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Alles so schön bunt hier

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Bier auf Sackkarren: Mit allen Mitteln versuchen die Hersteller von Sportartikeln, ihre Produkte auf der Ispo als neu und cool zu bewerben. Das ist auch nötig. Die Nachfrage etwa nach Snowboards und Ski sinkt seit Langem, kleine Firmen aber gehö


München - 'Hey, Wulle!' rufen ein paar Jugendliche in Halle A1 euphorisch. Die Teenager tragen sehr bunte sackförmige Strickmützen, sehr bunte sackförmige Hosen und sehr bunte sackförmige Pullover. Wulle? Ist das eine neue Trendsportart? Ein bislang unbekannter Ausdruck der Jugendsprache? Nein, Wulle scheint eine Art Köder für jugendliche Kundschaft zu sein.

Eine ganze Sackkarre voller Wulle, einer Biersorte aus Stuttgart, wird gerade quer durch die Halle A1 der Münchner Messe geschoben. Die Jugendlichen folgen wie hypnotisiert. Es ist eine merkwürdige Prozession: Sackkarre mit Bier, dahinter sackartig gekleidete Jugendliche, dahinter einige alte Säcke, die diese Szene gerne verstehen würden. Endstation der bizarren Bierwallfahrt ist der Stand eines Snowboard-Herstellers. Dort hört man wenig später die Bügelverschlüsse der Bierflaschen zischen, und die Strategie der Snowboardfirma geht auf - der Stand wird umlagert von Horden weiterer junger Menschen in sackartigen Klamotten. Das wirkt optisch natürlich sehr trendig.



Bunte Snowboards auf der ispo in München.

Wulle hat aber beim besten Willen nicht besonders viel mit Sport zu tun. Was bemerkenswert ist, denn das hier ist schließlich die Ispo, der größten Sportartikelmesse der Welt. Hier stellen noch bis Mittwoch 2500 Aussteller aus aller Welt neue Sportgeräte, Bekleidung und Accessoires vor. Die kleine Episode in der Halle A1, hier ist die Abteilung 'Action-Sport' zuhause, zeigt plastisch, dass Sportfirmen mit allen Mitteln versuchen, ihr jeweiliges Produkt als neu, cool und kaufenswert darzustellen. Beim Thema Snowboard scheint das auch schwer notwendig zu sein, denn die Verkaufszahlen sinken seit zehn Jahren beständig. Ob Bier gegen diese Entwicklung hilft? Oder will sich die Branche da etwas schönsaufen? Die Welt als Wulle und Vorstellung, sozusagen.

Nüchtern betrachtet sieht es weniger lustig aus: In der Skiindustrie geht es seit Jahren kontinuierlich bergab. Wurden noch in den 80er-Jahren weltweit 9 Millionen Paar Ski pro Jahr verkauft, sind es heute nur noch gut drei Millionen. Um den deutschen Markt, etwa 300000 Paar Alpinski und 100000 Paar Langlaufski, streiten sich die Konkurrenten mit hohem Aufwand, die Kosten für Marketing sind enorm. Insgesamt sieht es auf dem Sportartikelmarkt dagegen recht gut aus, die Umsätze in Deutschland wuchsen 2012 nach Angaben des Sportfachhandels um zwei Prozent auf 7,34 Milliarden Euro. Und auch für das laufende Jahr sind die Händler optimistisch. Obwohl es dieses Jahr keine Großereignisse wie etwa Olympische Spiele gibt, rechnen Handel und Hersteller auch für 2013 mit einem Plus.

Der Schwund in der Skiindustrie liegt nicht daran, dass die Leute weniger Wintersport treiben, im Gegenteil. Das Angebot wird immer vielfältiger, es reicht von Schneeschuhlaufen über Skating und Nordic Cruising bis zu Biathlon für Anfänger. 'Ein großes Problem für uns sind mittlerweile die Leihski', sagt Siegfried Paßreiter, Geschäftsführer Deutschland bei Fischer, einem der größten Skihersteller. Immer mehr Wintersportler verzichten darauf, sich neues Material selbst zu kaufen. Sie mieten lieber im Skiurlaub die komplette Ausrüstung, was oft günstiger ist.

Die Skifirmen versuchen deshalb ständig, das Geschäft durch neue Erfindungen wie die 'Rocker-Technologie' zu beleben (das sind Bretter, die vorne und hinten stärker nach oben gebogen sind als herkömmliche Ski). 'Durch die Rocker wurde der Abwärtstrend sicher etwas abgefedert', sagt Siegfried Paßreiter. Bei Atomic heißt es, die weltweite Talsohle bei den Skiverkäufen sei mittlerweile erreicht, es gehe zumindest nicht weiter abwärts. Vielleicht sogar wieder aufwärts, und zwar mit Tourenski: Die leichten Bretter, mit denen man im Gelände aufsteigen und anschließend wieder abfahren kann, erleben seit einigen Jahren einen Boom. Bei allem, was mit Wintersport abseits der Pisten zu tun hat, sind hohe Wachstumsraten zu verzeichnen.

Zu den Aufsteigern der Branche zählen kleine, innovative Firmen wie Black Crows, DPS, Armada, Line Skis und Dynafit, die sich auf leichte Geländeski spezialisiert haben. Dynafit etwa verzichtet darauf, die Modellpalette jede Saison aufwendig neu zu designen und bringt lieber alle zwei, drei Jahre ein komplett neues Modell auf den Markt. Fast alle Hersteller von Geländeski setzen auf extrabreite Latten und superknallige Farben, mit denen man angeblich viel leichter und stilvoller durch den tiefsten Pulverschnee cruist. Auch Splitboards sind wieder auf dem Vormarsch, dabei handelt es sich um Snowboards zum Auseinandernehmen, mit denen man auch bergauf steigen kann.

Von der Sehnsucht nach unberührtem Tiefschnee profitieren nicht nur die Skihersteller. 'Viele Leute wollen nicht mehr auf der Piste fahren', sagt Harald Schreiber, Sprecher der Schweizer Firma Mammut, 'oder zumindest wollen viele nicht mehr so aussehen.' Was für jugendliche Snowboarder das Wulle-Bier ist, das scheint für arrivierte Outdoor-Fans eine Multifunktionsjacke zu sein, mit der man zumindest theoretisch die Antarktis durchqueren kann. Mammut, einer der ältesten Hersteller von Bergsportausrüstung verzeichnet zweistellige Wachstumsraten. Nicht, weil immer mehr Leute auf Viertausender klettern. 'Unsere Sachen werden eben auch in der Stadt getragen', sagt Schreiber, 'Outdoor hat an Sex-Appeal gewonnen.'

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