Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Wie leben wir in 30 oder 50 Jahren? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Alanus von Radecki vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart. Der 32 Jahre alte Soziologe mit einem Master in Environmental Governance ist Projektmanager für das Innovationsnetzwerk 'Morgenstadt: City Insights' der Fraunhofer-Gesellschaft.
SZ: Wenn Sie an die Zukunft denken, erfüllt Sie das eher mit Zuversicht oder mit Sorge?
Alanus von Radecki: Sowohl als auch. Mit Zuversicht erfüllt mich, dass mittlerweile viele Unternehmen und die Politik begriffen haben, dass es einen großen Bedarf dafür gibt, nachhaltige Lösungen für Städte zu entwickeln. Hier wird tatsächlich über Unternehmens- und - in den Ministerien - teilweise auch über Ressortgrenzen hinweg zusammengearbeitet. Was mich sorgt, ist die Komplexität: Wenn man Städte nachhaltig gestalten will, spielen nicht nur Technologie oder Infrastruktur eine Rolle, sondern auch sehr stark menschliches Verhalten, wie etwa Gewohnheiten oder finanzielle Anreize. Noch existiert kein ausreichendes Verständnis dafür, wie man ein so komplexes soziotechnisches System in die richtige Richtung lenkt.
Wie werden die Städte der Zukunft aussehen?
Was ist das Ziel des Netzwerks 'Morgenstadt: City Insights', für das sich zwölf Fraunhofer-Institute zusammengeschlossen haben?
Je stärker wir uns mit dem Thema Stadt beschäftigt haben, desto stärker ist uns klar geworden: Es fehlt die übergreifende Klammer. Wir haben in unterschiedlichen Bereichen sehr viele gute und sehr nachhaltige Lösungen, aber es gibt noch nicht den Ansatz, der versucht, eine Stadt als Ganzes zu verstehen und zu entwickeln. Mit dem Anspruch hat sich das Netzwerk formiert. Das Ziel ist es, Erfolgsfaktoren für die nachhaltige Transformation von Städten zu identifizieren, um den Wandel in die richtige Richtung zu treiben und zu beschleunigen.
Um was geht es dabei genau?
Es geht zunächst darum, systematisch zu erforschen, was gut läuft und warum. Dafür betrachten wir verschiedene Lösungen und Ansätze in sechs Städten, die wir als Vorreiter für nachhaltige Lösungen identifiziert haben. Im Februar geht es mit Freiburg los, dann folgen Kopenhagen, New York, Berlin, Singapur und Tokio. Wir gehen mit einem Team von fünf bis acht Experten zwei bis drei Wochen in jede Stadt, forschen dort und werten dann bis Oktober die Daten aus den Interviews und Begehungen aus, um so etwas wie allgemeingültige Erfolgskriterien für den Wandel zu nachhaltigen Städten zu identifizieren. Wir wollen dabei die Bedürfnisse unserer Projektpartner, Unternehmen und Städte, aufnehmen und behandeln.
Sind deutsche Städte für künftige Herausforderungen denn gewappnet?
Einige sind es, andere sind es nicht. Das größte Problem, das wir meiner Ansicht nach in Deutschland haben, sind die klammen Kommunalkassen. Städte haben auf ihren Stadtraum nicht mehr den Einfluss, den sie bräuchten, um hier aktiv eine nachhaltige Transformation voranzutreiben. Einer Kommune ist es beispielsweise nicht möglich, sozialen Wohnraum zu schaffen oder für eine gute Durchmischung zu sorgen, wenn sie nicht auch Eigentümer von ausreichend Grund ist. Wenn alles auf dem freien Markt geschieht, entwickeln sich die Städte so, dass auf bestimmten Gebieten Problemviertel entstehen und in den sehr guten Lagen die Preise explodieren. Für eine nachhaltige Stadt braucht es aber eine Durchmischung und eine bestimmte Kleinräumigkeit, auch im Gewerbe. Hierfür muss eine Stadt auch in der Lage sein, Bedingungen zu stellen für den Grundstückserwerb oder den Hauskauf sowie die richtigen Anreize in Richtung ökologischem Umbau zu setzen. Das kann sie nur, wenn sie auch über entsprechende Mittel verfügt.
Was für einen Platz hat denn dann noch ausgefallene Architektur?
Architektur ist die Disziplin, die einer Stadt ihr Gesicht gibt, insofern wird es immer einen Platz dafür geben. Städte konkurrieren ja auch um die besten Köpfe - dabei ist Lebensqualität und Identität ein wichtiger Faktor. Bestimmte architektonische Merkmale können sehr identitätsstiftend wirken, auch für eine Siedlung.
Worin wird sich die Stadt der Zukunft von jener heute unterscheiden?
Städte entwickeln sich individuell und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Ein gemeinsames Transformationselement wird sein, dass das Automobil in seiner heutigen Form aus der Stadt verschwindet. Der Verkehr wird leise und sauber sein. Es wird in den Städten Energieerzeugung und Energienutzung dezentraler Art geben, aber das verändert das Gesicht der Stadt nicht sonderlich. Auch die unterschiedlichsten Systeme, die man derzeit zur Verbindung verschiedener Siedlungsstrukturen entwickelt, um die Abwärme beispielsweise für die Heizung von Gebäuden zu nutzen, laufen im Hintergrund. IT wird eine sehr tragende Rolle spielen, Gimmicks wie die Mülltonne, die von selbst meldet, wenn sie voll ist. Städtische Dienstleistungen und Systeme werden smart gesteuert sein, auch wenn sich die Städte damit angreifbar machen.
Was lässt sich nicht planen?
Der Mensch - und Innovationen. Wenn in einem Bereich plötzlich eine radikale Innovation passiert, ein Game Changer, kann damit eine Entwicklung losgetreten werden, die vorher niemand antizipiert hat. Wenn irgendwo auf der Welt eine Erfindung wie das Internet gemacht und umgesetzt wird, müssen die Karten neu gemischt werden.
SZ: Wenn Sie an die Zukunft denken, erfüllt Sie das eher mit Zuversicht oder mit Sorge?
Alanus von Radecki: Sowohl als auch. Mit Zuversicht erfüllt mich, dass mittlerweile viele Unternehmen und die Politik begriffen haben, dass es einen großen Bedarf dafür gibt, nachhaltige Lösungen für Städte zu entwickeln. Hier wird tatsächlich über Unternehmens- und - in den Ministerien - teilweise auch über Ressortgrenzen hinweg zusammengearbeitet. Was mich sorgt, ist die Komplexität: Wenn man Städte nachhaltig gestalten will, spielen nicht nur Technologie oder Infrastruktur eine Rolle, sondern auch sehr stark menschliches Verhalten, wie etwa Gewohnheiten oder finanzielle Anreize. Noch existiert kein ausreichendes Verständnis dafür, wie man ein so komplexes soziotechnisches System in die richtige Richtung lenkt.
Wie werden die Städte der Zukunft aussehen?
Was ist das Ziel des Netzwerks 'Morgenstadt: City Insights', für das sich zwölf Fraunhofer-Institute zusammengeschlossen haben?
Je stärker wir uns mit dem Thema Stadt beschäftigt haben, desto stärker ist uns klar geworden: Es fehlt die übergreifende Klammer. Wir haben in unterschiedlichen Bereichen sehr viele gute und sehr nachhaltige Lösungen, aber es gibt noch nicht den Ansatz, der versucht, eine Stadt als Ganzes zu verstehen und zu entwickeln. Mit dem Anspruch hat sich das Netzwerk formiert. Das Ziel ist es, Erfolgsfaktoren für die nachhaltige Transformation von Städten zu identifizieren, um den Wandel in die richtige Richtung zu treiben und zu beschleunigen.
Um was geht es dabei genau?
Es geht zunächst darum, systematisch zu erforschen, was gut läuft und warum. Dafür betrachten wir verschiedene Lösungen und Ansätze in sechs Städten, die wir als Vorreiter für nachhaltige Lösungen identifiziert haben. Im Februar geht es mit Freiburg los, dann folgen Kopenhagen, New York, Berlin, Singapur und Tokio. Wir gehen mit einem Team von fünf bis acht Experten zwei bis drei Wochen in jede Stadt, forschen dort und werten dann bis Oktober die Daten aus den Interviews und Begehungen aus, um so etwas wie allgemeingültige Erfolgskriterien für den Wandel zu nachhaltigen Städten zu identifizieren. Wir wollen dabei die Bedürfnisse unserer Projektpartner, Unternehmen und Städte, aufnehmen und behandeln.
Sind deutsche Städte für künftige Herausforderungen denn gewappnet?
Einige sind es, andere sind es nicht. Das größte Problem, das wir meiner Ansicht nach in Deutschland haben, sind die klammen Kommunalkassen. Städte haben auf ihren Stadtraum nicht mehr den Einfluss, den sie bräuchten, um hier aktiv eine nachhaltige Transformation voranzutreiben. Einer Kommune ist es beispielsweise nicht möglich, sozialen Wohnraum zu schaffen oder für eine gute Durchmischung zu sorgen, wenn sie nicht auch Eigentümer von ausreichend Grund ist. Wenn alles auf dem freien Markt geschieht, entwickeln sich die Städte so, dass auf bestimmten Gebieten Problemviertel entstehen und in den sehr guten Lagen die Preise explodieren. Für eine nachhaltige Stadt braucht es aber eine Durchmischung und eine bestimmte Kleinräumigkeit, auch im Gewerbe. Hierfür muss eine Stadt auch in der Lage sein, Bedingungen zu stellen für den Grundstückserwerb oder den Hauskauf sowie die richtigen Anreize in Richtung ökologischem Umbau zu setzen. Das kann sie nur, wenn sie auch über entsprechende Mittel verfügt.
Was für einen Platz hat denn dann noch ausgefallene Architektur?
Architektur ist die Disziplin, die einer Stadt ihr Gesicht gibt, insofern wird es immer einen Platz dafür geben. Städte konkurrieren ja auch um die besten Köpfe - dabei ist Lebensqualität und Identität ein wichtiger Faktor. Bestimmte architektonische Merkmale können sehr identitätsstiftend wirken, auch für eine Siedlung.
Worin wird sich die Stadt der Zukunft von jener heute unterscheiden?
Städte entwickeln sich individuell und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Ein gemeinsames Transformationselement wird sein, dass das Automobil in seiner heutigen Form aus der Stadt verschwindet. Der Verkehr wird leise und sauber sein. Es wird in den Städten Energieerzeugung und Energienutzung dezentraler Art geben, aber das verändert das Gesicht der Stadt nicht sonderlich. Auch die unterschiedlichsten Systeme, die man derzeit zur Verbindung verschiedener Siedlungsstrukturen entwickelt, um die Abwärme beispielsweise für die Heizung von Gebäuden zu nutzen, laufen im Hintergrund. IT wird eine sehr tragende Rolle spielen, Gimmicks wie die Mülltonne, die von selbst meldet, wenn sie voll ist. Städtische Dienstleistungen und Systeme werden smart gesteuert sein, auch wenn sich die Städte damit angreifbar machen.
Was lässt sich nicht planen?
Der Mensch - und Innovationen. Wenn in einem Bereich plötzlich eine radikale Innovation passiert, ein Game Changer, kann damit eine Entwicklung losgetreten werden, die vorher niemand antizipiert hat. Wenn irgendwo auf der Welt eine Erfindung wie das Internet gemacht und umgesetzt wird, müssen die Karten neu gemischt werden.