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Geplatzte Träume

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Der Spanier Alfonso Gadea hat zwei Master-Abschlüsse und war Marketingdirektor. Als die Immobilienblase in seinem Land platzte, wurde der zweifache Vater arbeitslos. Nun versucht er sein Glück auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

Madrid - Als Alfonso Gadea vor 17 Jahren mit einigen Kommilitonen den Abschluss des Studiums feierte, kam das Gespräch darauf, was sie mit 40 alles erreicht haben wollten: einen gut bezahlten Führungsjob, ein Haus, ein schickes, teures Auto und natürlich eine Familie. Er war damals 24, hatte einen doppelten Master der Madrider Universität mit sehr guten Noten in den Fächern Marketing und Kommunikation. Die Welt schien nur auf ihn und seine Studienkollegen zu warten.



Gadea liest viel über den deutschen Arbeitsmarkt und das deutsche Arbeitsrecht.


Ein paar Monate nach seinem 40. Geburtstag ist im März 2012 seine Welt zusammengebrochen - er wurde arbeitslos. Und er hat die ersten grauen Haare deswegen bekommen. Dass es einmal so weit kommen würde, hätte er damals nach der Universität für völlig ausgeschlossen gehalten. Zwar war der Start ins Berufsleben Mitte der neunziger Jahre nicht einfach, Spanien erlebte eine Wirtschaftskrise. Darum bildete er sich weiter: Er perfektionierte sein Englisch an der Oklahoma University und machte einen Deutschkurs an einer Sprachenschule in Hamburg.

Dann begannen die Boomjahre in Spanien, gestützt von der Bau- und Immobilienbranche. Gadea bekam eine Stelle in der Marketingabteilung eines weltbekannten Konzerns: Coca-Cola. Er durchlief verschiedene Stationen, jedes Mal wurde nicht nur der Verantwortungsbereich größer, sondern auch das Gehalt.

Als er im zehnten Jahr für Coca-Cola arbeitete, bekam er das Angebot, im spanischen Immobilien-Konzern Lubasa die Leitung der Marketing-Abteilung zu übernehmen. Eine Herausforderung: Das Werbebudget lag bei 20 Millionen Euro, er hatte sechs festangestellte und einige freie Mitarbeiter. Es war das Jahr 2007, es wurde so viel gebaut wie nie zuvor, man feierte einen Umsatzrekord nach dem anderen, und seine Prämien stiegen: 'Wir haben hart gearbeitet und gut gelebt.'

Doch er war nicht einmal zwölf Monate auf seinem neuen Posten, als die Immobilienblase platzte und die Fiesta-Stimmung in der Branche beendete. 'Es ist müßig, heute darüber nachzudenken, ob ich nicht bei Coca-Cola hätte bleiben sollen', sagt er nun. Dort wäre sein Job vermutlich sicher gewesen, er hatte von seinen Vorgesetzten sehr gute Beurteilungen bekommen.

Der Lubasa-Konzern stieß Abteilung um Abteilung ab, anfangs wurden jede Woche ein paar Mitarbeiter entlassen, später waren es jede Woche Dutzende, insgesamt waren es 3000, die im Verlauf von zwei Jahren ihren Job verloren. Ziemlich am Schluss war auch seine Abteilung an der Reihe. Gadea hatte damit gerechnet. Also hatte er sich anderweitig umgesehen und konnte gleich bei einer Consultingfirma anfangen. Doch nach anderthalb Jahren holte ihn auch hier die Krise ein. Alles wiederholte sich: Erst gab es Gehaltskürzungen, dann verloren immer mehr Mitarbeiter ihre Stelle, bis es auch ihn traf.

Doch dieses Mal hatte er nichts in der Hinterhand. Es war ein tiefer Fall. Die Obergrenze für Arbeitslosenhilfe liegt in Spanien bei 1100 Euro im Monat. Für Gadea und seine Frau hatte das einschneidende Konsequenzen: Der Wagen wurde durch ein kleineres Modell ersetzt, und sie zogen in eine kleinere Wohnung um. Restaurant- und Theaterbesuche - gestrichen, ebenso der zweisprachige private Kindergarten für den vierjährigen Sohn und die Familienferien. Seine Frau hat versucht, in ihren früheren Beruf als Direktionsassistentin zurückzukehren. Doch auf die wenigen Stellen melden sich Dutzende von Bewerberinnen. Und die Gehälter, die angeboten werden, sind so miserabel, dass sie bestenfalls die Kosten für ein Kindermädchen decken würden, das ja dann gesucht werden müsste. Der zweite Sohn wurde vor einem Jahr geboren, als der Vater noch Arbeit hatte, aber schon das Schlimmste fürchtete.

'Man fühlt sich auf einmal so überflüssig', sagt Gadea. 'Und auch die Unsicherheit, ob es nicht noch schlimmer kommt, macht mir sehr zu schaffen.' Er arbeitet derzeit auf freier Basis für Ernst & Young, aber er weiß, dass dies auf wenige Wochen begrenzt ist. Wie Dutzende anderer Experten, die ihre gut dotierten Jobs verloren haben, besucht er nun Fortgeschrittenenkurse im Madrider Goethe-Institut.

Das grammatische Geschlecht, wo man bei jedem Substantiv den Artikel mitlernen muss, und die Adjektivendungen bereiten ihm zu den Alltagssorgen zusätzlich Kopfzerbrechen. 'Chancen auf einen Job in Deutschland habe ich nicht', sagt er. 'Die Deutschen suchen Ingenieure, keine Marketingleute.' Aber er möchte mit deutschen Bekannten eine Firma gründen, die spanische Fachleute an mittelständische Industriefirmen in der Bundesrepublik vermittelt, wo es an Technikern und Computerexperten fehlt. Zumindest schreibt das die Presse, und so hat es auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihren letzten beiden Besuchen in Madrid verkündet.

Also liest er viel über den deutschen Arbeitsmarkt, über deutsches Arbeitsrecht und über Unterschiede zwischen den Arbeitskulturen beider Länder. Immer wieder steht er lange vor der Deutschlandkarte in seinem Unterrichtsraum im Goethe-Institut.

Nebenbei führt er seinen Internet-Blog www.alfonsogadea.es - über Marketing. Er hat pro Monat etwa 1000 Leser. 'Ja, das ist brotlose Kunst', sagt er. 'Aber ich muss etwas tun, sonst fällt mir die Decke auf den Kopf.' Auf keinen Fall wolle er sich hängen lassen. Im Gegenteil: Diszipliniert hält der frühere Marketingdirektor einen täglichen Zeitplan ein.

Und in dem Blog weicht er keineswegs dem Thema Arbeitslosigkeit gerade in seiner Branche aus: 'Meine Erfahrungen können anderen helfen.'

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