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Ahmadinedschad besucht als erster iranischer Präsident seit 34 Jahren Ägypten. Daheim in Teheran aber geraten er und seine Entourage zunehmend in Bedrängnis.

Kairo/Paris - Das heikelste Thema ihres historischen Treffens besprachen die beiden Staatschefs noch am Flughafen. Ägyptens Präsident Mohammed Mursi empfing Irans Mahmud Ahmadinedschad auf dem roten Teppich am Fuß der Gangway, küsste ihn, nahm die Parade ab. Dann ging es um Syrien. Mursi hat Syriens Präsidenten Baschar al-Assad zum Rücktritt aufgerufen. Der Aufstand gegen Hosni Mubarak hat Mursi an die Macht gebracht, als demokratisch gewählten Präsidenten. Solange Iran seine Haltung zu Syrien nicht ändere, wolle er Ahmadinedschad nicht treffen, hatte er gesagt. Aber das war im Wahlkampf.



Mahmud Ahmadinedschad besucht Ägypten als erster iranischer Präsident seit 34 Jahren.

Für die Islamische Republik ist Syrien das Tor zur arabischen Welt, zur libanesischen Hisbollah, zur Hamas im Gazastreifen. Jedenfalls war Syrien das lange Zeit. Und bis heute hat sich Ahmadinedschad nicht von Assad distanziert. Mehr als eine vage Formulierung über die Ablehnung einer 'militärischen Intervention' in Syrien drang denn vom Gespräch der beiden auch nicht an Ägyptens Staatsmedien.

Im August war Mursi zum pompösen Gipfel der Blockfreien nach Teheran gereist - und hatte den Gastgeber mit frontaler Syrien-Kritik brüskiert. Nun kommt Ahmadinedschad für drei Tage nach Kairo zum Treffen der Organisation Islamischer Zusammenarbeit. Es ist die erste Besuch eines iranischen Staatschefs in Ägypten seit 34Jahren. Nach der islamischen Revolution wurde Iran zum Feind des Westens, benannte eine Straße nach dem Attentäter des ägyptischen Präsidenten Anwar el-Sadat, hetzt gegen Israel, provoziert die Welt mit seinem Atomprogramm und versucht, den sunnitischen Regionalmächten wie Saudi-Arabien den Rang ablaufen. Ägypten wiederum hatte den gestürzten Schah aufgenommen und mit höchsten Ehren begraben, einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen, war Freund der Amerikaner und der reichen Sunniten-Könige am Golf. So hielt es jedenfalls Mubarak. Entsprechend alarmiert reagierte der Westen auf die erste Kontaktaufnahme zwischen Kairo und Teheran nach dem Sturz Mubaraks.

Dabei dürfte es noch lange dauern, bis die beiden Länder wieder volle diplomatische Beziehungen aufnehmen. Man müsse Geduld haben, hatte Irans Außenminister Ali Akbar Salehi gesagt, vor allem gehe es um Handel und Wirtschaft. Und Ahmadinedschad hoffte zwar darauf, dass Ägypten und Iran sich in regionalen und internationalen Fragen häufiger 'Auge in Auge' sehen. Aber Mursi und die Muslimbruderschaft bleiben vorsichtig. Sie brauchen die Milliarden aus den USA und vom Golf. Und sie brauchen politische Verbündete. Der Schiit Ahmadinedschad hat am Nachmittag zwar Ahmed al-Tajeb getroffen, den Scheich der Ashar-Universität, Sitz höchster sunnitischer Gelehrsamkeit. Aber Ägyptens Salafisten, betonharte Schiiten-Feinde, warnten eindringlich vor dem 'schiitischen Einfluss im sunnitischen Ägypten'. Und sie stimmen oft mit den Brüdern.

Innenpolitisch verschafft die Kairo-Reise Ahmadinedschad eine Verschnaufpause. Am Montagabend hatten die Behörden in Teheran ohne Angabe von Gründen den berüchtigten früheren Folter-Staatsanwalt Said Mortasawi verhaftet, über den der Präsident zuvor seine schützende Hand hielt. Am Wochenende hatte Mortasawi im Zentrum eines heftigen Schlagabtauschs zwischen Ahmadinedschad und Parlamentspräsident Ali Laridschani gestanden. Vor der Madschlis beschuldigte der Staatschef Laridschanis jüngeren Bruder Fasel, er habe mit Mortasawi über den Kauf einer Staatsfirma aus dem Besitz der öffentlichen Sozialversicherung zu günstigen Bedingungen verhandelt. Bis zur Verhaftung war Mortasawi Chef dieser Versicherung.

Als Beweis bot Ahmadinedschad schwer verständliche Tonbänder und Videoclips von Gesprächen an, in denen Fasel Laridschani dem Ex-Staatsanwalt die Milde der Justiz in Aussicht gestellt haben sollte. Mortasawi wird der Tod dreier Häftlinge angelastet, die nach Demonstrationen gegen die umstrittene Präsidentenwahl im Jahr 2009 ums Leben kamen. Laridschani nannte die angeblichen Aufnahmen einen 'Mafia-Film' und drohte Ahmadinedschad umgekehrt an, er habe von dessen verfeindeten Bruder genug Material über 'wirtschaftliche Korruption, seine nahestehenden Kreise und Beziehungen zum Ausland' erhalten. Er kündigte zudem Verfahren gegen Ahmadinedschad und Mortasawi an.

Die Zeitung Keyhan, die dem Geistlichen Führer Ali Chamenei nahesteht, berichtete am Montag, dieser sei eingeschritten und habe sowohl Laridschani als auch Ahmadinedschad verboten, ihren Streit wie geplant in getrennten Pressekonferenzen fortzuführen. Schon früher hatte Chamenei wissen lassen, wer mit Blick auf die für Juni geplante Präsidentenwahl Zwietracht schaffe, begehe 'Verrat'. Ahmadinedschad kann laut Verfassung nicht mehr kandidieren. Um die Chancen eines von ihm aufgestellten Bewerbers zu verschlechtern, hat der Wächterrat, das geistliche Verfassungsgericht, das Wahlgesetz geändert. Danach ist nicht mehr das Innenministerium, das Ahmadinedschad untersteht, für die Organisierung der Abstimmung zuständig.

Der 45-jährige Mortasawi hatte erstmals 2003 Aufsehen erregt, als die kanadisch-iranische Fotografin Sahra Kasemi an ihren Verletzungen starb, nachdem er sie persönlich verhört hatte. Als Teheraner Staatsanwalt ließ er 60 Reform-Zeitungen schließen und Dutzende Journalisten verhaften. Wegen der Folter und anderer schwerer Missstände, die sich nach den Protesten vom Sommer 2009 im Kahrisak-Gefängnis ereigneten, verlor er ein Amt.


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