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Hölle, Hölle, Hölle!

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Wer am Aschermittwoch das Faschingsende betrauert, kann immer noch zum Mooserwirt in St. Anton. Der Wirt selbst bewirbt seine Après-Ski-Bar als 'die wahrscheinlich schlechteste Skihütte am Arlberg'


SZ: Herr Scalet, sind Sie trinkfest?
Eugen Scalet: Das nimmt mit zunehmendem Alter ab. Ich bin jetzt 52. Wenn ich an meine Sturm- und Drangzeit zurückdenke, bin ich heute überhaupt nicht mehr trinkfest.

Komisch. Schließlich heißt es, dass nirgendwo sonst in Österreich pro Quadratmeter mehr Bier konsumiert wird als beim Mooserwirt, Ihrem Betrieb.
Ein unausrottbarer Satz, von dem ich keine Ahnung habe, woher er kommt. Ich weiß auch nicht, wie man das feststellen will. Das hat vor 15, 16 Jahren mal jemand geschrieben. Seitdem steht"s überall drin.

Wie kommt man überhaupt auf die Idee, eine Skihütte zu gründen, in der es vorrangig um Après-Ski geht?
Ich stamme aus einer Bergbauernfamilie. Wir waren vier Kinder, und als unser Vater starb, haben wir uns nicht darum gestritten, wer was kriegt. Bei uns war mehr die Frage: Wer nimmt das Glump? Ich war zur damaligen Zeit fast Amerikaner und habe mir eine Zukunft in den USA vorstellen können. Zum heutigen Zeitpunkt frage ich mich, ob ich hirnkrank war ...Kennen Sie St. Anton eigentlich?



Durchaus.
Dann wissen Sie, dass es dort als Alternative zur Landwirtschaft nur den Tourismus gibt. Und was macht man an einem entlegenen Hof ohne Zufahrt wie dem unseren? Eine Skihütte. So wie viele andere das auch gemacht haben. Das war keine besonders verrückte Idee. Generell ist da - wie überhaupt in der Gastronomie - nicht so wahnsinnig viel dahinter. Wir haben nur versucht, das Angebot im Laufe der Jahre zu verbessern.

Der heutige Mooserwirt ist also ein umgewandelter Bergbauernhof?
Die ehemalige Scheune ist der Mooserwirt, und im ehemaligen Stall sind die Getränkeanlagen. Wobei wir den Betrieb in 24 Jahren geschätzte 22 Mal umgebaut haben.

Manche Menschen im Tal finden, dass Ihr Betrieb in gewisser Hinsicht noch immer einem Viehstall gleicht.
Gut, ich habe das noch nie gehört. Aber es darf jeder seine Meinung haben. Mittlerweile könnte ich ein Buch über die Gerüchte schreiben, die im Laufe der Jahre über uns verbreitet wurden. Wir machen jährlich 500 bis 600 Führungen in unserem Betrieb. Es kommen Kollegen, Studiengruppen, Touristen. Die bemerken als Erstes immer, wie peinlich sauber es bei uns ist.

Viele begreifen Après-Ski als Synonym für sinnloses Betrinken mit vorherigem Aufwärmprogramm. Und Sie?
Gar nicht so einfach. Ich habe vor Kurzem gelesen, dass Après-Ski, obwohl der Begriff aus dem Französischen kommt, seine Anfänge in St. Anton am Arlberg hatte, im Hotel Post. Leute haben sich nach dem Skifahren einfach zum Tanzen und Trinken in Skibekleidung getroffen. Da gibt es noch schöne Schwarz-Weiß-Fotos.Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was Après-Ski ist.

Nach einigen für den Mooserwirt unrühmlichen Artikeln haben Sie sich zuletzt sehr kritisch über die Medien geäußert. Auch dieser Interviewtermin war nicht so einfach.
Vor allem setze ich mich möglicherweise wieder ohne Not in irgendwelche Nesseln. Es kann durchaus sein, dass ich wieder auf die Klappe bekomme. Mein eigenes Fell ist dick genug dafür. Aber ich habe auch 85 Mitarbeiter, die viel sensibler sind als ich. Und die Gäste auch.

Sie erteilen auch keine Drehgenehmigungen für Fernsehteams mehr.
Leider. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Filmteams mehr Schaden bringen als Nutzen. Ist ja auch logisch: Wenn man Besoffene filmen will, dann findet man die. Und wenn man einen filmen will, der vor lauter Rausch nicht in seine Ski reinkommt, dann ist auch der da. Das ist offenbar interessanter als Leute, die Spaß haben. Nur: Volltrunkene finden Sie auch in einem Haubenlokal oder einem Fünf-Sterne-Hotel.

Aber doch seltener.
Wir haben seit zwei Jahren ein exklusives Vier-Sterne-Superior-Hotel in der Region, und glauben Sie mir: So selten ist das nicht. Man kann sich mit Jagertee oder mit Bordeaux-Wein betrinken. Das ist nicht wirklich ein Unterschied.

Sie haben ein anderes Geschäftsmodell als ein Haubenlokal.
Es ist schon klar, dass die Medien keinen Werbebericht schreiben oder Werbefilm drehen wollen und dass unsere Art von Gastronomie kritisch hinterfragt wird. Ich habe aber keine Lust, dass ich unseren Betrieb, unseren Ruf und unsere Arbeit für so billige Effekthascherei benutzen lasse und ein verzerrtes Bild dargestellt wird.

Es stimmt aber doch, dass Frauen bei Ihnen nur hinter der Bar und nicht im Gastraum arbeiten dürfen?
Ja, aber nicht, weil die Mädels dann abgeschleckt und begrapscht werden, wie das in einer Boulevardzeitung kürzlich beschrieben wurde. Sondern, weil man groß sein und Muckis haben muss, wenn man mit einem 40-Kilo-Tablett durch Hunderte Leute durchgeht. Natürlich gibt es Gäste, die rüpeln, nach Alkohol stinken und sich übergeben. Aber die ärgern uns noch mehr als Sie. Wir können sie nur rauswerfen. Und das machen wir.

Letztlich gründet Ihr Betrieb - der mit angeschlossenem Hotel und 85 Mitarbeitern ganz gut läuft - auch auf diesem Ruf. Sie kokettieren sogar damit, wenn Sie beispielsweise auf Ihrer Webseite werben: 'Wahrscheinlich die schlechteste Skihütte am Arlberg'.
Das ist die pure Selbstironie! Wir haben den Mooserwirt 1989 aufgesperrt und waren die ersten drei Jahre näher am Konkurs als an irgendeinem Ruf. Aus dieser Zeit stammt auch der Werbespruch, nachdem ich beim Durchblättern von Prospekten gemerkt habe, dass überall das Gleiche drinstand: internationale Küche, regionale Bodenständigkeit. Alles war das Beste, Größte, Schönste. Ich dachte mir: Sind wir halt die wahrscheinlich schlechteste Skihütte am Arlberg. Wir haben übrigens noch einen zweiten Werbespruch. Der heißt: saugut und schweineteuer. Saugut zu sein ist eindeutig das schwierigere.

Auch der Tourismusverband St. Anton positioniert seinen Ort lieber als Geburtsstätte des alpinen Skilaufs und nicht als Après-Ski-Mekka.
Der Mooserwirt muss ja nicht jedem gefallen. Er kann ja gar nicht jedem gefallen. Après-Ski kommt auch nicht an erster Stelle. Das würde gar nicht funktionieren. Es ist nur eine Begleiterscheinung. Aber kann einem Tourismusverband etwas Besseres passieren, als ein Aushängeschild wie den Mooserwirt zu haben, auf das er in der ganzen Welt angesprochen wird? Auf jeder Messe, von jedem Reiseveranstalter, auf jedem Event. Diesbezüglich ist es offenbar positiv, einen Betrieb zu haben, der sehr beliebt ist. Es ist wie überall. Laut sind immer nur die, denen etwas nicht passt. Die Zufriedenen hört man nicht.

Après-Ski-Fans müssen also nicht befürchten, dass es bei Ihnen demnächst nur noch Sojamilch zu trinken gibt.
Sicher nicht. Wir werden die Leute aber auch nicht nötigen, dass sie sich betrinken. Es gibt bei uns keinen Kübel wie beim Ballermann, keinen Meter Schnaps oder sonstige Aktionen. Wir verkaufen Bordeauxweine für 300Euro ebenso wie Bier. Schnaps ist übrigens - wie überhaupt die harten Getränke - seit Jahren rückläufig. Ich weiß nicht warum, aber das ist so.

Wie würden Sie denn die Philosophie des Mooserwirts in einem Satz zusammenfassen. Worum geht es Ihnen?
Ich kann das schon in einem Satz sagen: Die Leute sollen bei uns ein paar Stunden ihr Leben vergessen. Das wird sicher gleich wieder damit assoziiert, dass sie sich ins Koma saufen sollen. Darum geht es aber nicht. Es geht darum, eine gute Zeit zu haben. Ich kenne mehr als 20 Ehepaare, die sich im Mooserwirt kennengelernt haben. Weil man gar nicht anders kann, als anzustoßen und sich näherzukommen.

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