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Brei im Feinkostladen

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Kommentar: Das Land braucht ARD und ZDF. Aber nicht so bieder

Der Intendant aus Hamburg zuckt mit den Schultern und fragt: Wo ist das Problem? Die Programmdirektorin aus Köln sagt: Wir haben damit nichts zu tun, die Abgabe wurde von den Ländern beschlossen. Der ehemalige Staatssekretär aus Mainz, der sie sich ausgedacht hatte, sagt: Ich kann keine Fehler erkennen, ist doch alles gut.



Wir brauchen ARD und ZDF - aber ein bisschen mehr Frische wäre nett.

Ist doch alles gut?

Vor zwei Jahren wurde die Haushaltsabgabe beschlossen, seit zwei Monaten gibt es sie, akzeptiert ist sie noch keinen Tag - obwohl Akzeptanz das Ziel war. Es sind nicht die 17,98 Euro, die den Zorn entfachen. Gezahlt haben früher auch schon 95 Prozent aller Beitragspflichtigen. Die Reform ist vielmehr ein weiteres Kapitel im arroganten Umgang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit denen, die ihn finanzieren. Hierin zeigt sich die selbstherrliche Annahme, dass der Bürger schluckt, was ihm vorgesetzt wird. Pilcher und Volksmusik. Die Gebühr. Den aufgeblasenen Apparat.

Die befremdliche Art, wie die Verantwortlichen in den Sendern mit denen umgehen, die ihren Arbeitsplatz finanzieren, lässt sich beispielhaft an der Beitragsdebatte zeigen. Statt auf die Kritik ernsthaft einzugehen, reden sie die Reform schön, und ihren ganzen Apparat gleich mit. Die Fachabteilung für schicke Wörter nennt die Gebühreneinzugszentrale, die alte GEZ, nun 'Beitragsservice'. Die Fachabteilung für Bürgerferne erfindet die lieblose Internetseite Rundfunkbeitrag.de, auf der kurioserweise gerade per Ausschreibung neues Wachpersonal für das Gebäude des Beitragsservice in Köln gesucht wird. In Werbespots schlendern Günther Jauch (ARD) und Maybrit Illner (ZDF) über eine Dachterrasse, flachsen Tom Buhrow und Claus Kleber im Büro - um was zu sagen? Regt euch ab, wir haben alle Zeit der Welt?

So kann man vielleicht Kindern die Welt erklären, aber sicher nicht mündigen Fernsehzuschauern, die jedes Jahr fast 7,5 Milliarden Euro an Gebühren in den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt pumpen. Das macht wütend, und so ist aus einzelner Kritik am Beitrag nun ein Flächenbrand geworden. Längst geht es nicht mehr nur um ihn, sondern vor allem um die Frage: Sollen wir uns den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Form noch leisten?

Was ist das für ein System, in dem Qualität in Spartensender geschoben wird, damit der Zuschauer im Hauptprogramm mit dem Adlon eingeseift wird? Was ist das für ein System, in dem die besten Dokumentationen in der Nacht laufen? Warum wird ein Polizeiruf wie 'Denn sie wissen nicht, was sie tun' auf den späten Abend geschoben, wie nach nur wenigen Folgen auch Dominik Grafs Reihe 'Im Angesicht des Verbrechens'? Warum muss es fünf Talkshows in der ARD geben, in denen die immerselben Gäste die immerselben Meinungen kundtun? Was ist das für ein System, in dem ein Film als Flop gilt, wenn er drei Millionen Zuschauer hat? Eine Zahl, die viele Kinofilme nie erreichen.

Den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk muss es weitergeben, er soll durch Gebühren finanziert werde. Aber er muss sich nicht aus Sorge um Marktanteile dem statistisch ermittelten Durchschnittszuschauer als Weichspüler andienen. Und er muss seinen Auftrag ernst nehmen, alle Beitragszahler zu bedienen - aber trotzdem nicht auf Mittelmaß zu setzen.

Das Schlingern begann, als die private Konkurrenz auftauchte, als zunehmend nicht mehr die Kreativität der Redakteure das Programm bestimmte, sondern der Taschenrechner der Intendanten. Auf der Suche nach einem vermeintlichen Maßstab für Qualität setzten sie auf die Quote.

Ihren Anspruch auf Gebühren versuchen sie heute zu rechtfertigen, in dem sie die Quote für Pilcher, Silbereisen, Adlon ins Feld führen. Seht her, wir halten mit den Privaten mit! Gut ist, was mehrheitsfähig ist. Aber soll es der Auftrag von ARD und ZDF sein, mundgerechtes Programm für Senioren zu machen? Die Jugend ins digitale Nirwana abzuschieben, den Rest auf 23.30 Uhr oder Arte zu vertrösten?

Wer ob einer Subvention nicht gewinnorientiert arbeiten muss, kann sich alle Freiheiten nehmen. Dazu gehört nicht, im Bieterstreit um Sportrechte mit unanständig hohen Budgets zu wedeln, auf dass die private Konkurrenz aussteigt. Und dazu zählt schon gar nicht, trotz Quasi-Steuer nicht einmal genau aufzulisten, wofür das Geld eigentlich ausgegeben wird. Es geht um die Freiheit, mutig zu sein. Um zu experimentieren. Das gab es alles, bevor sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Quotenstrudel begeben hat.

Amerika. So muss Fernsehen sein, sagen viele. Mad Men. Homeland. Breaking Bad. Großartige Serien, nur haben sie nichts mit Fernsehen für alle zu tun. Jede Folge Mad Men kostet zwei Millionen Euro. Ein deutscher Fernsehfilm kostet die Hälfte. Die Serien sind privat finanziert und rentabel, weil sie weltweit verkauft werden. In den USA aber laufen sie im Pay-TV, das nur wenige Amerikaner zahlen können.

Großbritannien. So muss Fernsehen sein, sagen viele. Die BBC. Call the Midwife, bahnbrechende Dokumentationen und eine Newsnight-Redaktion, die auf dem Höhepunkt des Pädophilenskandals den eigenen Nachrichtensprecher sagen lässt: 'Von der BBC gab es hierzu keine Stellungnahme.' Aber auch die BBC pumpt Gebührengelder in Strukturen, die noch aufgeblasener sind als die deutschen.

Amerika hat das Geld. Großbritannien den Mut. Und Deutschland? Vor allem Zuschauer, die ernst genommen werden wollen. Die klüger sind, als man in den Festungen von ARD und ZDF glaubt. Die wütend sind, dass ihnen Einheitsbrei vorgesetzt wird, wenn sie für Feinkost zahlen. Es gibt großartige Regisseure, Produzenten, Autoren, Schauspieler hier. Es gibt großartige Redakteure, Programmdirektoren, Intendanten. Viele sind verzagt, sagen das aber nicht öffentlich. Aus Angst, den Auftrag zu verlieren, als Nestbeschmutzer zu gelten. Wer Angst hat, setzt auf die Quote.

Wer keine Angst hat, redet mit dem Bürger. Wie letzteres geht, macht Willi Steul, der Intendant des gebührenfinanzierten Deutschlandradios, vor. Regelmäßig lässt der sich im Radio von Hörern in die Mangel nehmen. Qualität, Transparenz und ein kritische Dialog - das zusammengenommen sichert dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Zukunft, nicht quotengesteuerte Hasenfüßigkeit.

Wer weiß, ob es in zehn Jahren Fernsehen noch gibt, sagen manche. So viel Zweifel ist nicht angebracht. In den USA ist längst die Rede vom TV 3.0. Menschen sitzen nicht mehr allein vor der DVD-Serienstaffel, sondern wieder artig vorm Programm und reden drüber - auf Twitter. Gutes Fernsehen wird wieder zum Gemeinschaftserlebnis, gerade für junge und anspruchsvolle Zuschauer. Das sollte doch auch in Deutschland möglich sein.

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