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Mit der Macht des Monopols

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Google hat seine Bildersuche neu organisiert - zum Nachteil für Fotografen, Illustratoren und Grafiker.

Der Suchmaschinengigant Google hat seine Bildersuche neu gestaltet: Statt, wie bisher, bei einem Klick auf ein Ergebnis auf die Seite umzuleiten, auf der sich das Original befindet, wird das Bild neuerdings direkt innerhalb des Ergebnisfensters vergrößert angezeigt. Was für die Nutzer eine komfortablere Navigation bedeutet, bringt die Rechteinhaber der jeweiligen Bilder auf die Barrikaden: Wurden die Suchenden vorher noch zwangsläufig auf die Ursprungsseite umgeleitet und trieben dort die Seitenabrufe und damit auch die Werbeeinnahmen in die Höhe, bekommen die Nutzer nach der Umstellung bloß noch das, wonach sie eigentlich gesucht haben - die Bilder. Lediglich an relativ unprominenter Stelle findet sich beiläufig ein Verweis auf den Kontext, in dem sich das eigentliche Bild befindet.



Google erneuert seine Bildersuche. Die Rechteinhaber sehen das nicht gerne.

Die Methode, mit der Google diese Bilder bereitstellt, ist ethisch durchaus bedenklich. Die Originaldateien befinden sich nämlich weiterhin auf den Servern der Rechteinhaber, sie werden lediglich eingebettet in die Ergebnisseite. Dieses 'Deep Linking' ist zwar nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs rechtlich einwandfrei, im Netz aber aus guten Gründen allgemein verpönt: Derjenige, der das Bild eigentlich bereitstellt, trägt die Kosten für den entstehenden Traffic, also das digitale 'Verkehrsaufkommen', hat aber keinerlei Nutzen davon, etwa in Form von höheren Besucherzahlen. Zusammengefasst: Die neue Google-Bildersuche und ihre Nutzer profitieren von den Nachteilen, die den Rechteinhabern damit auferlegt werden.

Nun hat die Konkurrenzsuche Bing ein ähnliches Verfahren bereits im Dezember eingeführt. Bis auf wenige Kommentare auf einigen Blogs blieb der Protest allerdings aus. Das mag sicherlich an der geringeren Bedeutung des Microsoft-Angebots liegen; immerhin kommt Google im deutschsprachigen Raum auf einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent. Beiden Angeboten gemein sind jedoch die Begründungen für diesen Schritt: Dem Nutzer werde Zeit und Aufwand erspart, die ganze Suche insgesamt effizienter. Dem zugrunde liegt ganz offensichtlich die Auffassung, dass eine Suchmaschine in erster Linie den Suchenden verpflichtet ist - vielleicht in der Art, wie auch eine Bibliothek auf die Bedürfnisse der Ausleihenden zugeschnitten sein sollte, und nicht auf die der Verlage und Autoren.

Es wäre nun vermutlich so, dass eine Bibliothek, die - vielleicht aus Gründen eines einheitlichen Erscheinungsbilds - alle ihre Bücher einscannen und dabei die Namen der Rechteinhaber herausschneiden würde, Schwierigkeiten hätte, überhaupt einen nennenswerten Bestand aufzubauen oder zu erhalten. Zu ungeheuerlich würden den Verlagen die Bedingungen erscheinen, um mit ihren Werken in einer solchen Bibliothek - so groß sie auch sei - vertreten zu sein. Der Vergleich taugt zwar nur begrenzt, dennoch wird deutlich: Die Rollen sind hier klar verteilt. Die Bibliothek handelt im Interesse der Nutzer, denen sie ihre Daseinsberechtigung verdankt. Andersherum ist die Bibliothek aber auch auf die Verlage angewiesen, von denen sie ihre Inhalte bezieht - und diese spielen nur so lange mit, wie sie sich einen Vorteil (oder wenigstens keinen Nachteil) davon versprechen.

Das Eigenartige am Fall Google: Obwohl die empörten Fotografen, Illustratoren und Grafiker von der neuen Bildersuche fast ausschließlich benachteiligt werden, reagieren diese darauf nicht etwa mit dem problemlos realisierbaren Ausschluss ihrer Werke. So fordert die Initiative 'Verteidige dein Bild' - in Anlehnung an die Google-Initiative 'Verteidige dein Netz' gegen das Leistungsschutzrecht - etwa die Umgestaltung der Bildersuche (im Netz unter http://verteidige-dein-bild.de/). Zahlreiche Blogger und Bildschaffende äußern sich ähnlich. Eine Unterschriftenaktion dazu läuft bereits. Was letztlich darin zum Ausdruck kommt, ist die nur gefühlte Ohnmacht gegenüber dem vermeintlich übermächtigen Weltkonzern: 'Wir Künstler' gegen 'das System Google'. Vergessen wird dabei, wie abhängig die Bildersuche von den Produzenten ist: Was nützt der ausgefeilteste Suchalgorithmus, wenn es nichts mehr gibt, was gefunden werden kann?

Die (Markt-)Macht des Konzerns aus Mountain View - und dieser Zusammenhang lässt sich fast ohne Schwierigkeiten auch auf das umstrittene Leistungsschutzrecht übertragen - beruht in erster Linie darauf, dass er seine Nutzer in irgendeiner Weise zu bereichern scheint. Das tut er im Bereich der Suche nicht, indem er Inhalte bereitstellt, sondern, indem er sie auffindbar macht (daran ändert technisch gesehen übrigens auch die neuerliche Umstellung der Bildersuche nichts). Dabei orientiert sich Google zuerst an den Bedürfnissen seiner Nutzer, und die Marktanteile sprechen dafür, dass dies auch gut gelingt. Die Bedürfnisse der Produzenten interessieren innerhalb der gesetzlichen Grenzen nur insoweit, als dass sie eben für den Sucherfolg nötig sind. Diese Marktmacht, so lautet nun ein häufiger Vorwurf, nutze Google mit der jetzigen Umstellung allerdings aus - wer im Netz nicht in der völligen Bedeutungslosigkeit versinken wolle, so die Kritiker, müsse eben bei Google vertreten sein.

Eine solche Argumentation ist letztlich zirkulär: Weil alle bei Google zu finden sind, suchen alle bei Google, weshalb jeder bei Google zu finden sein muss, wenn er gefunden werden will. Dem zugrunde liegt eine wohlbekannte ökonomische Konstellation: das Dilemma. Weil keiner alleine auf den prinzipiellen Vorteil der Auffindbarkeit verzichten will, beugen sich - getreu dem Motto: wenn ich verzichte, dann profitiert nur jemand anderes davon - alle den Bedingungen, die Google diktiert. Natürlich ist es weitgehend unerheblich, wenn einige Fotografen vereinzelt ihre Werke von der Suche ausschließen. Doch von den neuen Bedingungen sind alle Bildschaffenden, die ihre Internetseiten kommerziell betreiben, in hohem Maße negativ betroffen - und das sind nicht nur ein paar wenige.

Mit Initiativen wie 'Verteidige dein Bild' auf ein Einlenken abzuzielen, ist sicher einen Versuch wert sein. Am Ende jedoch unterstellt man dem Konzern damit eine Macht, die völlig unabhängig ist von den Inhalten, die wiederum andere bereitstellen - eine Macht, die nur erhalten bleibt, wenn man sich nicht von dem oben genannten Zirkelschluss befreit. Das geeignetste Mittel dazu wäre wahrscheinlich, geschlossen auf Google-Auffindbarkeit zu verzichten. Zumindest wären die Rollen damit wieder etwas klarer verteilt.

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