Französische Soldaten und die malische Armee kämpfen an zwei Fronten gegen die Islamisten - Beobachter sind dabei unerwünscht.
Sévaré - Außerhalb von Sévaré ist niemand auf den Straßen unterwegs, nur ein Soldat. Er soll externe Beobachter höflich davon abhalten, die Stadt zu verlassen. Es ist ein Krieg im Geheimen, der in Mali gegen die bewaffneten Islamisten geführt wird. Die französische und die malische Armee kämpfen an der Grenze zwischen Norden und Süden, und zwar an zwei Fronten.
In Mali bleibt die Lage weiterhin gespannt.
Die erste Front liegt bei Konna, einer kleinen ländlichen Stadt, 70 Kilometer von Sévaré entfernt. Bis zu diesem Punkt waren die Islamisten auf ihren Vormarsch Richtung Mopti am 10.Januar gekommen, bevor sie tags darauf von den französischen Luftschlägen gestoppt wurden. Mitte der vergangenen Woche fanden dort Bodengefechte statt, an denen laut lokalen Quellen 'Weiße' beteiligt waren. Nach Angaben von Oberst Didier Dacko, der die Operationen der malischen Armee in dieser strategisch wichtigen Region leitet, haben die Gefechte 15 Kilometer von der Stadt entfernt stattgefunden. Die malische Armee habe dort nur leichte Verluste hinnehmen müssen. Der Großteil der feindlichen Kräfte sei 'auf dem Weg Richtung Norden', während die malischen Soldaten noch gegen die 'verbleibenden Elemente' vorgingen.
'Wir säubern ihre Höhlen, um nicht überrascht zu werden', sagt ein zweiter malischer Offizier, Hauptmann Ibrahim Sanogo. Die Islamisten seien in großer Eile geflüchtet; ihre Pick-Ups hätten sie zurückgelassen: 'Sie hatten kein Benzin.'
Wer die Straße Richtung Douentza kontrolliert, ist noch unklar. Das sei ein nicht wirklich kontrollierbares Gebiet, sagt der Hauptmann. Issaka Bathily, Präfekt von Douentza, der schon vor Monaten nach Mopti geflohen ist, kann das bestätigen. In der Umgebung von Douentza böten sich Schluchten und manchmal auch Höhlen als Verstecke an. Auch wenn der Großteil der Islamisten sich von den Städten fernhält, lassen die Verbündeten von 'al-Qaida im Islamischen Maghreb' (Aqim) - Ansar Dine und Mujao - einige kleine Gruppen von Kämpfern zurück, die das undurchsichtige Terrain für Guerrilla-Attacken nutzen wollen. Das Klima des Misstrauens wird noch dadurch verstärkt, dass es in den Gebieten unter Regierungskontrolle Sympathisanten der Islamisten gibt. All das trägt zu einer Atomsphäre bei, die in Exzessen zu münden droht.
Oumar Bathily, Bürgermeister von Mopti, ist entsetzt, dass man es in einer so aufgeregten Zeit vergessen kann, sich zu rasieren - wo es doch besser ist, jegliches Haar im Gesicht zu vermeiden. Man habe den Sympathisanten der Islamisten zu verstehen gegeben, dass sie sich abgrenzen müssten, sagt Bathily. Aber wie sollen sich Anhänger des politischen Islam von den bewaffneten Islamisten erkennbar distanzieren? Der Bürgermeister verweist auf Äußerlichkeiten: 'Die Bärte müssen rasiert werden, die Hosen verlängert.'
An der zweiten Front, an der die französische und malische Armee kämpfen, in Diabali, gibt es die gleichen Ängste wie an der ersten. 150 Kilometer Luftlinie ist die Stadt von Konna entfernt. Die islamistischen Kämpfer haben Diabali verlassen, ohne direkte Gefechte. Trotzdem sollen in der Region bereits Gräueltaten begangen worden sein. Tuareg-Kreisen berichten von mehreren Morden durch malische Sicherheitskräfte. Fünf Menschen sollen nahe Niono getötet worden sein, südlich von Diabali.
Gefährlich ist, dass verschiedene Ethnien nun mit Rebellengruppen in einen Topf geworfen werden, und das Misstrauen geht über die ethnischen Kategorien hinaus. Die Suche nach den 'collabos', wie die Sympathisanten der Islamisten jetzt in Mali genannt werden, gleicht schon einer Menschenjagd. Eine Journalistin der Zeitung L'Express hat recherchiert, dass die malischen Sicherheitskräfte Massaker begangen haben sollen. In dem Bezirk Waillhirdé hätten uniformierte Soldaten in aller Öffentlichkeit Leichen in eine Grube geworfen, es sollen 'Rebellen' gewesen sein, berichtet sie. Augenzeugen sprechen von 25 bis 30 verscharrten Leichen.
Ein 'stark erhöhtes Potenzial für Gewalt und Racheakte' herrscht laut Yvan Guichaoua von der Universität East Anglia dort, wo malische Armee und regierungstreue Milizen vormarschieren. Djibril Diallo ist der Chef von Ganda Koy, der wichtigsten dieser Milizen. Diallo wartet auf den Befehl, mit seinen 2642 Mann an die Front zu ziehen. Wenn es Massaker gegeben habe, dann als Folge von Unterwanderung, sagt er. Seine Leute machten keinen Unterschied zwischen den Tuareg und der Tuareg-Bewegung MNLA. Die MNLA hatte den Norden des Landes vergangenes Jahr in Allianz mit den Islamisten erobert. Es seien alles Komplizen, meint Diallo.
Plötzlich geht es um ethnische Fragen, um Hautfarben: 'Schwarze' gegen 'Weiße' oder 'Rote' (die Tuareg). 'In unserer Stadt kommt eine Rot-Haut nicht sehr weit', warnt Ibrahim Diallo, der Chef einer Miliz. Die regierungstreuen Kämpfer haben sich neu aufgestellt, aber sie haben noch nicht viele Waffen bekommen. Sie laufen Gefahr, dass ihnen 'der schwarze Peter für Fehlverhalten zugeschoben wird', ist ein Beobachter der Region überzeugt. 'Das wurde schon in den Neunzigerjahren beobachtet: Die Armee mordet in einer Region, dann werden die Milizen dafür verantwortlich gemacht.'
Jean-Philippe Rémy ist Afrikakorrespondent von Le Monde. Übersetzung: Caroline Ischinger
Sévaré - Außerhalb von Sévaré ist niemand auf den Straßen unterwegs, nur ein Soldat. Er soll externe Beobachter höflich davon abhalten, die Stadt zu verlassen. Es ist ein Krieg im Geheimen, der in Mali gegen die bewaffneten Islamisten geführt wird. Die französische und die malische Armee kämpfen an der Grenze zwischen Norden und Süden, und zwar an zwei Fronten.
In Mali bleibt die Lage weiterhin gespannt.
Die erste Front liegt bei Konna, einer kleinen ländlichen Stadt, 70 Kilometer von Sévaré entfernt. Bis zu diesem Punkt waren die Islamisten auf ihren Vormarsch Richtung Mopti am 10.Januar gekommen, bevor sie tags darauf von den französischen Luftschlägen gestoppt wurden. Mitte der vergangenen Woche fanden dort Bodengefechte statt, an denen laut lokalen Quellen 'Weiße' beteiligt waren. Nach Angaben von Oberst Didier Dacko, der die Operationen der malischen Armee in dieser strategisch wichtigen Region leitet, haben die Gefechte 15 Kilometer von der Stadt entfernt stattgefunden. Die malische Armee habe dort nur leichte Verluste hinnehmen müssen. Der Großteil der feindlichen Kräfte sei 'auf dem Weg Richtung Norden', während die malischen Soldaten noch gegen die 'verbleibenden Elemente' vorgingen.
'Wir säubern ihre Höhlen, um nicht überrascht zu werden', sagt ein zweiter malischer Offizier, Hauptmann Ibrahim Sanogo. Die Islamisten seien in großer Eile geflüchtet; ihre Pick-Ups hätten sie zurückgelassen: 'Sie hatten kein Benzin.'
Wer die Straße Richtung Douentza kontrolliert, ist noch unklar. Das sei ein nicht wirklich kontrollierbares Gebiet, sagt der Hauptmann. Issaka Bathily, Präfekt von Douentza, der schon vor Monaten nach Mopti geflohen ist, kann das bestätigen. In der Umgebung von Douentza böten sich Schluchten und manchmal auch Höhlen als Verstecke an. Auch wenn der Großteil der Islamisten sich von den Städten fernhält, lassen die Verbündeten von 'al-Qaida im Islamischen Maghreb' (Aqim) - Ansar Dine und Mujao - einige kleine Gruppen von Kämpfern zurück, die das undurchsichtige Terrain für Guerrilla-Attacken nutzen wollen. Das Klima des Misstrauens wird noch dadurch verstärkt, dass es in den Gebieten unter Regierungskontrolle Sympathisanten der Islamisten gibt. All das trägt zu einer Atomsphäre bei, die in Exzessen zu münden droht.
Oumar Bathily, Bürgermeister von Mopti, ist entsetzt, dass man es in einer so aufgeregten Zeit vergessen kann, sich zu rasieren - wo es doch besser ist, jegliches Haar im Gesicht zu vermeiden. Man habe den Sympathisanten der Islamisten zu verstehen gegeben, dass sie sich abgrenzen müssten, sagt Bathily. Aber wie sollen sich Anhänger des politischen Islam von den bewaffneten Islamisten erkennbar distanzieren? Der Bürgermeister verweist auf Äußerlichkeiten: 'Die Bärte müssen rasiert werden, die Hosen verlängert.'
An der zweiten Front, an der die französische und malische Armee kämpfen, in Diabali, gibt es die gleichen Ängste wie an der ersten. 150 Kilometer Luftlinie ist die Stadt von Konna entfernt. Die islamistischen Kämpfer haben Diabali verlassen, ohne direkte Gefechte. Trotzdem sollen in der Region bereits Gräueltaten begangen worden sein. Tuareg-Kreisen berichten von mehreren Morden durch malische Sicherheitskräfte. Fünf Menschen sollen nahe Niono getötet worden sein, südlich von Diabali.
Gefährlich ist, dass verschiedene Ethnien nun mit Rebellengruppen in einen Topf geworfen werden, und das Misstrauen geht über die ethnischen Kategorien hinaus. Die Suche nach den 'collabos', wie die Sympathisanten der Islamisten jetzt in Mali genannt werden, gleicht schon einer Menschenjagd. Eine Journalistin der Zeitung L'Express hat recherchiert, dass die malischen Sicherheitskräfte Massaker begangen haben sollen. In dem Bezirk Waillhirdé hätten uniformierte Soldaten in aller Öffentlichkeit Leichen in eine Grube geworfen, es sollen 'Rebellen' gewesen sein, berichtet sie. Augenzeugen sprechen von 25 bis 30 verscharrten Leichen.
Ein 'stark erhöhtes Potenzial für Gewalt und Racheakte' herrscht laut Yvan Guichaoua von der Universität East Anglia dort, wo malische Armee und regierungstreue Milizen vormarschieren. Djibril Diallo ist der Chef von Ganda Koy, der wichtigsten dieser Milizen. Diallo wartet auf den Befehl, mit seinen 2642 Mann an die Front zu ziehen. Wenn es Massaker gegeben habe, dann als Folge von Unterwanderung, sagt er. Seine Leute machten keinen Unterschied zwischen den Tuareg und der Tuareg-Bewegung MNLA. Die MNLA hatte den Norden des Landes vergangenes Jahr in Allianz mit den Islamisten erobert. Es seien alles Komplizen, meint Diallo.
Plötzlich geht es um ethnische Fragen, um Hautfarben: 'Schwarze' gegen 'Weiße' oder 'Rote' (die Tuareg). 'In unserer Stadt kommt eine Rot-Haut nicht sehr weit', warnt Ibrahim Diallo, der Chef einer Miliz. Die regierungstreuen Kämpfer haben sich neu aufgestellt, aber sie haben noch nicht viele Waffen bekommen. Sie laufen Gefahr, dass ihnen 'der schwarze Peter für Fehlverhalten zugeschoben wird', ist ein Beobachter der Region überzeugt. 'Das wurde schon in den Neunzigerjahren beobachtet: Die Armee mordet in einer Region, dann werden die Milizen dafür verantwortlich gemacht.'
Jean-Philippe Rémy ist Afrikakorrespondent von Le Monde. Übersetzung: Caroline Ischinger