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'Sie brauchen uns'

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Huweida Abdelaziz ist eine von 350 Polizistinnen in Ägypten. Frauen in Uniform sind dort immer noch die Ausnahme. Doch das islamische geprägte Land benötigt Ordnungshüterinnen.

Kairo - Huweida Abdelaziz zögert wenige Sekunden, dann drückt sie mehrmals auf den Abzug ihrer Pistole. Eine Kugel trifft die Brust des Pappkameraden, die anderen verschwinden in der Ferne. 'Wenn Du auch nur eine Sekunde zögerst, bist Du tot', schreit ihr Ausbilder. Bei den nächsten Versuchen ist die Ägypterin schneller. Sie trifft das Herz, den Oberschenkel, die Schulter. Der Ausbilder ist zufrieden, Huweida auch: Dafür, dass sie seit 18 Monaten keine Waffe mehr in der Hand hatte, war das kein schlechter Anfang. Sie macht mit neun männlichen Kollegen einen zweitägigen Auffrischungskurs für den sicheren Umgang mit Waffen. Huweida Abdelaziz ist Polizistin.



Die ägyptische Polizei braucht die weibliche Verstärkung

Die 22-Jährige Polizeimeisterin ist groß, gut gebaut, verschleiert und eine von etwa 350 weiblichen Polizisten, die in Ägypten zur Zeit im Dienst sind. Sie arbeitet in der Verwaltung des Polizeisportclubs. Dort braucht sie keine Waffe, was ihr recht ist - denn sie möchte möglichst keine Gewalt ausüben müssen. Nach einem abgeschlossenem Sportwissenschaftsstudium entschied sie sich für die Ausbildung an der ägyptischen Polizeiakademie. Ihre Familie, und vor allem ihr Vater, ein pensionierte Polizeigeneral, unterstützte sie. Und das, obwohl dieser von Männern dominierte Beruf nicht zu dem Bild der traditionellen Frau Ägyptens passt.

In der islamischen Gesellschaft herrscht eine traditionelle Rollenverteilung: Noch immer sind die Frauen den Männern beruflich nicht gleichgestellt. Vor der Revolution im Jahr 2011 waren nur knapp 30 Prozent der Frauen erwerbstätig. Das hat sich bis heute nicht verändert - im Gegenteil. Die Emanzipation erlebt eher noch Rückschritte: Im ersten frei gewählten Parlament, das Juni letzten Jahres per Gerichtsurteil schon wieder aufgelöst wurde, waren nur zwei Prozent der Abgeordneten Frauen. Die Quotenregelung, nach der mindestens zwölf Prozent der Abgeordneten Frauen sein sollten, war von dem damals regierenden Militärrat abgeschafft worden. Die Rechte der Frauen geraten immer mehr in den Hintergrund, die politische Partizipation nimmt ab.

Davon will Huweida Abdelaziz nichts wissen. 'Es gibt keinen Beruf, den die Frau nicht ausüben kann oder darf. Wir können bei der Polizei inzwischen zum Generalmajor aufsteigen und verdienen genauso viel wie die männlichen Kollegen', sagt sie. In ihrem Fall sind das umgerechnet etwa 420 Euro. 'Selbst beim Militär gibt es Frauen', fügt sie hinzu. Sie glaubt nicht, dass die islamistisch geprägte Verfassung, die letzten Monat von den Islamisten in einem Schnellverfahren durchgepeitscht wurde, etwas daran ändern wird. Es beunruhigt sie auch nicht, dass die Rechte der Frauen in dem Grundgesetz, das sie bis heute nicht gelesen hat, stark benachteiligt werden. Sie ist überzeugt, dass die Islamisten nicht auf die berufstätigen Frauen verzichten können. 'Sie brauchen uns. Strenggläubige lassen ihre Ehefrauen nur von Frauen medizinisch versorgen. Auch dürfen Männer nicht unter die Gesichtsschleier fremder Frauen schauen', sagt sie. Daher werden immer mehr Frauen bevorzugt an Flughäfen eingesetzt.

Abdelaziz hat sich ihre Stelle im Sportclub allerdings nicht ausgesucht, sie wurde vom Innenministerium dort eingesetzt. Jedes Jahr bestimmt das Ministerium, wie viele Bewerberinnen die Akademie aufnehmen kann. Es gibt keine festgelegten Kontingente, es hängt von dem tatsächlichen Bedarf des Ministeriums ab. Zur Zeit von Abdelaziz" Ausbildung waren es 36 Frauen. Dieses Jahr sind es nur 26 Frauen - neben knapp 6000 Polizeistudenten, die zurzeit an der Akademie ihren Beruf lernen.

Die in 1975 in Kairo gegründete Polizeiakademie war damals nur Männern vorbehalten. Frauen wurden erst ab 1983 zugelassen. Während das Studium auch heute bei den Männern gleich nach dem ägyptischen Abitur beginnt, vier Jahre dauert und sie nach Beendigung ausgebildete Polizisten und Diplom-Juristen sind, dauert die Ausbildung der Frauen nur ein Jahr. Dafür ist ein abgeschlossenes Studium Bedingung für deren Aufnahme.

Seit die Akademie 1998 aus Abassia im Zentrum der ägyptischen Hauptstadt nach New Cairo zog, einer Satellitenstadt in der Wüste, übernachten auch die Frauen auf dem Campus, natürlich weit von den Männern entfernt. Nur einige Vorlesungen werden gemeinsam besucht. Auch bei den Schießübungen und beim Reiten trifft man sich, doch es herrscht absolutes Redeverbot zwischen den Geschlechtern. Jeglicher Kontakt ist auf dem Campus verboten. 'Daran halten sich auch alle Studenten', sagt Major Mona Refaei. Die 32-Jährige absolvierte die Polizeiakademie 2001, mit sieben anderen Frauen. Seitdem arbeitet sie an der Akademie. Sie ist für die Studentinnen zuständig. Schon als Kind stand für sie fest, dass sie Polizistin werden würde. Die dreifache Mutter kommt aus einer Polizistenfamilie: Vater, Bruder, Onkel und auch Ehemann sind Ordnungshüter. Alle unterstützten ihre Entscheidung: Zuerst studierte sie Sportwissenschaft, dann ging sie an die Akademie.

In der zwölfmonatigen Ausbildung bekommen die Frauen die nötigen Kenntnisse über Selbstverteidigung, Menschenrechte, Waffenkunde, Festnahmen und Gesetzeskunde vermittelt. Auf dem Stundenplan stehen auch Reiten, Autofahren und Mechanik. Schwimmen und andere körperlich anstrengende Sportarten müssen dagegen nur die Männer absolvieren. Belohnt werden die Frauen am Ende der Ausbildung mit einem Zertifikat in 'Sicherheitswissenschaft', das sie zu anerkannten Polizistinnen macht.

Auf Polizeistationen und an Polizeikontrollen werden Uniformträgerinnen trotzdem nicht so schnell zu sehen sein. 'Nach dreißig Jahren ist der Anblick einer Frau in Uniform zwar nichts Ungewöhnliches mehr, aber so weit ist das Land nun auch wieder nicht', sagt Major Mona Refaei. Stattdessen werden die Frauen in Gefängnissen, Flughäfen, Krankenhäusern und auch zur Bekämpfung von Drogenhandel eingesetzt. Hin und wieder sind sie bei kleineren Demonstrationen zu sehen. Dann sind sie bei der Öffentlichen Sicherheit tätig, dort sind Frauen allerdings in der Minderheit. 'Noch', sagt Refaei optimistisch.

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