Bei vielen Höfen tauchen vier Mal im Jahr Kontrolleure auf, aber die Betrüger kennen durchaus Wege, sie hereinzulegen. Die wichtigsten Fragen zum Eier-Betrug.
Ausgerechnet Eier. Dabei waren sie bislang das einzige tierische Produkt, bei dem der Verbraucher das Gefühl hatte, er könne durch seine bewusste Kaufentscheidung dazu beitragen, dass es den Tieren besser geht: indem er auf Käfigeier verzichtet und nur noch die etwas teureren Eier aus Boden-, Freiland- oder Ökohaltung kauft. Anders als bei Fleisch- oder Milchprodukten, wo nur selten erkennbar ist, wie das Tier gelebt hat, ist bei Eiern schließlich seit 2004 alles klar und leicht verständlich auf der Verpackung angegeben. Seitdem hat der Verbraucher die Wahl. Dachte er.
Beim Ei waren wir uns eigentlich immer sicher, mit Bio richtig zu liegen - doch auch dieses Vertrauen hat nun einen Knacks.
Doch jetzt stellt sich heraus: Falsch gedacht. Wer mehr bezahlt hat, scheint selbst schuld gewesen zu sein. Stimmen die Annahmen der Staatsanwaltschaft Oldenburg, dann wurden Millionen Eier als Freiland-, Bodenhaltungs- oder sogar Bio-Eier verkauft, obwohl sie aus Betrieben stammten, in denen die jeweils vorgeschriebenen Platz-Standards nicht eingehalten wurden. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.
Seit wann laufen die Ermittlungen?
Seit Oktober 2011. Inzwischen stehen mehr als 200 Betriebe im Verdacht, zu viele Legehennen auf zu wenig Platz gehalten- und somit ihre Eier falsch deklariert zu haben. Eine Gesundheitsgefahr bestand allerdings zu keinem Zeitpunkt.
Wurden die Verbraucher also in den vergangenen eineinhalb Jahren systematisch getäuscht?
Wohl eher nicht. Laut dem niedersächsischen Landwirtschaftsministerium haben die Betriebe ihre Bestände verringert, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufgenommen hat. Insofern dürften zumindest die Höfe, gegen die offiziell ermittelt wird, seitdem keine falsch deklarierten Eier mehr verkauft haben.
Woran erkennt man, aus welcher Haltungsform das Ei stammt?
An der ersten Ziffer des Stempelcodes, der sich auf jedem Ei befinden muss. Die 0 steht für Bio-Eier, die 1 für Freilandhaltung, die 2 für Bodenhaltung und die 3 für Käfigeier. Käfigeier werden allerdings fast nur noch in Produkten wie Teigwaren oder Eiscreme verarbeitet. Bei der Boden- und der Freilandhaltung dürfen maximal neun Hühner pro Quadratmeter Stallfläche gehalten werden, bei Biobetrieben maximal sechs. Auslauf ist nur für Freiland- und Biotiere vorgeschrieben. In beiden Fällen müssen dem einzelnen Huhn vier Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen. Für Biohühner gelten darüber hinaus strengere Regeln, was das Futter anbelangt, beispielsweise darf es keine Gentechnik enthalten. Auch darf ihnen nur eine begrenzte Menge von Medikamenten verabreicht werden.
Wie werden die Betriebe kontrolliert?
In jedem Fall durch die zuständigen staatlichen Behörden, etwa die Veterinärämter. Hat sich ein Betrieb aber beispielsweise einem Ökoverband angeschlossen oder auch dem Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen (KAT), finden darüber hinaus regelmäßig privat organisierte Kontrollen statt.
Wieso ist dabei nicht aufgefallen, dass die Betriebe zu viele Tiere halten?
Weil das gar nicht so leicht zu erkennen ist. Hält ein Betrieb zum Beispiel 3000 Legehennen, kommt der Kontrolleur mit dem Zählen nicht weit. Bei dem Kontrollsystem von KAT beispielsweise, dem mehr als 5000 Legebetriebe aus der EU angehören, finden deshalb regelmäßig Plausibilitätsprüfungen statt. Dabei wird kontrolliert, ob die tägliche Anzahl an gelegten Eiern zur Anzahl der Hennen passt. Bis Montag hatte KAT keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich unter den verdächtigen Betrieben auch ein Verbandsmitglied befindet. Man habe alle Kontrollstellen sowie die Legebetriebe aufgefordert, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu melden, sagte eine Sprecherin. Sollten solche Meldungen eingehen, würden die Betriebe 'aus dem KAT-System ausgeschlossen'.
Wieso haben nicht einmal die Bio-Siegel-Kontrolleure etwas bemerkt?
Unter den verdächtigen Betrieben befinden sich auch ein paar Biohöfe. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), vermutet, dass es sich dabei um große, industrielle Betriebe handelt, und nicht um bäuerliche. 'Allerdings wird man das erst wissen, wenn die Staatsanwaltschaft darüber Auskunft gibt.' Bei solchen Großbetrieben aber würden selbst Plausibilitätskontrollen an ihre Grenzen stoßen. Die Inhaber hätten oft mehrere Ställe, sodass sie bei entsprechender krimineller Energie sowohl die Anzahl der Legehennen als auch die Anzahl der produzierten Eier in ihren Unterlagen 'hin- und herschieben könnten'. Zwar würden große Biobetriebe bis zu vier Mal im Jahr kontrolliert, drei Mal davon unangekündigt, 'doch natürlich ist es denkbar, dass auch der Kontrolleur betrogen wird', sagt Löwenstein. 'Vielleicht hat der Produzent ihm nur den Kaufbeleg über 3000 Jungtiere gezeigt und verschwiegen, dass er später 300 weitere gekauft hat.' Löwenstein spricht sich daher dafür aus, verstärkt betriebsübergreifend zu kontrollieren. 'Man sollte häufiger nachschauen, ob die Auslieferungen der Junghennenbetriebe mit den Einkäufen der Legebetriebe übereinstimmen.'
Wie werden die meisten Legehennen heute in Deutschland gehalten?
Die allermeisten Legehennen, nämlich 26,8 Millionen und damit 64 Prozent, leben heute in Bodenhaltung. An zweiter Stelle folgt die Freilandhaltung mit 5,4 Millionen Tieren (15 Prozent). An dritter Stelle steht die Käfighaltung mit 4,9 Millionen Tieren (13 Prozent). Dabei handelt es sich allerdings nicht mehr um die konventionellen Legebatterien, stattdessen werden die Tiere in Kleingruppen gehalten. Auf Biohöfen leben gerade mal 2,9 Millionen Tiere (8 Prozent).
Ausgerechnet Eier. Dabei waren sie bislang das einzige tierische Produkt, bei dem der Verbraucher das Gefühl hatte, er könne durch seine bewusste Kaufentscheidung dazu beitragen, dass es den Tieren besser geht: indem er auf Käfigeier verzichtet und nur noch die etwas teureren Eier aus Boden-, Freiland- oder Ökohaltung kauft. Anders als bei Fleisch- oder Milchprodukten, wo nur selten erkennbar ist, wie das Tier gelebt hat, ist bei Eiern schließlich seit 2004 alles klar und leicht verständlich auf der Verpackung angegeben. Seitdem hat der Verbraucher die Wahl. Dachte er.
Beim Ei waren wir uns eigentlich immer sicher, mit Bio richtig zu liegen - doch auch dieses Vertrauen hat nun einen Knacks.
Doch jetzt stellt sich heraus: Falsch gedacht. Wer mehr bezahlt hat, scheint selbst schuld gewesen zu sein. Stimmen die Annahmen der Staatsanwaltschaft Oldenburg, dann wurden Millionen Eier als Freiland-, Bodenhaltungs- oder sogar Bio-Eier verkauft, obwohl sie aus Betrieben stammten, in denen die jeweils vorgeschriebenen Platz-Standards nicht eingehalten wurden. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.
Seit wann laufen die Ermittlungen?
Seit Oktober 2011. Inzwischen stehen mehr als 200 Betriebe im Verdacht, zu viele Legehennen auf zu wenig Platz gehalten- und somit ihre Eier falsch deklariert zu haben. Eine Gesundheitsgefahr bestand allerdings zu keinem Zeitpunkt.
Wurden die Verbraucher also in den vergangenen eineinhalb Jahren systematisch getäuscht?
Wohl eher nicht. Laut dem niedersächsischen Landwirtschaftsministerium haben die Betriebe ihre Bestände verringert, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufgenommen hat. Insofern dürften zumindest die Höfe, gegen die offiziell ermittelt wird, seitdem keine falsch deklarierten Eier mehr verkauft haben.
Woran erkennt man, aus welcher Haltungsform das Ei stammt?
An der ersten Ziffer des Stempelcodes, der sich auf jedem Ei befinden muss. Die 0 steht für Bio-Eier, die 1 für Freilandhaltung, die 2 für Bodenhaltung und die 3 für Käfigeier. Käfigeier werden allerdings fast nur noch in Produkten wie Teigwaren oder Eiscreme verarbeitet. Bei der Boden- und der Freilandhaltung dürfen maximal neun Hühner pro Quadratmeter Stallfläche gehalten werden, bei Biobetrieben maximal sechs. Auslauf ist nur für Freiland- und Biotiere vorgeschrieben. In beiden Fällen müssen dem einzelnen Huhn vier Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen. Für Biohühner gelten darüber hinaus strengere Regeln, was das Futter anbelangt, beispielsweise darf es keine Gentechnik enthalten. Auch darf ihnen nur eine begrenzte Menge von Medikamenten verabreicht werden.
Wie werden die Betriebe kontrolliert?
In jedem Fall durch die zuständigen staatlichen Behörden, etwa die Veterinärämter. Hat sich ein Betrieb aber beispielsweise einem Ökoverband angeschlossen oder auch dem Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen (KAT), finden darüber hinaus regelmäßig privat organisierte Kontrollen statt.
Wieso ist dabei nicht aufgefallen, dass die Betriebe zu viele Tiere halten?
Weil das gar nicht so leicht zu erkennen ist. Hält ein Betrieb zum Beispiel 3000 Legehennen, kommt der Kontrolleur mit dem Zählen nicht weit. Bei dem Kontrollsystem von KAT beispielsweise, dem mehr als 5000 Legebetriebe aus der EU angehören, finden deshalb regelmäßig Plausibilitätsprüfungen statt. Dabei wird kontrolliert, ob die tägliche Anzahl an gelegten Eiern zur Anzahl der Hennen passt. Bis Montag hatte KAT keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich unter den verdächtigen Betrieben auch ein Verbandsmitglied befindet. Man habe alle Kontrollstellen sowie die Legebetriebe aufgefordert, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu melden, sagte eine Sprecherin. Sollten solche Meldungen eingehen, würden die Betriebe 'aus dem KAT-System ausgeschlossen'.
Wieso haben nicht einmal die Bio-Siegel-Kontrolleure etwas bemerkt?
Unter den verdächtigen Betrieben befinden sich auch ein paar Biohöfe. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), vermutet, dass es sich dabei um große, industrielle Betriebe handelt, und nicht um bäuerliche. 'Allerdings wird man das erst wissen, wenn die Staatsanwaltschaft darüber Auskunft gibt.' Bei solchen Großbetrieben aber würden selbst Plausibilitätskontrollen an ihre Grenzen stoßen. Die Inhaber hätten oft mehrere Ställe, sodass sie bei entsprechender krimineller Energie sowohl die Anzahl der Legehennen als auch die Anzahl der produzierten Eier in ihren Unterlagen 'hin- und herschieben könnten'. Zwar würden große Biobetriebe bis zu vier Mal im Jahr kontrolliert, drei Mal davon unangekündigt, 'doch natürlich ist es denkbar, dass auch der Kontrolleur betrogen wird', sagt Löwenstein. 'Vielleicht hat der Produzent ihm nur den Kaufbeleg über 3000 Jungtiere gezeigt und verschwiegen, dass er später 300 weitere gekauft hat.' Löwenstein spricht sich daher dafür aus, verstärkt betriebsübergreifend zu kontrollieren. 'Man sollte häufiger nachschauen, ob die Auslieferungen der Junghennenbetriebe mit den Einkäufen der Legebetriebe übereinstimmen.'
Wie werden die meisten Legehennen heute in Deutschland gehalten?
Die allermeisten Legehennen, nämlich 26,8 Millionen und damit 64 Prozent, leben heute in Bodenhaltung. An zweiter Stelle folgt die Freilandhaltung mit 5,4 Millionen Tieren (15 Prozent). An dritter Stelle steht die Käfighaltung mit 4,9 Millionen Tieren (13 Prozent). Dabei handelt es sich allerdings nicht mehr um die konventionellen Legebatterien, stattdessen werden die Tiere in Kleingruppen gehalten. Auf Biohöfen leben gerade mal 2,9 Millionen Tiere (8 Prozent).