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Ein Sorry und eine SMS

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Die Opfer von Armstrong reagieren enttäuscht auf den Auftritt bei Oprah Winfrey. Eine tatsächliche Entschuldigung blieb aus.

München - Nur ein paar Stunden nach Lance Armstrong hatte auch Emma O"Reilly ihren Fernseh-Auftritt. Nicht bei der großen Oprah Winfrey, in der Sendung Daybreak des britischen Privatkanals ITV. Da saß die Irin nun also und sagte zu den Ausführungen des längst überführten und nun geständigen Dopingsünders: Das seien doch alles alte Nachrichten, 'er hat nicht einmal begonnen zu bezahlen für das, was er getan hat'.



Lance Armstrong hat vieles erklärt. Sich deutlich entschuldigt hat er nicht.

Emma O'Reilly ist aus zwei Gründen exemplarisch für Armstrongs Umgang mit seinem langjährigen Dopingbetrug: Zum einen, weil sich bei ihr zeigt, wie rabiat und vernichtungsgetrieben sich Armstrong gegenüber Menschen verhalten konnte, die ihn des Dopings bezichtigten. Und zum anderen, weil sich bei ihr zeigt, wie selbstgefällig Armstrong selbst jetzt, in der Stunde seines vorgeblichen Bedauerns, mit den Menschen umgeht, die ihm damals des Dopings bezichtigten.

Ende der Neunziger arbeitete O'Reilly als Masseurin und Assistentin beim US-Postal-Team von Lance Armstrong. 2000 endete ihre Zeit dort, vier Jahre später trat sie in dem Buch L.A. Confidential des Journalisten David Walsh als Kronzeugin auf. Darin berichtete sie als eine der Ersten von Armstrongs Doping-Vergehen; von der Einnahme verbotener Substanzen, einem nachgereichten Attest oder dem Versuch, mit ihrer Schminke die Nadeleinstiche zu kaschieren. 'Emma, jetzt weißt du genug, um mich fertig zu machen', soll Armstrong zu ihr während einer Beinmassage gesagt haben. Doch als die Irin ihr Wissen kundtat, machte nicht sie Armstrong fertig, sondern sie wurde von Armstrong fertig gemacht - so wie später Betsy und Frank Andreu, Filippo Simeoni, Floyd Landis und all die anderen, die die Dopingvergehen des Amerikaners thematisierten. Armstrong verklagte O"Reilly und beschimpfte sie als Prostituierte und Alkoholikerin. 'Ich habe mich noch nie in meinem Leben so gejagt gefühlt', sagte sie.

Emma O'Reilly hätte also einiges erwarten können, als Lance Armstrong im ersten Teil seines Auftritts bei Oprah Winfrey auf seine Verfehlungen zu sprechen kam. Doch statt eines ausführlichen Bedauerns gab es nur ein knappes Statement ('Emma O'Reilly ist eine der Personen, bei denen ich mich entschuldigen muss') - und auf Oprah Winfreys Frage, ob er seine frühere Masseurin verklagt hatte, antwortete der 41-Jährige: 'Um ehrlich zu sein, Oprah, wir haben so viele Leute verklagt, ich weiß es gar nicht.' Nun, Armstrong und seine Advokaten haben im Laufe der Jahre tatsächlich zahlreiche Personen oder Institutionen verklagt, aber ob man so ein wichtiges Detail tatsächlich vergisst? Und so klang diese Einlassung ähnlich deplatziert wie sein Beitrag über Betsy Andreu, die Frau seines langjährigen Teamkollegen Frankie Andreu, mit dem gemeinsam sie vor knapp zehn Jahren in einem Prozess berichtet hatte, dass Armstrong ihnen die Einnahme des Dopingmittels Epo gestanden habe. In einem Entschuldigungsgespräch, so führte Armstrong bei Oprah Winfrey aus, habe er zu Andreu gesagt: 'Ich habe dich verrückt genannt. Ich habe dich eine Schlampe genannt. Aber ich habe dich nie fett genannt.' Sie sei wirklich enttäuscht über Armstrongs Auftritt, sagte Betsy Andreu bei CNN.

Ähnlich erging es Emma O'Reilly. Am vergangenen Sonntag, also kurz vor der Aufzeichnung des Gesprächs bei Oprah Winfrey, habe Lance Armstrong versucht, sie telefonisch zu erreichen, und eine SMS geschickt: 'Das ist Lance, ruf mich bitte an, danke.' O"Reilly will jetzt, wo öffentlich bezeugt ist, wie richtig ihre Ausführungen von damals waren, Armstrong zwar nicht verklagen. Aber ein einfaches sorry, so sagte sie bei Daybreak, könne sie nicht akzeptieren.

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