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Das Problem-Portal

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Eine unabhängige Internetseite wollte wohlmeinende Nachrichten über Peer Steinbrück verbreiten, doch nun diskutieren alle nur noch über die Finanzierung der Aktion und deren anonyme Geldgeber. Die SPD ist zunehmend deprimiert über

Die Stimmung in der Bundes-SPD ist dieser Tage wieder gedrückt. Von der heiteren Erleichterung, die die Sozialdemokraten nach der für sie erfolgreichen Niedersachsen-Wahl zwischenzeitlich erfüllt hatte, ist kaum mehr etwas zu spüren. Der Grund für die miese Laune lässt sich in einem Wort beschreiben - es lautet Peerblog. Statt über die Botschaften des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück bei seiner Europa-Reise, diskutiert die halbe deutsche Politik-Welt über das Internet-Portal, das mit dem Geld bislang anonymer Unternehmer Stimmung machen möchte für den Herausforder nach dessen schwierigem Start. Der erhoffte Effekt der Reise, so klagen enttäuschte SPD-Strategen, sei verpufft, statt über Europa und die Finanzmärkte gehe es jetzt wieder einmal um das Thema Steinbrück, Geld und Transparenz. 'Das ist keine ersprießliche Debatte', sagt ein Mitglied der Führungsriege. Andere formulieren ihre Meinung zum Thema Blog in deutlich drastischeren Worten. So hatte man sich den Neustart der Partei und des Kandidaten in der Bundes-SPD nicht vorgestellt. Das Internet-Portal, das dem Kandidaten eigentlich Auftrieb geben sollte, erweist sich nach Analyse der Strategen als neue Widrigkeit.



Was war geschehen? Im kleinen Kreis der roten Wahlkampf-Experten hatten Steinbrück-Vertraute unlängst angekündigt, dass es ein Internet-Portal für den Kandidaten geben werde, völlig unabhängig von der Partei. Wie das Projekt organisiert wird und wer es finanziert, blieb ungesagt. Das erfuhren die Leute aus dem Willy-Brandt-Haus erst am Montag aus dem Spiegel. Fünf Unternehmer hätten einen sechsstelligen Betrag aufgebracht, damit der nordrhein-westfälische Firmenberater, Journalist und Blog-Experte Karl-Heinz Steinkühler mitsamt einer kleinen Mannschaft jeden Tag wohlmeinende Texte über den Ex-Finanzminister ins Netz stellt. Überraschung allüberall. Niemand in der Parteispitze kennt die Namen der Geldgeber, sagen glaubhafte Gewährsleute, selbst Steinbrück nicht. Auf diese Weise sollte, wie es heißt, sichergestellt werden, dass auch nicht der geringste Anschein auf illegale Parteienfinanzierung aufkommen könne und auch der Kandidat selbst in kein schiefes Licht gerät.

Diese Rechnung allerdings ging nicht auf. Die politische Konkurrenz, aber auch die Grünen und Lobbyismus-Experten zeigen sich befremdet über diese Heimlichtuerei. Auf Journalistenanfragen hin prüft inzwischen die Bundestagsverwaltung, ob damit gegen das Parteiengesetz verstoßen wird. Steinbrück und die SPD-Spitze fürchten diese Klärung nicht. Das sei ganz klar eine von der SPD unabhängige Initiative, eine sogenannte 'Parallelaktion'. Wohl aber fürchten sie die politische Debatte. Das Portal habe mit der Debatte um die Financiers und die Transparenz-Gepflogenheiten Steinbrücks jedwede im Netz nötige Glaubwürdigkeit verloren, heißt es auch mit Verweis auf kritische Bemerkungen auch von Peerblog-Lesern. Und damit nicht genug. Die Mär vom 'Pannen-Peer' werde nun weitergesponnen, prognostizieren leidgeprüfte Sozialdemokraten.

Steinbrück, der auf seiner Europa-Tour von der Blog-Debatte überrascht wurde, mag bislang niemand die Schuld für dieses verunglückte Projekt geben. Aber den Leuten in seinem persönlichen Team, die die Idee geliefert hätten. Da wäre mehr Fingerspitzengefühl und Weitsicht angebracht, heißt es. Dass Steinbrücks Sprecher Michael Donnermeyer aus seinem Urlaub heraus mit einer missverständlichen Auskunft zu der Frage, was der Kandidat über die Geldgeber weiß, zwischenzeitliche Aufregung auslöste, macht die Sache nicht besser. Donnermeyer hätte den Ex-Finanzminister ohnehin auf dessen inzwischen beendeter Europa-Tour begleiten sollen, lautet die einhellige Meinung in der SPD.

Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel will an diesem Freitag in Berlin die Pläne der SPD zu den Feiern ihres 150. Geburtstags präsentieren. Er muss sich darauf einstellen, dass man ihn auch zum Peerblog befragt. Kommende Woche wollen sich die roten Strategen zudem zusammensetzen und beraten, wie es mit dem Wahlkampf weitergeht und für was man Geld und Zeit investiert. Der Blog ist nicht der Anlass für das Treffen, schließlich agiert er autonom.

Und kämpft mit eigenen Problemen. Man sei inzwischen mehrfach Opfer von Hackern geworden, teilte das Peerblog-Team mit. Das Portal lag am Donnerstag und in der Nacht zuvor zwischenzeitlich lahm. Eine Gruppe mit dem Phantasienamen T3AM M3DU5A will dafür verantwortlich sein. Wer dahintersteckt, ist unklar. Die Autoren versichern bislang in Twitter-Meldungen, ihr Projekt fortsetzen zu wollen.

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