Spezialklinik in Singapur nach einem 13 Tage währenden Überlebenskampf ihren schweren Verletzungen erlegen. Erst am Samstagabend, so berichtet das Online-Portal der Times of India, baten Polizisten ein Krematorium im Südwesten von Delhi um einen Termin am frühen Morgen. Die Behörden wollten offensichtlich Ausschreitungen rund um die Zeremonie verhindern.

Doch die Wut in der Bevölkerung brach sich dennoch Bahn: Bei Protesten gegen sexuelle Gewalt am Sonntag kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Die Vergewaltigung und der Überlebenskampf der Inderin hatten bereits zuvor Entsetzen und teils gewalttätige Proteste gegen die in der indischen Gesellschaft verbreitete Gewalt gegen Frauen ausgelöst. Nach Polizeiangaben blieben das Regierungsviertel Neu-Delhi und das Wahrzeichen India Gate am Sonntag wieder weiträumig abgesperrt. Für Gedenken und Proteste wurden zwei Plätze ausgewiesen. Der Nachrichtensender NDTV zeigte am Sonntag Bilder, auf denen einige aufgebrachte Menschen versuchten, die Barrikaden der Beamten niederzureißen. Steine seien in Richtung der Polizisten geflogen, berichtete ein Reporter. Hunderte Inder trauerten auch friedlich. Am Samstag waren Tausende Menschen im Land bei gewaltfreien Märschen auf die Straßen gegangen, in mehreren Städten zündeten sie Kerzen für das Opfer an. Auf Plakaten stand etwa: 'Die Flamme, die sie entzündete, soll nie mehr verlöschen.'





Sowohl Indiens Premierminister Manmohan Singh als auch die Chefin der regierenden Kongresspartei, Sonia Gandhi, waren am Flughafen, als die Maschine mit dem Leichnam und Angehörigen der Inderin an Bord eintraf, wie der staatliche Rundfunksender AIR berichtete. Am Samstag hatten alle führenden Politiker kondoliert. Sie versprachen Maßnahmen für mehr Sicherheit für Frauen in Indien. So wird untersucht, ob in besonders schweren Vergewaltigungsfällen auch die Todesstrafe verhängt werden kann, wie es Demonstranten gefordert hatten. Für Vergewaltigungsopfer soll vom 1.Januar an eine Hotline bei der Polizei eingerichtet werden. Geplant ist zudem mehr Beleuchtung in Delhi und eine bessere Überwachung in öffentlichen Bussen. Eine Stunde lang war die Medizinstudentin von mehreren Männern, unter ihnen offenbar auch der Busfahrer, vergewaltigt und geschlagen worden. In Indiens Hauptstadt wird laut Polizeidaten alle 18Stunden eine Vergewaltigung gemeldet.

Die Anklage gegen die sechs inhaftierten Verdächtigen wurde auf Mord ausgedehnt, da das Opfer an den Folgen der Vergewaltigung gestorben ist. Den mutmaßlichen Tätern droht damit bei einer Verurteilung die Todesstrafe. Ehe die schwer verletzte Medizinstudentin in die Klinik nach Singapur geflogen worden war, hatten Ermittler sie befragt. Diese Aussagen sollen vor Gericht verwendet werden.

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