Jetzt endet die Langzeitdokumentation "Berlin Ecke Bundesplatz" - nach 26 Jahren, in denen zwei Filmemacher Menschen aus ihrer Nachbarschaft begleitet haben.
So viel Leben! So viele Geschichten! So viel Historie! Mehr als ein Vierteljahrhundert lang haben Hans-Georg Ulrich und Detlef Gumm fast 30 Leben begleitet, die sich um den Berliner Bundesplatz in Wilmersdorf ranken. Seit 1999 schneiden sie aus der Fülle ihres Materials neunzigminütige Filme. Am Samstag feierten die Regisseure nun den Abschluss der Reihe mit den vier letzten Filmen auf der Berlinale, natürlich im Bundesplatz-Kino. Vom 19. Februar an laufen neue und ältere Folgen bei den koproduzierenden Sendern 3sat, WDR und RBB.
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Erol Yilmaz mit seiner Frau. Herr Yilmaz ist einer der Protagonisten, die Hans-Georg Ulrich und Detlef Gumm mit der Kamera begleitet haben.
Mit Bedacht haben die Regisseure vor 26 Jahren einen Platz gewählt, der unspektakulär ist, nicht besonders arm, nicht besonders reich, nicht besonders schön und nicht besonders hässlich, normales Leben im Durchschnitts-Berlin eben. Und egal, ob sie es mit einem Zugabfertiger zu tun haben oder mit einem Rechtsanwalt, mit kleinen oder feinen Leuten, sie begegnen allen mit der gleichen Offenheit, ohne Wertung, ohne Herablassung: 'Wie machen Sie das, dass Sie Ihren Optimismus nicht verlieren?', fragen sie die Frau, die nach einem Leben mit viel Arbeit und einem kranken Mann von Hartz IV und der Berliner Tafel leben muss. 'Was macht dir am meisten Sorgen?', fragen sie den Zugabfertiger, dessen Leben im Rhythmus der Züge tickt. 'Wäre es okay, wenn dein Sohn ausziehen würde?' die Mutter, die das Leben des erwachsenen Sohnes managt.
So ist aus all den Lebenslinien vom Bäcker, vom Rechtsanwalt, vom Schornsteinfeger, vom Zugabfertiger und ihren Familien über die Jahre ein dichtes Lebensgeflecht gewachsen. Während die Haare grauer, die Gesichter faltiger, die Bäuche runder werden, verschwinden Läden und Gebäude, aber auch Regierungen, Mauern und eine ganze Währung. Intimes und Privates verbindet sich zu lokaler Stadtgeschichte, aber auch zu deutscher Landes- und Sittengeschichte. Man wohnt der langsamen Vernichtung gewachsenen Lebensraums bei. Die Bäckerei, die Familie Dahms viele Jahre führt, wird irgendwann türkische Bäckerei und Biobackhaus und ist heute ein Versicherungsbüro. Aus der Ferne dringt immer wieder auch ein Echo des Mauerfalls in dieses Westberliner Viertel, so überlegen die Bäcker, ob sie in den Osten der Stadt gehen, um Entwicklungshilfe zu geben, und die Rechtsanwaltsgattin aus dem Osten echauffiert sich über ihre Landsleute, die immer die Hand aufhalten, ohne selbst etwas leisten zu wollen.
Die Regisseure kommen den Menschen nahe, ohne aufdringlich zu sein, man spürt das über die Jahre gewachsene Vertrauen ebenso wie die professionelle Distanz. Sie dürfen dabei sein, wenn der Zugführer mit einem Abschiedsständchen der Familie in den Ruhestand entlassen wird, wenn ihr Sohn endlich das Abitur schafft. Sie sind dabei, wenn Herr Dahms nach einer Krebsoperation aus dem Krankenhaus entlassen wird und ihm die Tränen kommen, ohne dass die Kamera zum Voyeur wird. Immer bleibt Zeit zum Luftholen, und doch stellen sich im Rhythmus von Wiederholungen und Umbrüchen die Lebensfragen nicht nur für die Alltagshelden, sondern auch für die Regisseure und Zuschauer.
So wird die Langzeitbeobachtung auch zu einem Museum der verlorenen Zeit, in dem vieles bewahrt wird, was Ethnologen und Historiker auswerten können. Im kleinen Kiez spiegelt sich das ganz normale Leben in Wilmersdorf, Berlin, Deutschland, und eigentlich müsste es längst auch eine Dokumentation über die Regisseure geben und ihre am Bundesplatz gelegene Produktionsgesellschaft. Doch die müssen andere erzählen.
So viel Leben! So viele Geschichten! So viel Historie! Mehr als ein Vierteljahrhundert lang haben Hans-Georg Ulrich und Detlef Gumm fast 30 Leben begleitet, die sich um den Berliner Bundesplatz in Wilmersdorf ranken. Seit 1999 schneiden sie aus der Fülle ihres Materials neunzigminütige Filme. Am Samstag feierten die Regisseure nun den Abschluss der Reihe mit den vier letzten Filmen auf der Berlinale, natürlich im Bundesplatz-Kino. Vom 19. Februar an laufen neue und ältere Folgen bei den koproduzierenden Sendern 3sat, WDR und RBB.

Erol Yilmaz mit seiner Frau. Herr Yilmaz ist einer der Protagonisten, die Hans-Georg Ulrich und Detlef Gumm mit der Kamera begleitet haben.
Mit Bedacht haben die Regisseure vor 26 Jahren einen Platz gewählt, der unspektakulär ist, nicht besonders arm, nicht besonders reich, nicht besonders schön und nicht besonders hässlich, normales Leben im Durchschnitts-Berlin eben. Und egal, ob sie es mit einem Zugabfertiger zu tun haben oder mit einem Rechtsanwalt, mit kleinen oder feinen Leuten, sie begegnen allen mit der gleichen Offenheit, ohne Wertung, ohne Herablassung: 'Wie machen Sie das, dass Sie Ihren Optimismus nicht verlieren?', fragen sie die Frau, die nach einem Leben mit viel Arbeit und einem kranken Mann von Hartz IV und der Berliner Tafel leben muss. 'Was macht dir am meisten Sorgen?', fragen sie den Zugabfertiger, dessen Leben im Rhythmus der Züge tickt. 'Wäre es okay, wenn dein Sohn ausziehen würde?' die Mutter, die das Leben des erwachsenen Sohnes managt.
So ist aus all den Lebenslinien vom Bäcker, vom Rechtsanwalt, vom Schornsteinfeger, vom Zugabfertiger und ihren Familien über die Jahre ein dichtes Lebensgeflecht gewachsen. Während die Haare grauer, die Gesichter faltiger, die Bäuche runder werden, verschwinden Läden und Gebäude, aber auch Regierungen, Mauern und eine ganze Währung. Intimes und Privates verbindet sich zu lokaler Stadtgeschichte, aber auch zu deutscher Landes- und Sittengeschichte. Man wohnt der langsamen Vernichtung gewachsenen Lebensraums bei. Die Bäckerei, die Familie Dahms viele Jahre führt, wird irgendwann türkische Bäckerei und Biobackhaus und ist heute ein Versicherungsbüro. Aus der Ferne dringt immer wieder auch ein Echo des Mauerfalls in dieses Westberliner Viertel, so überlegen die Bäcker, ob sie in den Osten der Stadt gehen, um Entwicklungshilfe zu geben, und die Rechtsanwaltsgattin aus dem Osten echauffiert sich über ihre Landsleute, die immer die Hand aufhalten, ohne selbst etwas leisten zu wollen.
Die Regisseure kommen den Menschen nahe, ohne aufdringlich zu sein, man spürt das über die Jahre gewachsene Vertrauen ebenso wie die professionelle Distanz. Sie dürfen dabei sein, wenn der Zugführer mit einem Abschiedsständchen der Familie in den Ruhestand entlassen wird, wenn ihr Sohn endlich das Abitur schafft. Sie sind dabei, wenn Herr Dahms nach einer Krebsoperation aus dem Krankenhaus entlassen wird und ihm die Tränen kommen, ohne dass die Kamera zum Voyeur wird. Immer bleibt Zeit zum Luftholen, und doch stellen sich im Rhythmus von Wiederholungen und Umbrüchen die Lebensfragen nicht nur für die Alltagshelden, sondern auch für die Regisseure und Zuschauer.
So wird die Langzeitbeobachtung auch zu einem Museum der verlorenen Zeit, in dem vieles bewahrt wird, was Ethnologen und Historiker auswerten können. Im kleinen Kiez spiegelt sich das ganz normale Leben in Wilmersdorf, Berlin, Deutschland, und eigentlich müsste es längst auch eine Dokumentation über die Regisseure geben und ihre am Bundesplatz gelegene Produktionsgesellschaft. Doch die müssen andere erzählen.