Drei Studenten aus Kassel entwickeln einen Rucksack, der die medizinische Versorgung in den ärmsten Ländern der Welt erleichtern soll: Er enthält eine solare Wasseraufbereitung, ein Kühlelement und Sterilisationshilfen.
Der Rucksack ist ihr großes Geheimnis. Niemand bekommt ihn zu sehen, nicht einmal den Prototyp. Irgendwann holt Philipp Odernheimer, 24, wenigstens einen kleinen Teil des großen Geheimnisses von seinem Schreibtisch. Es ist ein klobiges milchig-weißes Kunststoffstück, eine Ecke, mehr nicht. 'Aus diesem Material werden auch Hauswände und Autotüren gebaut', sagt er. Und nun auch der Rahmen für den Rucksack zur medizinischen Versorgung von Menschen in Entwicklungsländern, Krisengebieten und entlegenen Regionen der Welt.
Die technischen Feinheiten stecken ohnehin im Rucksack: eine solare Wasseraufbereitung, ein Kühlelement und eine Einheit zur Sterilisation von Instrumenten. Die Komponenten haben Odernheimer und Raphael Schönweitz, 25, in den vergangenen Jahren entwickelt, immer neue und bessere Varianten. Die Patentanmeldung läuft gerade. Auch deshalb wollen die Studenten keine technischen Details preisgeben. Sie sind Gründer, aber eines haben sie schon gelernt: Gute Ideen finden sehr schnell Nachahmer. 'Das erste Gerät soll Ende des Jahres auf den Markt kommen', sagt Martin Reh, 30, der Dritte im Bunde.
Die Männer wollen sich mit ihrer Idee selbständig machen. Odernheimer und Schönweitz haben an der Fachhochschule Nordhausen Regenerative Energietechnik studiert, als das noch nicht so in Mode war wie heute. Gerade machen sie ihren Master in Kassel; sie arbeiten am Institut für Thermodynamik. Und Reh ist Wirtschaftswissenschaftler. Er schreibt seine Masterarbeit über den demografischen Wandel. Die Arbeiten sind so gut wie fertig. Das ist wichtig. Denn die drei wollen sich um eine Förderung aus dem Exist-Programm bewerben, über das die Bundesregierung Gründungen an Universitäten fördert.
Rein studentische Teams werden nicht finanziert. Deshalb muss einer den Master haben, besser alle drei, dann gibt es mehr Geld. Hochschulabsolventen bekommen ein Jahr lang 2000 Euro monatlich, Studenten 800. Für das Projekt gibt es zusätzlich 17 000 Euro, für Workshops weitere 5000 Euro. Um die Finanzen kümmert sich Reh. Er stieß vor einem Jahr zu dem Team. Er las an einem Schwarzen Brett auf dem Kasseler Campus, dass Odernheimer und Schönweitz, die beiden Ingenieure, jemanden suchen, der sich mit Bilanzen, Finanzen, Vertrieb und Marketing auskennt. Es gab mehrere Bewerber. Aber die Wahl fiel auf Reh. Er hat schon mal gegründet, einen Online-Handel für Jagdbekleidung. Den hat Reh vor zwei Jahren verkauft. Vom Erlös könne er noch eine Weile gut leben.
Die drei sind zuversichtlich, dass sie in das Exist-Programm aufgenommen werden. Der Antrag läuft über das Gründungsnetzwerk der Universität. 'Wir haben hier an der Universität gute Inkubatoren, die stehen uns mit Rat und Tat zur Verfügung', sagt Reh. Im 'Unternehmer Rat' sitzen viele Männer und ein paar Frauen aus der Wirtschaft. Zum Beispiel Günther Cramer, einer der Mitgründer des börsennotierten Solarunternehmens SMA Solar Technology. Es gilt als Paradebeispiel für eine erfolgreiche Ausgründung aus der Hochschule. Auch die SMA-Gründer hatten sich vor mehr als drei Jahrzehnten an der Uni Kassel kennengelernt. Über das Gründer-Netzwerk sind Odernheimer, Schönweitz und Reh auch zu dem Büro im Dachgeschoss eines frisch sanierten Backsteinbaus gekommen. Früher saß hier die Firma Henschel; sie ist längst untergegangen. Heute entsteht hier Neues. 80 Euro zahlen sie im Monat für das Büro.
Das Stockwerk beherbergt auch andere Gründer. Gegenüber sitzen 'die Mädels' von der 'Alten Liebe'. Die Gründerinnen lassen von Seniorinnen Mützen häkeln. Der Erlös fließt dann in soziale Projekte für alte Menschen. Eine Tür weiter sitzt der gemeinnützige Verein 'Die Kopiloten'. Die Studenten wollen das demokratische Bewusstsein von Kindern und Jugendlichen fördern. Diese sollen früh lernen, die richtigen Fragen zu stellen und sich in die kommunale Politik einzumischen.
Eine Firma als juristische Person, also eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft zum Beispiel, dürfen Odernheimer, Schönweitz und Reh erst gründen, wenn sie die Zusage für das Exist-Programm haben. Eine Internetseite haben sie aber schon: www.rucksackspende.de. Ihr Geschäftsmodell sieht so aus: Unternehmen und Privatpersonen sollen den Rucksack kaufen und ihn dann Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder dem Roten Kreuz spenden. 4000 Euro soll einer kosten. Auf dem Rucksack wird dann der Name des Spenders genannt. Im ersten vollen Geschäftsjahr 2014 wollen sie etwa 80 Stück verkaufen. Bis zu 120 Rucksäcke könnten die drei noch selbst produzieren, für mehr müssen sie Personal einstellen. Bislang haben sie zwischen 15 000 und 20000 Euro in die Firma gesteckt. Sobald die drei ein marktfähiges Produkt haben, hoffen sie auf Kapitalgeber. Reh ist schon dabei, Kontakte zu Investoren aufzubauen.
Die Rollen im Team der Rucksack-Gründer sind klar verteilt. 'Ich bin der Praktiker', sagt Odernheimer. 'Seit meinem zwölften Geburtstag lass" ich mir zum Geburtstag oder an Weihnachten Werkzeug schenken.' Er stammt aus einer Familie von Ingenieuren. 'Mein Urgroßvater Johannes Nadrowski hat zusammen mit Rudolf Diesel an der Entwicklung von Motoren gearbeitet. Irgendwann gingen sie getrennte Wege.' Der Urgroßvater habe dann eine Dampfturbine entwickelt und eine Firma gegründet. Auf seinem Rechner hat Odernheimer neben den Konstruktionszeichnungen für den Rucksack und Rechnungen auch den Stammbaum der Familie, Schwarz-Weiß-Fotos von Johannes Nadrowski und der Dampfmaschine. Die Eltern von Schönweitz sind Lehrer. 'Ich bin der Theoretiker. Ich rechne für mein Leben gern', sagt er. Reh stammt aus einer Metzgerfamilie, den Betrieb hat sein Zwillingsbruder übernommen. Früher durften sie abends den Laden zusperren und das Geld zählen. 'Du musst ein reicher Mann sein', hat er dann als kleiner Junge zu seinem Vater gesagt. 'Aber ich muss auch die Bauern und Mitarbeiter bezahlen und Steuern abführen', antwortete der. Solche Zusammenhänge haben Reh früh fasziniert.
Die drei haben viel gemein. Sie trainieren für den Staffel-Marathon im Frühjahr in Kassel, und sie wollen unbedingt selbständig sein. 'Ich kann den Telekom-Vorstandschef René Obermann gut verstehen, dass er zurück in den Maschinenraum will, dabei sein will, wenn die eigenen Ideen in die Tat umgesetzt werden', sagt Reh.
'Es gab viele, die haben gesagt: Du bist verrückt. Such dir doch erst einen festen Job. Dann kannst du dich immer noch selbständig machen', sagt Odernheimer. Aber das wollte er nicht. 'Wenn man erst einmal einen festen Job hat, 65 000 Euro im Jahr verdient oder noch mehr, dann macht man sich nie mehr selbständig', sagt der Ingenieur. Er hatte so ein Jobangebot, einer seiner Professoren hatte es ihm vermittelt. Odernheimer wollte nicht. Auch die anderen hatten Angebote. 'Ich habe noch nie viel Geld verdient', sagt Odernheimer. 'Ich komme gut aus. Es ist doch schön, sich zu verwirklichen. Wir haben hier unseren Spaß. Wir arbeiten und leben.'
Der Rucksack ist ihr großes Geheimnis. Niemand bekommt ihn zu sehen, nicht einmal den Prototyp. Irgendwann holt Philipp Odernheimer, 24, wenigstens einen kleinen Teil des großen Geheimnisses von seinem Schreibtisch. Es ist ein klobiges milchig-weißes Kunststoffstück, eine Ecke, mehr nicht. 'Aus diesem Material werden auch Hauswände und Autotüren gebaut', sagt er. Und nun auch der Rahmen für den Rucksack zur medizinischen Versorgung von Menschen in Entwicklungsländern, Krisengebieten und entlegenen Regionen der Welt.
Die technischen Feinheiten stecken ohnehin im Rucksack: eine solare Wasseraufbereitung, ein Kühlelement und eine Einheit zur Sterilisation von Instrumenten. Die Komponenten haben Odernheimer und Raphael Schönweitz, 25, in den vergangenen Jahren entwickelt, immer neue und bessere Varianten. Die Patentanmeldung läuft gerade. Auch deshalb wollen die Studenten keine technischen Details preisgeben. Sie sind Gründer, aber eines haben sie schon gelernt: Gute Ideen finden sehr schnell Nachahmer. 'Das erste Gerät soll Ende des Jahres auf den Markt kommen', sagt Martin Reh, 30, der Dritte im Bunde.
Die Männer wollen sich mit ihrer Idee selbständig machen. Odernheimer und Schönweitz haben an der Fachhochschule Nordhausen Regenerative Energietechnik studiert, als das noch nicht so in Mode war wie heute. Gerade machen sie ihren Master in Kassel; sie arbeiten am Institut für Thermodynamik. Und Reh ist Wirtschaftswissenschaftler. Er schreibt seine Masterarbeit über den demografischen Wandel. Die Arbeiten sind so gut wie fertig. Das ist wichtig. Denn die drei wollen sich um eine Förderung aus dem Exist-Programm bewerben, über das die Bundesregierung Gründungen an Universitäten fördert.
Rein studentische Teams werden nicht finanziert. Deshalb muss einer den Master haben, besser alle drei, dann gibt es mehr Geld. Hochschulabsolventen bekommen ein Jahr lang 2000 Euro monatlich, Studenten 800. Für das Projekt gibt es zusätzlich 17 000 Euro, für Workshops weitere 5000 Euro. Um die Finanzen kümmert sich Reh. Er stieß vor einem Jahr zu dem Team. Er las an einem Schwarzen Brett auf dem Kasseler Campus, dass Odernheimer und Schönweitz, die beiden Ingenieure, jemanden suchen, der sich mit Bilanzen, Finanzen, Vertrieb und Marketing auskennt. Es gab mehrere Bewerber. Aber die Wahl fiel auf Reh. Er hat schon mal gegründet, einen Online-Handel für Jagdbekleidung. Den hat Reh vor zwei Jahren verkauft. Vom Erlös könne er noch eine Weile gut leben.
Die drei sind zuversichtlich, dass sie in das Exist-Programm aufgenommen werden. Der Antrag läuft über das Gründungsnetzwerk der Universität. 'Wir haben hier an der Universität gute Inkubatoren, die stehen uns mit Rat und Tat zur Verfügung', sagt Reh. Im 'Unternehmer Rat' sitzen viele Männer und ein paar Frauen aus der Wirtschaft. Zum Beispiel Günther Cramer, einer der Mitgründer des börsennotierten Solarunternehmens SMA Solar Technology. Es gilt als Paradebeispiel für eine erfolgreiche Ausgründung aus der Hochschule. Auch die SMA-Gründer hatten sich vor mehr als drei Jahrzehnten an der Uni Kassel kennengelernt. Über das Gründer-Netzwerk sind Odernheimer, Schönweitz und Reh auch zu dem Büro im Dachgeschoss eines frisch sanierten Backsteinbaus gekommen. Früher saß hier die Firma Henschel; sie ist längst untergegangen. Heute entsteht hier Neues. 80 Euro zahlen sie im Monat für das Büro.
Das Stockwerk beherbergt auch andere Gründer. Gegenüber sitzen 'die Mädels' von der 'Alten Liebe'. Die Gründerinnen lassen von Seniorinnen Mützen häkeln. Der Erlös fließt dann in soziale Projekte für alte Menschen. Eine Tür weiter sitzt der gemeinnützige Verein 'Die Kopiloten'. Die Studenten wollen das demokratische Bewusstsein von Kindern und Jugendlichen fördern. Diese sollen früh lernen, die richtigen Fragen zu stellen und sich in die kommunale Politik einzumischen.
Eine Firma als juristische Person, also eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft zum Beispiel, dürfen Odernheimer, Schönweitz und Reh erst gründen, wenn sie die Zusage für das Exist-Programm haben. Eine Internetseite haben sie aber schon: www.rucksackspende.de. Ihr Geschäftsmodell sieht so aus: Unternehmen und Privatpersonen sollen den Rucksack kaufen und ihn dann Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder dem Roten Kreuz spenden. 4000 Euro soll einer kosten. Auf dem Rucksack wird dann der Name des Spenders genannt. Im ersten vollen Geschäftsjahr 2014 wollen sie etwa 80 Stück verkaufen. Bis zu 120 Rucksäcke könnten die drei noch selbst produzieren, für mehr müssen sie Personal einstellen. Bislang haben sie zwischen 15 000 und 20000 Euro in die Firma gesteckt. Sobald die drei ein marktfähiges Produkt haben, hoffen sie auf Kapitalgeber. Reh ist schon dabei, Kontakte zu Investoren aufzubauen.
Die Rollen im Team der Rucksack-Gründer sind klar verteilt. 'Ich bin der Praktiker', sagt Odernheimer. 'Seit meinem zwölften Geburtstag lass" ich mir zum Geburtstag oder an Weihnachten Werkzeug schenken.' Er stammt aus einer Familie von Ingenieuren. 'Mein Urgroßvater Johannes Nadrowski hat zusammen mit Rudolf Diesel an der Entwicklung von Motoren gearbeitet. Irgendwann gingen sie getrennte Wege.' Der Urgroßvater habe dann eine Dampfturbine entwickelt und eine Firma gegründet. Auf seinem Rechner hat Odernheimer neben den Konstruktionszeichnungen für den Rucksack und Rechnungen auch den Stammbaum der Familie, Schwarz-Weiß-Fotos von Johannes Nadrowski und der Dampfmaschine. Die Eltern von Schönweitz sind Lehrer. 'Ich bin der Theoretiker. Ich rechne für mein Leben gern', sagt er. Reh stammt aus einer Metzgerfamilie, den Betrieb hat sein Zwillingsbruder übernommen. Früher durften sie abends den Laden zusperren und das Geld zählen. 'Du musst ein reicher Mann sein', hat er dann als kleiner Junge zu seinem Vater gesagt. 'Aber ich muss auch die Bauern und Mitarbeiter bezahlen und Steuern abführen', antwortete der. Solche Zusammenhänge haben Reh früh fasziniert.
Die drei haben viel gemein. Sie trainieren für den Staffel-Marathon im Frühjahr in Kassel, und sie wollen unbedingt selbständig sein. 'Ich kann den Telekom-Vorstandschef René Obermann gut verstehen, dass er zurück in den Maschinenraum will, dabei sein will, wenn die eigenen Ideen in die Tat umgesetzt werden', sagt Reh.
'Es gab viele, die haben gesagt: Du bist verrückt. Such dir doch erst einen festen Job. Dann kannst du dich immer noch selbständig machen', sagt Odernheimer. Aber das wollte er nicht. 'Wenn man erst einmal einen festen Job hat, 65 000 Euro im Jahr verdient oder noch mehr, dann macht man sich nie mehr selbständig', sagt der Ingenieur. Er hatte so ein Jobangebot, einer seiner Professoren hatte es ihm vermittelt. Odernheimer wollte nicht. Auch die anderen hatten Angebote. 'Ich habe noch nie viel Geld verdient', sagt Odernheimer. 'Ich komme gut aus. Es ist doch schön, sich zu verwirklichen. Wir haben hier unseren Spaß. Wir arbeiten und leben.'