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Katalog für mehr Gerechtigkeit

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Mit einem 'Einkommensmesser' bekämpft Italien seine Steuerhinterzieher.

Rom - Italiens Steuerbehörde hat eine neue Waffe: den Redditometro. Dieser 'Einkommensmesser' soll zu mehr Steuergerechtigkeit führen. Das hat prompt Kritik hervorgerufen. Der Verband der Handwerker und kleinen Unternehmer von Mestre im Veneto sprach von einem 'nationalen Psychodrama', das nun bevorstehe. Diese Ansicht mögen zwar nicht alle Italiener teilen, doch bezweifelt offenbar eine Mehrheit, dass der Redditometro wirklich mehr Gerechtigkeit bewirken kann. 65 Prozent sagten in einer Umfrage, der Fiskus werde doch nur dieselben Bürger wie bisher zur Kasse bitten. Es herrscht tiefes beiderseitiges Misstrauen zwischen Steuerzahlern und Finanzämtern.



Italien ist Steuerhinterziehern mit einer neuen Waffe auf der Spur.

Das neue Instrument soll im Kampf gegen Steuerhinterziehung helfen. Da hat sich einiges getan im vergangenen Jahr. Razzien an exklusiven Urlaubsorten wie Cortina D"Ampezzo oder das Verbot, Beträge über 1000 Euro in bar zu bezahlen und intensivere Kontrollen haben Steuereinnahmen und -ehrlichkeit steigen lassen. Dennoch werden nach Schätzungen in Italien rund 160 Milliarden Euro im Jahr hinterzogen. Jede fünfte Familie gebe deutlich mehr aus, als sie offiziell an Einkommen habe, hatte Attilio Befera, der Chef der nationalen Steuerbehörde, gesagt, als er im November den Redditometro ankündigte, der nun seit Januar gilt. Der Name klingt wie eine Maschine, bezeichnet aber einen Katalog mit rund 100 möglichen Ausgabenposten, von der Miete über Kindergarten- und Vereinsgebühren, Versicherungen und Restaurantbesuchen bis zum Kauf von Schmuck und anderen Luxusgütern. Wenn dem Finanzamt eine Diskrepanz von mindestens 20 Prozent bei Einnahmen und Ausgaben auffällt, muss es genauer prüfen.

Die meisten der rund 43 Millionen italienischen Steuerzahler betrifft das nicht. Sie sind Angestellte oder Rentner, deren Abgaben automatisch abgezogen werden. Aber die rund sechs Millionen Freiberufler und Selbstständigen tun gut daran, künftig jeden Beleg aufzuheben für Kontrollen, bei denen die Finanzbehörden auch alle Konten einsehen können. Die Steuerbehörde erklärte, sie werde höchstens 35000 Redditometro-Kontrollen im Jahr vornehmen und nur in 'eklatanten Fällen'. Doch das trägt wenig zur Beruhigung bei, denn wenn es um Steuern geht, liegen die Nerven blank in Italien. Sie sind inzwischen höher als fast überall sonst in Europa, Unternehmen zahlen bis zu 68 Prozent. Steuern sind auch das große Thema im Wahlkampf. Premier Mario Monti, der sie wegen der Staatsverschuldung anheben musste, erklärt nun, unter welchen Bedingungen sie wieder sinken könnten. Die Sozialdemokraten versprechen mehr Steuergerechtigkeit. Silvio Berlusconi verspricht, ohne nähere Erläuterungen, Steuern zu senken und abzuschaffen; er nennt Italien einen 'Finanzpolizeistaat'. Das Redditometro erscheint vielen als Beleg dafür. Der Komiker Beppe Grillo, dessen Protestbewegung 5 Stelle zu den Wahlen antritt, formuliert das Unbehagen so: 'Ich muss niemandem sagen, wie ich mein Geld ausgebe, sie müssen vielmehr mir sagen, wie sie unser Geld ausgeben.'

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