Wie man von intelligentem Radio zum Nachdenken gebracht wird und warum das digitale Zeitalter unsere Handschrift beleidigt.
Die Tatsache, dass das Gehirn zwischen den Ohren sitzt, ist eine gute Begründung dafür, Radio zu hören, Wortradio wohlgemerkt. Sendungen, die diese Rezeptionseinheit Ohr-Hirn berücksichtigen, werden in erster Linie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk produziert. Der macht zwar auch Unsinn, zumal in Deutschland. Wenn man aber interessiert ist, Glück hat und außerdem auch noch Podcasts als Avatare des Wortradios versteht, dann zeigt sich das Wunderbare der Radio-Welt, für die man fast sogar gerne Rundfunksteuer bezahlen würde, wenn es mehr solche Sendungen und weniger Tralala, Geschwätz und Sportgequake gäbe.
Die Schule - ein Ort, wo die Handschrift noch nicht ausgestorben ist
Solche Sendungen? Zum Beispiel 'Start the Week' auf BBC 4. Jeden Montag reden gescheite Menschen mit einem gescheiten Moderator über gescheite Themen. Der gescheite Moderator ist oft der unaufdringlich gebildete Andrew Marr, der zum 60.Thronjubiläum der regierenden Monarchin ein sehr gutes Buch über das elisabethanische Großbritannien geschrieben hat. Und nein, es ist kein elitäres Zitieren aus esoterischen Quellen, wenn hier auf BBC4 hingewiesen wird. Jeder, der Englisch versteht und einen Computer hat, kann sich auf der Website der BBC bis zu 'Start the Week' durchklicken und dort alle Sendungen kostenlos und legal anhören oder laden. (Natürlich gibt es jenseits von BBC, ARD und NPR Myriaden von Podcasts, die Privatleute produziert haben. Allerdings hören sich auch sehr viele davon so an, als seien sie Hobby-Produkte.)
Jüngst, und im Netz sind alle Podcasts jüngst, widmete sich Marr bei Start the Week der 'sterbenden Kunst der Handschrift'. Zu seinen Mitrednern, die anders als in deutschen TV-Talkshows, nicht wie sich selbst darstellende Schauspieler behandelt werden, zählten die Autorin Diana Athill, Jahrgang 1917 und der Philosoph Nigel Warburton, Jahrgang 1962, der den Weblog Virtual Philospher betreibt. (Im Geburtsjahr von Athill änderte die englische Königsfamilie ihre Namen von Sachsen-Coburg-Gotha in Windsor.) Gemeinsam mit der Lyrikerin Wendy Cope und dem Schriftsteller Philip Hensher machte sich die Runde Gedanken darüber, wie das Tippen auf Tablets, Telefonen und PCs die Handschrift allmählich wenn nicht ersetzt, so doch immer mehr verdrängt.
Es wird heute nicht weniger geschrieben als im vordigitalen Zeitalter. Es wird viel mehr geschrieben, weil die Email und ihre zwergwüchsige Schwester, die SMS, nicht nur das leisten, was früher Briefe und Karten taten, sondern auch mehr und mehr zum Substitut des Gesprächs werden. Nun gilt für das Schreiben das, was in anderen Bereichen, vielleicht mit Ausnahme des Geldes, auch gilt: Wenn etwas mehr wird, wird es selten besser. Zwar wird heute viel mehr geschrieben, aber der Charakter des in die Cloud getippten Gesprächs der Welt ist flüchtig. Von dem relativ Wenigen, das früher geschrieben wurde, blieb mehr als von dem heutigen Vielen.
Vielleicht weil die Protagonisten der BBC-Runde zu jenen Schreibern zählen, deren Geschriebenes bleibt, sinnierten sie eher darüber, wie sie schrieben. Selbst die reife Lady Athill benutzt hilfsweise einen Computer. Die Dichterin Cope schreibt ihre Verse zuerst mit der Hand, später bearbeitet sie das Gedicht am Computer. Erwähnt wurde auch ein Phänomen, das jeder Viel-Schreibende kennt: Je mehr man nur noch tippt, desto häufiger hat man das Gefühl, dass die eigene Handschrift sich zurückzieht. Sie wird krakelig, fremd. Wenn man unterstellt, die Handschrift sei nicht nur Teil der Persönlichkeit, sondern habe selbst Persönlichkeit, dann ist dieses Fluchtverhalten verständlich: Sie ist beleidigt, weil man ihr mechanische Hilfsmittel vorzieht. Das Schreiben auf dem Computer ist eine prothetische Tätigkeit.
Was kann es Besseres für das Radio, für Medien überhaupt geben, als wenn sie ihr Publikum zum Weiterdenken anregen? Der BBC also sei Dank. Jetzt müsste nur noch der Bayerische, der Norddeutsche oder sonst ein Rundfunksteuer-Rundfunk so etwas wie Start the Week probieren. (Und nein, bitte keine Mails aus den Intendanzen, dass es so was ja bei uns längst gäbe. Gibt es nicht.)
Die Tatsache, dass das Gehirn zwischen den Ohren sitzt, ist eine gute Begründung dafür, Radio zu hören, Wortradio wohlgemerkt. Sendungen, die diese Rezeptionseinheit Ohr-Hirn berücksichtigen, werden in erster Linie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk produziert. Der macht zwar auch Unsinn, zumal in Deutschland. Wenn man aber interessiert ist, Glück hat und außerdem auch noch Podcasts als Avatare des Wortradios versteht, dann zeigt sich das Wunderbare der Radio-Welt, für die man fast sogar gerne Rundfunksteuer bezahlen würde, wenn es mehr solche Sendungen und weniger Tralala, Geschwätz und Sportgequake gäbe.
Die Schule - ein Ort, wo die Handschrift noch nicht ausgestorben ist
Solche Sendungen? Zum Beispiel 'Start the Week' auf BBC 4. Jeden Montag reden gescheite Menschen mit einem gescheiten Moderator über gescheite Themen. Der gescheite Moderator ist oft der unaufdringlich gebildete Andrew Marr, der zum 60.Thronjubiläum der regierenden Monarchin ein sehr gutes Buch über das elisabethanische Großbritannien geschrieben hat. Und nein, es ist kein elitäres Zitieren aus esoterischen Quellen, wenn hier auf BBC4 hingewiesen wird. Jeder, der Englisch versteht und einen Computer hat, kann sich auf der Website der BBC bis zu 'Start the Week' durchklicken und dort alle Sendungen kostenlos und legal anhören oder laden. (Natürlich gibt es jenseits von BBC, ARD und NPR Myriaden von Podcasts, die Privatleute produziert haben. Allerdings hören sich auch sehr viele davon so an, als seien sie Hobby-Produkte.)
Jüngst, und im Netz sind alle Podcasts jüngst, widmete sich Marr bei Start the Week der 'sterbenden Kunst der Handschrift'. Zu seinen Mitrednern, die anders als in deutschen TV-Talkshows, nicht wie sich selbst darstellende Schauspieler behandelt werden, zählten die Autorin Diana Athill, Jahrgang 1917 und der Philosoph Nigel Warburton, Jahrgang 1962, der den Weblog Virtual Philospher betreibt. (Im Geburtsjahr von Athill änderte die englische Königsfamilie ihre Namen von Sachsen-Coburg-Gotha in Windsor.) Gemeinsam mit der Lyrikerin Wendy Cope und dem Schriftsteller Philip Hensher machte sich die Runde Gedanken darüber, wie das Tippen auf Tablets, Telefonen und PCs die Handschrift allmählich wenn nicht ersetzt, so doch immer mehr verdrängt.
Es wird heute nicht weniger geschrieben als im vordigitalen Zeitalter. Es wird viel mehr geschrieben, weil die Email und ihre zwergwüchsige Schwester, die SMS, nicht nur das leisten, was früher Briefe und Karten taten, sondern auch mehr und mehr zum Substitut des Gesprächs werden. Nun gilt für das Schreiben das, was in anderen Bereichen, vielleicht mit Ausnahme des Geldes, auch gilt: Wenn etwas mehr wird, wird es selten besser. Zwar wird heute viel mehr geschrieben, aber der Charakter des in die Cloud getippten Gesprächs der Welt ist flüchtig. Von dem relativ Wenigen, das früher geschrieben wurde, blieb mehr als von dem heutigen Vielen.
Vielleicht weil die Protagonisten der BBC-Runde zu jenen Schreibern zählen, deren Geschriebenes bleibt, sinnierten sie eher darüber, wie sie schrieben. Selbst die reife Lady Athill benutzt hilfsweise einen Computer. Die Dichterin Cope schreibt ihre Verse zuerst mit der Hand, später bearbeitet sie das Gedicht am Computer. Erwähnt wurde auch ein Phänomen, das jeder Viel-Schreibende kennt: Je mehr man nur noch tippt, desto häufiger hat man das Gefühl, dass die eigene Handschrift sich zurückzieht. Sie wird krakelig, fremd. Wenn man unterstellt, die Handschrift sei nicht nur Teil der Persönlichkeit, sondern habe selbst Persönlichkeit, dann ist dieses Fluchtverhalten verständlich: Sie ist beleidigt, weil man ihr mechanische Hilfsmittel vorzieht. Das Schreiben auf dem Computer ist eine prothetische Tätigkeit.
Was kann es Besseres für das Radio, für Medien überhaupt geben, als wenn sie ihr Publikum zum Weiterdenken anregen? Der BBC also sei Dank. Jetzt müsste nur noch der Bayerische, der Norddeutsche oder sonst ein Rundfunksteuer-Rundfunk so etwas wie Start the Week probieren. (Und nein, bitte keine Mails aus den Intendanzen, dass es so was ja bei uns längst gäbe. Gibt es nicht.)