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Die Suche nach dem goldenen Keks

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Der Gebäckhersteller Bahlsen vermisst sein 100 Jahre altes Firmenwahrzeichen. Haben Scherzkekse das Ding geklaut?

Der Leibniz-Keks ist das Aushängeschild der Firma Bahlsen. 52 Zähne hat der Original-Leibniz-Keks, der nach dem hannoverschen Gelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz benannt ist. 1891 entwarf Hermann Bahlsen sein Meisterwerk, seitdem wurde es kaum verändert. Er hat nicht nur die Form für den industriell hergestellten Butterkeks erfunden, sondern auch das deutsche Wort für die aus Großbritannien stammenden "cakes". Das zackige Gebäck gilt als deutscher Design-Klassiker und wird in einem Atemzug genannt mit dem Porsche 911 und der Edition Suhrkamp.





Der Leibniz-Keks ist auch im wörtlichen Sinne das Aushängeschild von Bahlsen - besser gesagt, er war es. Ein vergoldeter Leibniz-Keks aus Metall, 40 mal 50 Zentimeter groß, hing bis vor Kurzem am Stammhaus in Hannover, getragen von zwei "Brezelmännern" aus Bronze. Seit 1913 zierte der Gold-Keks die Außenfassade des Jugendstilgebäudes in der Innenstadt von Hannover. Nun fiel einem Mitarbeiter auf: Der Keks ist weg! Es gibt keine Krümel, keine Spuren, nichts.

Wie konnte es passieren, dass Diebe einen 20 Kilo schweren Riesen-Keks von einem Haus im Zentrum Hannovers abschrauben, an einer viel befahrenen Straße? Bei Bahlsen ist man zerknirscht. "Ich bin wirklich fassungslos über solch eine Dreistigkeit", sagt Werner M. Bahlsen, Vorsitzender der Geschäftsführung.

Fest steht, dass es nicht so einfach gewesen sein dürfte, den Keks zu klauen, der in etwa fünf Metern Höhe zwischen den zwei Brezelmännern angebracht war. Das vergoldete Gebäckstück ist 20 Kilo schwer, der Täter muss also ziemlich viel Kraft und Geschicklichkeit aufgewendet haben, um es abzuschrauben und wegzuschleppen.

Etwa 250 Mitarbeiter der Bahlsen-Firmenzentrale gehen täglich aus und ein, und trotzdem fiel der Keks-Diebstahl wohl erst nach einigen Tagen auf. "Ein Kollege kann sich daran erinnern, den Keks zuletzt am 4.Januar gesehen zu haben", sagt eine Firmensprecherin. Sie vermutet, dass auch das Winterwetter eine Rolle spielt, da die Mitarbeiter beim Betreten des Gebäudes eher auf den Schnee am Boden geschaut haben als auf den monumentalen Keks. Möglicherweise sind die Angestellten der Bahlsen-Bäckerei aber auch betriebsblind, was Kekse angeht.

Waren Scherzkekse am Werk? Handelt es sich bei den Dieben um fanatische Sammler? Falls ja, müsste ihnen schnell aufgefallen sein, dass der Pracht-Keks nur 34 Zähne hat, streng genommen also unecht ist. Und einen dermaßen sperrigen Metall-Keks kann man auf dem freien Keksmarkt auch nicht so leicht loswerden. Metalldiebe? Unwahrscheinlich, denn 20 Kilo Bronze bringen bei einem Schrotthändler derzeit gerade mal knapp 100 Euro ein. Wie viel das Firmen-Wahrzeichen tatsächlich wert ist, vermag man bei Bahlsen nicht in Zahlen zu fassen. "Der Verlust hat für uns einen enormen ideellen Wert", sagt Werner M. Bahlsen.

Im einem Fernsehbeitrag des Norddeutschen Rundfunks sagten Anwohner, sie seien "sehr traurig", das ein wichtiges Detail des Stadtbildes einfach so weggeknuspert worden sei. Bild.de zeigte ein Fahndungsfoto - vom Krümelmonster aus der Sesamstraße. Solche trockenen Witze gehen den Bahlsen-Leuten ziemlich auf den Keks. "Lustig ist das alles für uns nicht", sagt die Firmensprecherin, "auch wenn der Fall von außen betrachtet eine gewisse Komik hat." Die Polizei sucht aber ganz ernsthaft nach den Keks-Räubern. Firmenchef Werner M. Bahlsen hat für Hinweise auf verdächtige Machenschaften an seinem Keks-Palast eine Belohnung von 1000 Euro ausgeschrieben - das sind umgerechnet gut 25000 Leibniz-Kekse.

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