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'Ehre sei Russland'

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Der Schauspieler Gérard Depardieu gilt in Frankreich als wilder Kerl, dem man seine Eskapaden nachsehen muss. Aber dass er nun aus Protest gegen die Steuerpläne seiner Regierung einen fremden Pass annimmt, macht selbst Fans und Freunde fassungslos.

Paris/München - Der Schauspieler verspürte Erklärungsbedarf: Deswegen telefonierte er an Neujahr mit seinem Präsidenten, um Adieu zu sagen. Gérard Depardieu erklärte François Hollande, warum er Frankreich verlasse und Russe werde. Der Élysee bestätigte jetzt das Telefonat, schwieg sich aber über den Inhalt aus. Depardieu und einer seiner Freunde sind gesprächiger. Demnach sagte der Schauspieler dem Präsidenten, er finde es widerlich, dass in Frankreich erfolgreiche Menschen bespuckt würden. Daher nehme er die russische Staatsbürgerschaft von Wladimir Putin an und ziehe nach Moskau. Hollande soll ruhig geblieben sein.



Depardieu und Putin beim Besuch des Russischen Museums in St. Petersburg.

Weniger ruhig reagierte die französische Öffentlichkeit. 'Ich schäme mich für ihn', sagte der Philosoph André Glucksmann. Depardieu beleidige mit seinen Elogen auf Putin Franzosen und Russen, schimpfte ein Gewerkschaftsführer. Laurence Parsiot, Chefin des Unternehmerverbandes, findet den Fall schlicht 'tragisch'. Kommentatoren jammern: 'Quelle tristesse!' Ein sozialistischer Abgeordneter hofft: 'Seine russische Staatsbürgerschaft steht auf dem Papier. Depardieus Herz bleibt französisch.'

An dieser Stelle darf man eine Träne verdrücken und sich dann fragen, um was für ein Schauspiel es sich handelt. Staatsdrama? Promi-Farce? Die Franzosen lieben ihren Depardieu, egal was er tut. Sie nennen ihn 'monstre sacré', Superstar, und zärtlich 'Gégé'. Viele sind mit seinen Filmen groß geworden. Darin verkörpert Depardieu mal den schlitzohrigen Outlaw, mal Größen der Nationalgeschichte wie Danton und Balzac, mal Rüpel mit goldenem Herzen à la Obelix. Mit dieser Mischung hat der Sohn eines armen Blechschmieds und verkrachte Druckerlehrling die Herzen seiner Landsleute erobert - und das Kino in der ganzen Welt. In Frankreich gilt er als Monument. Die Statur dafür hat er.

Doch nun durchlebt die Liebe der Franzosen zu ihrem Monument schwere Wochen. Im Dezember kündigte Depardieu erst an, Belgier zu werden - offensichtlich um den hohen Steuern unter dem sozialistischen Präsidenten Hollande zu entgehen. Daraufhin schimpfte Premier Jean-Marc Ayrault, Depardieu handle 'erbärmlich'. Das wiederum erboste den eruptiven Bauchmenschen so, dass er drohte, seinen Pass zurückzugeben. Zugleich stellte er sein Empire-Palais in Paris zum Verkauf.

Etliche Franzosen schmunzelten. Ausgerechnet in das von ihnen belächelte Belgien wollte 'Gégé national' ziehen. Sie nahmen ihm das fast genauso wenig krumm wie andere Eskapaden, beispielsweise, wenn er in den Gang eines Air-France-Flugzeugs urinierte oder einen Autofahrer malträtierte. Auch Gégé wird eben alt, dachten sie mehr bekümmert als bestürzt. Das exzessive Leben nagt an ihm. Doch die neuste Wendung hat ihre eigene Qualität: Depardieu verlässt die Heimstatt der Menschenrechte und Verfolgten, um sich in Putins Reich zu flüchten.

Putain! (Verdammt noch mal!)

Schaudernd wird den Bürgern bewusst, dass sich ihr Lieblingsschauspieler schon länger in zweifelhaften Kreisen bewegt. Den tschetschenischen Gewaltherrscher Ramzan Kadyrow besuchte er zu dessen Geburtstag in Grosny. Ein Video zeigt den Franzosen, wie er auf Russisch von einer Bühne rief: 'Ruhm sei Kadyrow!' Eine schöpferische Freundschaft verbindet Depardieu mit Gulnara Karimowa, der ältesten Tochter des usbekischen Diktators Islam Karimow. Seit ihrem Studium in Harvard ist die heute 40-Jährige im internationalen Jetset unterwegs, designt eine Modelinie, entwirft Schmuck und veröffentlicht unter dem Namen GooGoosha süßlichen Ethno-Pop. In einem neuen Song singt Depardieu mit der Diktatorentochter im Duett. 'Excusez moi' rumpelt der Schauspieler ins Mikrofon, ein Auftritt, der wohl an das legendäre Duett Serge Gainsbourgs mit Jane Birkin erinnern soll. Ende November besuchte Depardieu Usbekistan und lobte das Land als 'großartige Nation'. Er bestätigte außerdem, in einen Film mitzuspielen, für den Karimowa das Drehbuch geschrieben hat. Appelle französischer Menschenrechtsorganisationen, sich nicht an Projekten Karimowas zu beteiligen, die 'eine tragende Rolle in einem diktatorischen Regime' spiele, verhallten.

Unter den Russen hält sich die Begeisterung über den neuen Mitbürger derweil in Grenzen. Nach der Bekanntgabe von Depardieus Einbürgerung kursierten im Internet Bilder von Plakaten, auf denen Demonstranten bekundeten, sie seien bereit, jede Reichensteuer zu bezahlen, wenn sie dafür die französische Staatsbürgerschaft bekämen. Der Regisseur Stanislaw Goworuchin, zuletzt Leiter von Putins Wahlkampfstab, sagte nur lapidar: 'Ein Säufer mehr.' Depardieu dagegen schwärmt in einem Brief an die Russen: 'Ich liebe Euren Präsidenten Wladimir Putin sehr.' Russland sei eine 'große Demokratie'. Vergleichbaren Unfug hat auch einmal ein deutscher Kanzler verbreitet.

Darf man einen Schauspieler für derlei Eskapaden geißeln? Vielleicht sollte man sich eher Sorgen machen. Denn Depardieu wird nicht, wie in einem seiner Filme, als Rasputin an den Hof des Zaren kommen, sondern als Tanzbär in Putins Staatstheater. 'Adieu Depardieu', trauern die einen Franzosen. 'Au revoir Gégé', auf Wiedersehen, hoffen die anderen.

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