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Halbe Werke

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Viele Doktoranden denken offenbar über Abbruch nach

Mehr als vier von zehn Nachwuchswissenschaftlern, die hierzulande an einer Promotion arbeiten, haben nach eigenen Angaben bereits ernsthaft über einen Abbruch ihres Werks nachgedacht. Dies geht aus einer neuen Studie des HIS-Instituts für Hochschulforschung hervor. Für die vom Bundesbildungsministerium geförderte Untersuchung, die vergangene Woche erschienen ist, wurden insgesamt 2850 Doktoranden zu ihrer Situation befragt. Hierzu gehörten sowohl Promovierende auf Mitarbeiterstellen an Lehrstühlen oder in festen Doktorandenprogrammen wie Graduiertenschulen als auch frei Arbeitende ohne enge Anbindung an die Hochschule.





Knapp die Hälfte der Befragten mit Abbruchgedanken nennt demnach Zweifel an der Eignung als Grund, jeweils mehr als ein Drittel die Belastung durch berufliche Tätigkeiten an der Hochschule sowie eine schlechte Betreuung. Erst an siebter Stelle benennen die Befragten Schwierigkeiten mit der Finanzierung als Auslöser, die Flinte womöglich ins Korn zu werfen. Auch familiäre Hemmnisse wurden mitunter aufgeführt: Während allerdings Wissenschaftlerinnen mit Kind aufgrund der Erziehungsaufgabe eher häufig einen Abbruch der Promotion in Erwägung ziehen (61 Prozent), sind dies bei promovierenden Vätern nur gerade einmal 37 Prozent.

'Die Zweifel an der persönlichen Eignung für eine Promotion, eine zu hohe Arbeitsbelastung sowie mangelnde Betreuung werden als Hauptgründe angeführt', sagt Kolja Briedis, Projektleiter der Studie. Entscheidende Faktoren für die erfolgreiche Bewältigung einer Doktorarbeit seien die nötige Zeit und die Zufriedenheit mit dem Doktorvater; hier seien Forscher in strukturierten Programmen und Graduiertenschulen auf den ersten Blick bessergestellt. Die Ergebnisse zeigten aber, dass die Gefahr eines Abbruchs in allen Konstellationen bestehe - und weder eng begleitetes noch freies Promovieren einen sehr geringen Anteil an möglichen Abbrechern aufweise. Vielmehr gebe es überall 'spezifische Risiken'. Unabhängig von der Form der Promotion steigt laut Studie aber der Anteil derjenigen Personen, die aufgeben wollen, bei einer Promotionsdauer von drei Jahren und länger - wohl auch, weil nach diesem Zeitraum in der Regel viele Stipendien auslaufen und die Finanzierung der Doktorarbeit nicht mehr gesichert ist.

Briedis bilanziert: 'Eine für alle gleichermaßen ideale Promotionsform gibt es nicht.' Das ist erstaunlich, da seit den prominenten Plagiatsaffären vor allem eine Gruppe in der Kritik steht:angebliche 'Karrieredoktoranden', die gar nicht Wissenschaftler werden wollten, neben dem Beruf aus Prestigegründen eilig ein Werk verfassten und kaum Kontakt zum Betreuer ihrer Arbeit hätten. Und bei denen der gängigen These nach die Verlockung gegeben sei, schlampig zu zitieren oder gar bewusst von anderen Autoren abzuschreiben.

Gleichwohl betonen die Forscher, dass ihre Studie keine Daten über die tatsächlichen Abbruchquoten liefern könne. Denn einerseits sind Promovierende in Deutschland nicht erfasst, viele arbeiten abseits der Universität im stillen Kämmerlein vor sich hin; andererseits könne es sein, dass Betroffene bereits erste Recherchen als Promotionsbeginn definieren - oder eben nicht. Die amtliche Statistik erfasst nur die Zahl der erfolgreich abgeschlossenen Arbeiten, es sind jährlich etwa 25000. Darüber hinaus haben die Universitäten aber keine oder nur uneinheitlichen Daten über die Zeit zwischen dem Start und der Abgabe einer Arbeit. Im Zuge der Qualitätsdebatte nach dem Plagiat des CSU-Politikers Karl-Theodor zu Guttenberg hatte der Wissenschaftsrat die fehlende Datengrundlage scharf gerügt.


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