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Kreuzberger Rauswurf

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In Berlin demonstrierten hunderte Menschen gegen die Räumung einer Wohnung, doch das Großaufgebot der Polizei gewann.

Berlin - An diesem Donnerstagmorgen um acht Uhr kreist ein Polizeihubschrauber über Kreuzberg, über der Lausitzer Straße, wo die Familie Gülbol wohnt. Um neun Uhr sollen die Gülbols ihre Wohnung verlassen, per Zwangsräumung. Doch mehrere hundert Menschen wollen das durch eine Sitzblockade verhindern, wollen der angekündigten Gerichtsvollzieherin und der Polizei den Weg versperren.



Hunderte Demonstranten versuchten den Gerichtsvollziehern den Zutritt zu versperren.

Das Haus, in dem die Familie seit 1999 wohnt, hatte den Besitzer gewechselt, der neue Eigentümer erhöhte 2007 die Miete. 93,87 Euro mehr im Monat sollte Ali Gülbol für die 126 Quadratmeter zahlen, auf denen er mit seiner Frau und drei Kindern wohnt, insgesamt 563,23 Euro kalt. Gülbol klagte über Jahre in mehreren Instanzen, doch der neue Eigentümer bekam Recht und kündigte der Familie fristlos. Ali Gülbol sagt, er habe die Mieterhöhung schließlich nachbezahlt, aber außerhalb der gesetzten Frist. Der Vermieter durfte also trotzdem zwangsräumen lassen.

'Rechtlich ist die Lage eindeutig', sagt Volker-Alexander Tönnies, Sprecher der Berliner Polizei, 'moralisch schwierig.' Er steht am Donnerstagmorgen um kurz nach acht Uhr auf der Lausitzer Straße. Etwa 800 Demonstranten sind gekommen, um die Räumung der Wohnung zu verhindern und damit gegen Mieterhöhungen und Verdrängung von Menschen mit geringen Einkommen aus dem Kiez zu demonstrieren. Den ersten Versuch der Räumung im Oktober hatten die Demonstranten bereits durch eine Sitzblockade verhindert. Deshalb hat die Gerichtsvollzieherin nun Amtshilfe angefordert. 400 Beamte sind ausgerückt.

Die Besetzung läuft größtenteils friedlich ab - die Polizei hatte aber auch schon früh morgens die Zugänge zur Lausitzer Straße mit Gittern abgeriegelt. Diejenigen, die es noch direkt vor den Hauseingang geschafft haben, vertreiben sich die Zeit mit Fußballspielen, trommeln auf Töpfe oder wickeln sich goldglitzernde, wärmende Rettungsdecken um die Socken, bevor sie die Füße wieder in die Schuhe stecken. Es sind unter null Grad, einige Demonstranten harren bereits die ganze Nacht aus.

Gegen halb neun verbreitet sich schließlich die Nachricht: Wir stehen vor der falschen Tür. Die Gerichtsvollzieherin wird durch die Hinterhöfe von der Wiener Straße aus ins Haus kommen. Vor dem Eingang dort steht mittlerweile eine Mauer aus Polizisten, es kommt zu Beschimpfungen von den hinzukommenden Demonstranten. 'Ganz Berlin hasst die Polizei', rufen einige im Chor, 'Schämst du dich nicht?', sprechen andere einzelne Polizisten an. Dann schubsen beide Seiten, es kommt zu Rangeleien, die Beamten sprühen Pfefferspray.

Um kurz nach neun Uhr ist alles entschieden. 'Die Wohnung ist verloren', sagt eine Demonstrantin. Der 41-jährige Malermeister Ali Gülbol, der seit seiner Geburt in Kreuzberg wohnt, hat der Gerichtsvollzieherin den Schlüssel ausgehändigt. Leergeräumt hatte er die Wohnung schon vorher, die Familie ist vorerst bei Ali Gülbols Eltern im selben Haus untergekommen. Enttäuschung unter den Demonstranten. 'Es ist kalt, gehen Sie nach Hause', fordert die Polizei per Lautsprecher auf. 'Das können wir nicht, wenn wir uns alle bald keine Wohnungen mehr leisten können', schreit einer zurück.

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