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Diamantenraub

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Wenn es in den vergangenen Jahren in Belgien je einen Moment gegeben haben sollte, bei dem die Realität an der Fiktion vorbeizog, dann trug er sich wohl am Montagabend am Flughafen von Brüssel zu. Um 19 Uhr 47, kurz vor dem Start des Helvetic-Air-Fluges LX789 im Dienste der Swiss Air.

Acht schwerbewaffnete, als Polizisten verkleidete Männer rasten in zwei dunklen Fahrzeugen über das Rollfeld, hielten vor einer Fokker, der an der Heckflosse mit der Schweizer Flagge geschmückt war, zückten Maschinengewehre und erzwangen mit gezückten Waffen die Herausgabe von 120 Päckchen, die in einem Panzerwagen des Sicherheitsdienstes Brick·s serviert worden waren. Dann rasten sie, mit blauem Signallicht auf dem Dach und ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben, wieder davon.



Von 37 Millionen Euro Beute wird gesprochen.

Keine elf Minuten waren sie auf dem Flughafen, der Raub an sich war in fünf Minuten erledigt, die rund 20 Passagiere, die bereits an Bord waren und sich auf den Flug nach Zürich vorbereiteten, bekamen entweder nichts mit oder dachten sich beim Blick aus dem Fenster nichts weiter: die Gangster waren zwar vermummt, aber als Polizisten verkleidet. Zurück blieben schließlich nur zwei Sicherheiten. Erstens, dass Profis am Werk waren, wie am Dienstagvormittag zwei Sprecherinnen der Brüsseler Staatsanwaltschaft in einer hoffnungslos überbuchten Pressekonferenz mitteilten, eine auf Französisch, die andere auf Flämisch. Und zweitens, dass die unerkannt entkommenen, bis dato unbekannten Täter ein Vermögen erbeutet hatten. Denn in den 120 Päckchen befanden sich rohe und polierte Diamanten aus Antwerpen.

Auf den Wert der Beute wollte sich am Dienstag niemand festnageln lassen. Die belgische Staatsanwaltschaft enthielt sich jeden Kommentars; eine Sprecherin des Dachverbandes Antwerp World Diamond Center (AWDC) sagte lediglich, dass aus Branchenkreisen von 50 Millionen US-Dollar (37 Millionen Euro) gesprochen werde. Das entspricht in etwa einem Fünftel des Tagesumsatzes an der Antwerpener Diamantenbörse, wo etwa 80 Prozent des weltweiten Diamantenhandels abgewickelt werden. Am Dienstagmorgen wartete ein belgischer Sender mit der Meldung auf, dass die Beute einen Gegenwert von bis zu 350 Millionen Euro hatte. Doch für diese Summe gab es keinerlei Bestätigung. Unklar blieb auch, ob den Räubern nur Diamanten oder auch andere Prätiosen in die Hände gefallen waren; gemunkelt wurde über Gold, Juwelen, Platinstaub. 'Das einzige, was wir sagen können, ist, dass wir perplex sind. Und besorgt', sagte AWDC-Sprecherin Karen Rentmeesters. Denn ein solches Sicherheitsleck hatten sie wohl nicht einmal vermutet. Andererseits: Alteingesessene erinnern sich an Überfälle auf belgischen Flughäfen aus den 90er Jahren. Sowie daran, dass es in Belgien immer wieder mal zu Debatten kommt, ob Diamantentransporte von der Polizei oder von privaten Unternehmen gesichert werden sollen. Zurzeit ist die Polizei involviert, auf dem Flughafen sind drei verschiedene Sicherheitsdienste tätig. 'Wir hoffen, dass nun zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden können, damit ein flüssiger und sicherer Diamantentransport gewährleistet bleibt', erklärte die AWDC.

Dort war man am Dienstag insbesondere darüber erstaunt, dass es so einfach gewesen sein soll, auf die Rollbahn zu fahren. Die Flughafenbehörde wiederum unterstrich, dass sie nur für die Flugsicherheit zuständig ist. Auf der Hand liegt, dass die Täter minutiöse Kenntnisse hatten, wohl über den Transport sowie über die Verhältnisse und den Sicherheitsvorkehrungen auf dem Flughafen. Nach bisherigen Erkenntnissen durchbrachen die Täter an einer Stelle einen Maschendrahtzaun, um auf das Gelände zu gelangen, er ist insgesamt 25 Kilometer lang. Dann wickelten sie den Vorgang rasend schnell ab. Im Fluge sozusagen. Aauf ihrer Flucht stellten sie eines der Fahrzeuge in Zellik ab, das 20 Kilometer vom Flughafen entfernt ist, und zündeten ihn an, um Spuren zu verwischen. Zeugen berichteten, die Täter seien in ein anderes Fahrzeug umgestiegen. 'Das war eine mit fast schon militärischer Präzision durchgeführte Operation', sagte eine mit den Ermittlungserkenntnissen vertraute Person.

Für den Ruf der Sicherheit des Brüsseler Flughafens ist die Angelegenheit doppelt peinlich. Erst vor einer Woche war im spanischen Málaga ein Minderjähriger aufgegriffen worden, der es ohne Bordkarte in eine Ferienflieger geschafft hatte. Doch das ist eine andere Geschichte.

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