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Armstrong als Ansporn

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Deutschland tut noch zu wenig gegen kriminelle Praktiken im Hochleistungssport. Wer Doping wirksam bekämpfen will, braucht ein Gesetz.


Wo immer David Howman in seiner Eigenschaft als Direktor der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) über das Dopingproblem und die daraus resultierende Beschädigung des internationalen Sports referiert, macht er klar, dass der Kampf gegen Doping in Zukunft nur dann erfolgreicher wird, wenn die Regierungen der wichtigsten Sportnationen aktive Partner dieses Kampfes werden. Hierzu sind seines Erachtens starke Gesetze nötig, die ein engagiertes Handeln gegen die Unterwelt des Sports möglich machen. Howman weist darauf hin, dass einige Staaten eine gute gesetzliche Basis für den Anti-Doping-Kampf geschaffen haben. Australien, die USA, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Italien werden dabei erwähnt. Von Deutschland ist hingegen nie die Rede.




Lance Armstrong war gedoped

Die Sportwelt nimmt gerade fassungslos den Dopingbetrug des siebenmaligen Tour-de-France-Siegers Lance Armstrong zur Kenntnis. Doch man muss in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass auch ein deutsches Radteam jahrelang gedopt durch Frankreich geradelt ist. Angesichts der kriminellen Machenschaften einer sportmedizinischen Abteilung an der Universität Freiburg, eines Sportverbands, der in diese Machenschaften verwickelt war, angesichts der Beteiligung eines großen Wirtschaftsunternehmens und angesichts der umfassenden Beteiligung von Spitzenradlern stellt sich die Frage, wie lange man in Deutschland noch tatenlos einem Betrugsphänomen gegenüberstehen möchte, das längst die Fundamente des gesamten Sports erschüttert hat. Für jeden, der sich für einen sauberen Hochleistungssport einsetzt, der die sauberen Athleten schützen möchte, für jeden, für den das Fairplay-Ideal grundlegende Bedeutung für die weitere Entwicklung des Hochleistungssports hat, ist der Umgang mit der Freiburger Doping-Affäre ein Skandal. Auf der Grundlage des bestehenden Rechts ist es möglich, dass Ärzte, die des Dopings überführt wurden, und ihre Mitwisser straffrei ausgehen und dass niemand die Approbation von Doping-Ärzten infrage stellt.

Dabei ist es offensichtlich: Der Dopingbetrug ist ein hochkriminelles Delikt. Wer ihn als Bagatelle einordnet, handelt nicht nur gegenüber den sauberen Athleten grob fahrlässig, er macht sich mitschuldig. Die Unterwelt dieses kriminellen Dopings ist dieselbe wie die Unterwelt der Drogen, der Geldwäsche, des Wettbetrugs, der Korruption und der Bestechung. Der illegale Dopinghandel ist das zentrale Problem des Dopingbetrugs, und von den Dopingsubstanzen, die dabei gedealt werden, ist nicht nur der Hochleistungssport betroffen. Längst gefährden diese Substanzen die öffentliche Gesundheit, und es kommt nicht von ungefähr, dass in vielen Ländern Doping als ein relevantes Problem der sogenannten 'Public-Health-Politik' betrachtet wird, für das möglichst schnell eine Lösung gefunden werden muss. In Schweden hat sich beispielsweise das Ministerium für Gesundheit und Soziales mittels einer sogenannten ANDT-Politikstrategie neu organisiert, um diesem Problem entgegenzutreten. Die Buchstaben ANDT stehen dabei für Alkohol, Narkotika, Doping und Tabak. In Deutschland taucht hingegen in den Ministerien für Gesundheit und Soziales das Thema Doping allenfalls am Rande auf. Von einer Anti-Doping-Strategie kann nicht gesprochen werden. Doping erscheint im Vergleich zu anderen Ländern vielmehr als ein politisches Tabuthema. Dabei ist es offensichtlich, dass das Problem ständig wächst und immer mehr junge Menschen davon betroffen sind.

Der Widerstand, der in Deutschland einem Anti-Doping-Gesetz entgegengebracht wird, ist in vielerlei Hinsicht unverständlich. Wohl weisen Richter und Staatsanwälte zu Recht darauf hin, dass ein Gesetz nur dann erfolgreich sein wird, wenn die notwendigen personellen und finanziellen Bedingungen geschaffen werden. In Deutschland gibt es demnach bereits zu viele Gesetze, deren Überwachung große Schwierigkeiten bereitet und deren Vollzug nur mangelhaft ist. In Kreisen des Sports wird die Meinung vertreten, dass der Sport mit einem Anti-Doping-Gesetz kriminalisiert würde. Und es wird darauf hingewiesen, dass der Sport mit seiner eigenen Sportgerichtsbarkeit bislang direkter und schneller dem Dopingbetrug entgegengetreten ist, als dies in Verfahren vor ordentlichen Gerichten der Fall war.

Die Einwände der juristischen Experten sind gewiss berechtigt. Der pädagogischen, gesundheitspolitischen und kulturellen Bedeutung des Sports werden sie jedoch nicht gerecht. Sie haben vielmehr eine resignative Haltung zur Folge, gegen die wir uns zur Wehr setzen müssen. Und der Vorwurf der Kriminalisierung muss entschieden zurückgewiesen werden. Wer des Dopings überführt wird, ist kriminell, er wird nicht kriminalisiert.

Der entscheidende Fortschritt eines Anti-Doping-Gesetz wäre, dass das Problem allein durch die namentliche Kennzeichnung aufgewertet wird. Mit dem Gesetz wäre zu erwarten, dass Schwerpunktstaatsanwaltschaften und das Bundeskriminalamt, unterstützt durch Sonderabteilungen der Kriminalpolizei, in kompetenter Weise den mafiösen Dopingnetzwerken den Kampf ansagen. Ähnlich wie in Italien, wo eine spezielle Carabinieri-Abteilung und eine fachlich qualifizierte Kriminalpolizei der Unterwelt des Dopingbetruges entgegentreten. Von einem tragfähigen Anti-Doping-Gesetz wäre auch zu erwarten, dass die überführten Athleten bestraft werden. Wichtig wird dabei sein, dass die Strafen vollstreckt werden und die notwendige Ächtung der Betrüger in der Gesellschaft möglich wird.

Gewiss werden all diese Maßnahmen das Dopingproblem nicht endgültig lösen. Die Glaubwürdigkeit Deutschlands innerhalb der Weltsportorganisationen würde jedoch erheblich verbessert. Und gegenüber den sauberen Athleten würde eine Verpflichtung erfüllt, der sich alle Verantwortlichen des Sports zu stellen haben.

Deutschland steht dabei in einer ganz besonderen Verantwortung. Internationale Dopingskandale sind auf das Engste mit unserem Land verbunden. Das staatlich organisierte Doping in der ehemaligen DDR wird von außen aus verständlichen Gründen als die Keimzelle des heutigen kriminellen Dopingbetruges gewertet. Aber auch in Bezug auf den Dopingbetrug in der ehemaligen BRD ist die gemeinsame Verantwortung von Sport und Politik gefragt: Auch hier ist Aufklärung erforderlich. Wer weiter auf andere mit dem Finger zeigt, im eigenen Haus hingegen den Dopingbetrügern nicht glaubwürdig entgegentritt, der handelt verantwortungslos und vergrößert den Schaden, den Deutschland dem internationalen Hochleistungssport zugefügt hat.

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