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Bühne frei für derbe Späße

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Warum das italienische Beben die fein austarierten Pläne ruinieren könnte, mit denen Europa die Krise überwinden will.

Von Schockstarre zu reden, wäre übertrieben, aber eine gewisse Ratlosigkeit hat die EU nach den Wahlen in Italien schon befallen. Und eine gewaltige Nervosität. Denn dass Mario Monti, der Liebling der Brüsseler Politszene, von den Italienern dermaßen abgestraft und nicht nur von dem TV-Populisten Silvio Berlusconi, sondern auch von einem politisch durchgeknallten Komiker mit großem Abstand geschlagen wurde, bringt alle europäischen Rechnungen durcheinander.

Der ehemalige EU-Kommissar Monti hatte sein Heimatland nach den wüsten Berlusconi-Jahren als zuverlässigen Partner wieder ins Zentrum der europäischen Entwicklung geführt. Er galt als der richtige Mann, die Politburlesken in Rom zu beenden und Italien zu modernisieren. Und er war ein zwar nicht immer einfacher, aber insgesamt doch in seinem politischen Ansatz guter Partner für Bundeskanzlerin Angela Merkel, ohne die in Europas Krisenmanagement nichts läuft.



Wird Italien nach der Wahl zur Gefahr für die Krisenpolitik Europas?

Nun könnten Brüssel und Berlin politisches Durcheinander in Rom ertragen, wenn die Zeiten denn normal wären. Aber das sind sie nicht. Die Wellen des italienischen Bebens haben das Potenzial, die fein austarierten Pläne zu ruinieren, mit denen sich Europa in diesem Jahr endgültig aus der Krise zu retten hofft. Die Politik der von Deutschland und den eher nördlichen EU-Staaten durchgesetzten Kombination aus Wirtschaftsreformen und Haushaltsdisziplin wird wieder in Zweifel gezogen werden. Und so lange es in Italien keine - europafreundliche - Regierung gibt, wird die für den Sommer angepeilte Reform der Wirtschafts- und Währungsunion kaum zustande kommen. Als drittgrößte Wirtschaft der Eurozone hat Italien schließlich ein gewichtiges Wort mitzureden.

Das vermutlich größte und unmittelbare Problem ist für die EU ein Wiederaufflammen der Debatte über ihren Kurs in der Krise. Und die hat schon begonnen. Die vollen Konsequenzen des italienischen Wahlergebnisses waren noch gar nicht abzusehen, da interpretierte sie zum Beispiel Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, im Deutschlandfunk bereits als eine Aufforderung der Italiener an Brüssel, von der 'einseitigen Kürzungspolitik' Abschied zu nehmen. Und der französische Finanzminister Pierre Moscovici las das Ergebnis flugs als einen Aufruf, die europäische Politik stärker auf Wachstum auszurichten.

Nun haben auch Berlin, Den Haag oder Helsinki nichts gegen Wachstum. Aber anders als etwa die neue sozialistische Regierung in Paris, die sich irgendwie als Kopf des südlichen Lagers begreift, sehen sie das Heil nicht in der alten Formel, dass der Staat nur genug Geld in die Hand nehmen müsse, um die Wirtschaft wieder ans Laufen zu bringen. Wegen dieser Politik sind einige Staaten jetzt faktisch pleite oder doch am Rand des Staatsbankrotts. Die Nord-Fraktion in der EU setzt darum auf eine Kombination aus Schuldenabbau und Reform der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme, um jene Kräfte frei zu setzen, die Wachstum generieren können. Ob diese Linie aber weiter durchgehalten werden kann, ist zumindest fraglich. Auch deshalb reagieren die Finanzmärkte derart nervös auf das italienische Ergebnis.

Denn der eigentliche Effekt der italienischen Wahl könnte darin liegen, dass sich nun einige europäische Regierungen- Finanzmärkte hin oder her - aus dem Krisen-Konsens herausstehlen. Das politische Schicksal Montis dürfte vielen wie ein Menetekel für das eigene erscheinen. Man erinnert sich wieder an Gerhard Schröder. Der war 2005 von den Wählern wegen seiner Arbeitsmarktreformen aus dem Kanzleramt gejagt worden. Nicht wenige seiner regierenden Kollegen haben daraus die Lehre gezogen, dass mutige Reformen das politische Überleben riskieren.

Einer, der schon schwer ins Grübeln über die Weisheit des nordisch dominierten Kurses gekommen sein dürfte, ist der portugiesische Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. Als er seinem Parlament kürzlich über den EU-Gipfel berichten wollte, da sang von der Zuschauertribüne ein mächtiger Chor 'Grandola Villa Morena'. Dieses Lied war 1974 - über den Rundfunk ausgestrahlt - das verabredete Signal für den Aufstand der jungen Militärs gegen die Diktatur gewesen. Coelho dürfte den Gesang so verstehen, wie er gemeint ist: als letzte Warnung. Widerstand kann eben viele Formen annehmen.

Mit dem italienischen Ergebnis dürfte auch der Widerstand gegen die Reformpläne für die Wirtschafts- und Währungsunion größer werden, die im Juni eigentlich auf den Weg gebracht werden sollen. Sie sind sehr stark von der Idee einer disziplinierten Fiskalpolitik geprägt. Noch redet niemand in Brüssel offen darüber, aber natürlich wird nun verstärkt darauf gedrängt werden, das ein wenig aufzuweichen und den Staaten mehr Spielraum etwa beim jährlichen Haushaltsdefizit und bei der Gesamtverschuldung zu geben. Angela Merkel, deren Popularität in Deutschland nicht zuletzt darauf gründet, dass sie in der Eurokrise hart geblieben ist, dürfte solchen Wünschen drei Monate vor der Bundestagswahl kaum nachgeben. Es wächst also die Wahrscheinlichkeit, dass es im Juni nicht zu einer Reform kommt.

Nur in einem Punkt sind sich die beiden großen Lager in der EU einig: Die Union soll wenigstens mit einigen Zuschüssen und Krediten dem Wachstum dort nachhelfen, wo es nötig ist. Im vergangenen Sommer wurde ein - wenn auch durch Doppelbuchungen aufgehübschtes - 120 Milliarden Euro Wachstumsprogramm aufgelegt. Das Kapital der Europäischen Investitionsbank wurde angehoben. Und Anfang März einigte sich der EU-Gipfel auf ein EU-Budget für die nächsten sieben Jahre in Höhe von 960 Milliarden Euro. Von dem könnte knapp die Hälfte - richtig eingesetzt - allüberall das Wachstum fördern. Neben den großen Posten der Förderung regionaler Vorhaben findet sich dort auch ein Sonderprogramm von sechs Milliarden zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Und ja, Italien ist bei den Budget-Verhandlungen besonders gut weggekommen. Das war als Wahlhilfe für Monti gedacht. Warum die nicht gewirkt hat - auch darüber steht der EU nun wohl eine schwierige Diskussion bevor.

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