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Die Geiseln von Dschamla

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Mit der Entführung von UN-Soldaten haben die Rebellen der syrischen Revolution schwer geschadet.

Die Methode ist nicht originell. Wenn Freiheitskämpfer nicht vorankommen, setzen sie gern auf Erpressung im Dienst der vermeintlich guten Sache. Geiselnahmen sind bei innerstaatlichen Konflikten ein wirksames Mittel, Regierungen und Organisationen unter Druck zu setzen und größtmögliche Medienaufmerksamkeit für ihren Kampf zu erzwingen. Die Tschetschenen haben es mit Überfällen auf russische Schulen, Theater und Krankenhäuser getan, die PLO bevorzugte westliche oder israelische Passagierflugzeuge, im Irak und Algerien waren es Ingenieure und Mitarbeiter westlicher Firmen. So wählt jeder Freiheitskämpfer seine weichen Ziele, es gibt derer genug. Oft endet das mit dem Tod der Geiseln.



Der Screenshot eines von angeblichen syrischen Rebellen am 07.03.2013 ins Internet gestellten Videos zeigt bewaffnete Kämpfer, die nach ihren Angaben vor einem UN-Fahrzeug auf den Golanhöhen posieren.

Jetzt sind also die syrischen Rebellen am Zug, die Kämpfer der 'Jarmuk-Märtyrer-Brigade'. Das für gewöhnlich bestens informierte syrische 'Beobachtungszentrum für Menschenrechte' in London machte sich zum Sprachrohr der Geiselnehmer: 'Das Kommando der Jarmuk-Märtyrer wird die Truppen der UN-Friedenstruppe festhalten, bis die Soldaten des Regimes von Baschar al-Assad rund um das Dorf Dschamla abziehen.' Die Blauhelme, die auf dem zwischen Israel und Syrien umstrittenen Golanmassiv stationiert sind, waren am Mittwochabend bei einer Patrouille in die Gewalt von knapp drei Dutzend Bewaffneten geraten. Sie seien nun 'Gäste' der Untergrundkämpfer und sollen sich in Dschamla befinden, hieß es. Ihnen werde nichts geschehen.

Rund um das syrische Grenzdorf stehen aber die Panzer und Soldaten Assads. Die Rebellen wollten die 21 Philippiner daher erst laufen lassen, wenn diese Truppen abgezogen sind. 'Sie stehen so lange unter unserem Schutz, bis wir ihren Transport in ein sicheres Gebiet organisieren können', ließen die Geiselnehmer wissen. Die Vereinten Nationen sollten ihrerseits ein 'Sicherheitskomitee' bilden, um die UN-Soldaten in Empfang zu nehmen. Die UN hat aber keine eigenen Truppen im Süden Syriens, das Gebiet wird derzeit von Assads Truppen bombardiert. Ein unblutiges Ende der Affäre erschien am Donnerstag ohne Zustimmung des obersten syrischen Kriegsherren Assad schwer vorstellbar.

Große Politik steht also hinter dem Kampf um einen syrischen Weiler und das Leben von 21 Soldaten von den Philippinen. Große Politik deshalb, weil die syrischen Golanhöhen seit Jahrzehnten von den israelischen Nachbarn besetzt gehalten werden und der Krieg nun von Syrien nach Israel hinüber schwappen könnte. Große Politik auch, weil die Militanten die Vereinten Nationen und Syriens Diktator - den Oberbefehlshaber der Soldaten rund um Dschamla - im selben Atemzug erpressten. So sind vor allem die UN in eine heikle Lage geraten. Sondervermittler Lakhdar Brahimi wird immer wieder bei Assad vorstellig, sucht Wege für eine Verhandlungslösung. Assads Antworten sind uniform: Mit Terroristen rede er nicht. Und die Kämpfer der Jarmuk-Märtyrer-Brigade scheinen seine Sicht zu bestätigen.

Sie zeigen sich als skrupellose Militante, die Blauhelmsoldaten gefangen halten und deren Schicksal mit unrealistischen Forderungen verknüpfen. Assad kann die UN nun vorführen als Organisation, die nicht einmal für die Sicherheit ihrer eigenen Soldaten bürgen kann - und daher ungeeignet ist, im Bürgerkriegsstaat Syrien für ein Ende der Kämpfe zu sorgen und den Frieden zu sichern.

Wie die Vereinten Nationen oder die philippinische Regierung die Forderung in Damaskus durchsetzen sollten, sagten die Jarmuk-Kämpfer nicht. Stattdessen drohten sie schon zu Beginn, dass aus den Gästen mit den blauen Helmen nach Ablauf von 24 Stunden 'Kriegsgefangene' würden. Diese Klassifizierung kann in Syrien schnell lebensgefährlich werden. Die Menschenrechtsgruppe 'Human Rights Watch' jedenfalls will recherchiert haben, dass Kämpfer der Jarmuk-Brigaden es mit dem Kriegsrecht nicht genau nehmen. Sie sollen mindestens zehn gefangene Assad-Soldaten exekutiert haben; angeblich gibt es ein Video des Massakers in der Nähe von Dschamla. Dennoch hoffte der philippinische Staatschef Benigno Aquino am Donnerstag auf eine rasche Lösung. 'Morgen', sagte er, 'werden die 21 Männer frei sein.'

Mit der Gefangennahme der auf Neutralität und Frieden vereidigten UN-Soldaten haben die Jarmuk-Militanten der Sache des Aufstands einen Bärendienst erwiesen. Die obersten Führer der Rebellen verhandeln derzeit mit den USA und der EU offiziell über Waffen für den Kampf gegen Assad. Der Militärführer der Aufständischen, Salim Idris, hatte die EU um Waffenlieferungen gebeten. Gewehre also genau für die Sorte von Kämpfern, die nun 21 UN-Soldaten festhalten. Das geht schwer zusammen. Ein Anreiz für die rasche Lieferung von Kalaschnikows und Flugabwehrraketen ist der Golan-Zwischenfall sicher nicht.

Zwar wollen einzelne EU-Partner wie die Briten den Aufständischen inzwischen unbewaffnete gepanzerte Fahrzeuge schicken. Aber die Linie der Europäer ist klar, und zum Ausdruck gebracht hat sie der in Sachen Syrien sehr zurückhaltende deutsche Außenminister Guido Westerwelle: Humanitäre Hilfe ja, Waffen nein. Der Golan-Vorfall dürfte der Sache der syrischen Rebellen unabhängig vom Ausgang nachhaltigschaden: bei ihren Unterstützerstaaten, bei den UN, sogar in Syrien selbst. In den Internet-Foren der Revolutionäre finde sich jedenfalls überwiegend Kritik an den Entführern, berichtete dpa. Die Jarmuk-Märtyrer hätten 'dem Ansehen unserer Revolution geschadet'.

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