Mit einem One-Way-Ticket und technischem Sachverstand kam Padma Warrior einst aus Indien in die USA. Heute ist sie eine der mächtigsten Architektinnen der digitalen Welt.
Viel hat Padma Warrior nicht dabei, als sie an einem Sommertag in New York aus dem Flugzeug steigt. 100 Dollar und einen Koffer voller Bücher. Die waren in Indien billiger. Für das Rückflugticket aber fehlt den Eltern, einer Mathematiklehrerin und einem Anwalt, das Geld. 22 Jahre alt ist sie damals. Aufgekratzt, weil sie ein Stipendium für die Eliteuniversität Cornell ergattert hat. Nervös, weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Heimat Indien verlässt.
Heute, fast 30 Jahre später, ist Padma Warrior einer der einflussreichsten Menschen der digitalen Welt. Als Technikchefin des Netzausrüsters Cisco entscheidet sie darüber, wie Menschen und zunehmend auch Maschinen quer über den Globus miteinander kommunizieren. Der Konzern ist so etwas wie der Klempner des Internets, fertigt Schalter und Schleusen und hält so das weltumspannende Internet am Laufen. Und Warrior, 48, ist diejenige, die entscheidet, wo investiert und mit wem kooperiert wird. Welche Technologien sie selbst begeistern, verrät sie auch schon mal via Twitter. Eineinhalb Millionen Menschen verfolgen ihre Tweets; Analysten und Risikokapitalgeber versuchen aus 160 Zeichen Hinweise herauszulesen, was das nächste große Ding werden könnte. Immer wieder fällt ihr Name, wenn darüber spekuliert wird, wer in den nächsten zwei Jahren auf Konzernchef John Chambers folgt.
Padma Warrior: Technikchefin bei Cisco und Netzexpertin.
Doch wenn sich die zierliche Frau durch das Gewusel von Messen schlängelt, dann zieht sie keine Blicke auf sich. Sie trägt einen bordeauxfarbenen Hosenanzug, die langen schwarzen Haare offen. Längst hat sie einen amerikanischen Pass, aber noch immer rollt sie die Worte wie Inder. Ihre Stimme ist sanft, ihre Urteile sind scharf.
Ihren ersten Job findet Padma Warrior Mitte der Achtzigerjahre in der Entwicklungsabteilung einer Chipfabrik von Motorola. Sie solle sich wie ein Mann benehmen, empfehlen ihr die Kollegen. Laut sprechen, unauffällig kleiden, sich groß machen. Warrior gibt nichts auf die Ratschläge - und klettert doch die Karriereleiter empor. 23 Jahre bleibt sie bei Motorola. Dann, im Jahr 2006, wird bei einer Podiumsdiskussion Cisco-Chef Chambers auf sie aufmerksam. Ein Jahr wirbt er um sie - mit dem Versprechen: Bei ihm könne sie ihre Visionen in die Tat umsetzen.
Diese Visionen, das ist eine Welt, in der das Internet zur zentralen Schaltstelle für alle möglichen Dinge des Alltags wird. Eine Welt, in der sie nicht mehr, wie an diesem Morgen in Barcelona, eine halbe Stunde im Stau steht, weil sie einem Taxifahrer vertraut. Eine Welt, in der sie dem Auto sagt, wo sie hin will - und dieses die beste Route findet, sie womöglich eine halbe Stunde früher weckt. Je vernetzter die Welt, desto besser für Cisco. Der Konzern ist einer der größten Ausstatter dieses Netzes. Noch. Denn mit chinesischen Anbietern wie Huawei sind angriffslustige und mittlerweile auch mächtige Rivalen herangewachsen.
Ihr Gespür für das, was wichtig werden könnte, hat Padma Warrior an ihrem Sohn geschärft. 18 Jahre ist er inzwischen. Und er schließt, wie so viele in seinem Alter, Freundschaften ganz selbstverständlich im Internet. 'Diese Generation bekommt viel genauer mit, was auf der Welt passiert', sagt die Mutter. 'Und sie nimmt daran auch mehr Anteil.' Als sie im Osten Indiens aufwuchs, drang das, was in den USA passierte, nur durch einen Filter zu ihr. 'Ich musste Zeitungen lesen und ich habe eine Menge gelesen. Aber ich hatte nie die Möglichkeit, mit ganz normalen Menschen in Kontakt zu kommen.'
Sie weiß wohl um die Grenzen einer völlig vernetzten Welt. Sie weiß, dass nicht alle ständig online sein wollen. 'Wir neigen dazu, unsere eigenen Bedürfnisse hinter all dem anzustellen, was wir täglich zu erledigen haben.' Ein Reflex, der sich irgendwann rächt. Sie selbst meditiert 20 Minuten täglich. Am Samstag stöpselt sie sich für einige Stunden ab, um zu malen und Gedichte zu schreiben. 'Um meine Batterien aufzuladen', wie sie es ausdrückt.
Technik ist für sie etwas, das das Leben erleichtert. Ihre Eltern, so erinnert sie sich, hatten noch Angst vor dem Bankautomaten, stellten sich lieber stundenlang in die Schlange am Schalter. Warrior muss lachen, wenn sie das erzählt. Daraus nimmt sie die Sicherheit, dass ihr Sohn mit der Technologie, die ihrer eigenen Generation heute unheimlich erscheint, morgen ebenso selbstverständlich umgehen wird wie sie heute mit dem Bankautomaten. 'Wir können Technik sicher machen.'
Aber dazu sei es wichtig, dass Menschen aus verschiedenen Fachrichtungen enger zusammenarbeiten. Dass Informatiker sich auch mit Design beschäftigen. Dass an den Wirtschaftsschulen nicht nur unterrichtet wird, wie man mit Zahlen umgeht - sondern auch, wie man Mitarbeiter motiviert. Und, auch davon ist sie überzeugt, es braucht mehr Frauen in den Technologiekonzernen. Sie selbst hat ihr Studium an einer renommierten Technikhochschule in Delhi als eine der Jahrgangsbesten abgeschlossen - und als eine von fünf Frauen unter 250 Studenten in ihrem Jahrgang.
Unter Ciscos Entwicklern kommt heute auf drei Männer eine Frau. Zu wenig, wie Warrior findet. 'Ein Abschluss in Informatik hilft in der Branche, auch um sich im Management Respekt zu verschaffen', betont sie. Tatsächlich, sagen Mitarbeiter, stecke sie tief in den technischen Details, verliere über dem Kleinkram aber nie den strategischen Weitblick. Man könne bei ihr wirklich alles auf den Tisch bringen, auch Probleme, ohne sich zuvor zu überlegen, wie das wohl ankommt. 'Und immer nimmt sie sich die Zeit, ein paar Tage später eine E-Mail zu schreiben, was sie aus dem gemeinsamen Gespräch mitgenommen hat', sagt einer.
Sie selbst lädt regelmäßig Frauen zu sich nach Hause ein. Da sitzen sie dann, gestandene Managerinnen der großen Firmen neben den Jungen, die gerade ihr eigenes Start-up hochziehen. Und Warrior sagt ihnen: Verstellt euch nicht! Haltet euch bloß nicht zurück! 'Wir alle sind schließlich dann am glücklichsten, wenn wir uns so geben können, wie wir wirklich sind', sagt sie. Dann könne jeder all seine Fähigkeiten einbringen. Und dann können Frauen auch etwas weiter kommen. 'Frauen neigen dazu, die Dinge vielleicht etwas zu genau zu analysieren. Dann zögern sie, sagen sich: Vielleicht bin ich noch nicht so weit, vielleicht brauche ich noch etwas mehr Zeit. Männer ergreifen die erste Chance, die sich ihnen bietet.'
Ihren heutigen Ehemann kennt sie seit der Schulzeit in Indien. Heute ist er Chef eines Laserherstellers in Wisconsin, mehr als 3000 Kilometer östlich des Silicon Valley, wo auch die Firmenzentrale von Cisco liegt. Für solch ein Familienleben braucht es Talent bei Organisation und Improvisation - sowie: Gelassenheit. Frauen, beobachtet Padma Warrior, wollen bei jeder Elternversammlung dabei sein, bei jeder wichtigen Besprechung im Büro. 'Das verursacht Stress.' Sie selbst habe das als junge Mutter erlebt: Zwei Wochen nach der Geburt war sie im Büro. Ihren Sohn vertraute sie einer Nachbarin an. Und doch fragte sie sich, wenn sie im Büro war, ob es ihm gut gehe. Und sie fragte sich, wenn sie zu Hause war, ob im Büro alles gut gehe. 'Damals habe ich gelernt, dass man nicht alles perfekt machen kann.'
Ihr Vorbild, hat Padma Warrior einmal gesagt, sei Mutter Teresa. Nicht weil sie Gutes getan habe. Sondern weil sie mutig war.
Viel hat Padma Warrior nicht dabei, als sie an einem Sommertag in New York aus dem Flugzeug steigt. 100 Dollar und einen Koffer voller Bücher. Die waren in Indien billiger. Für das Rückflugticket aber fehlt den Eltern, einer Mathematiklehrerin und einem Anwalt, das Geld. 22 Jahre alt ist sie damals. Aufgekratzt, weil sie ein Stipendium für die Eliteuniversität Cornell ergattert hat. Nervös, weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Heimat Indien verlässt.
Heute, fast 30 Jahre später, ist Padma Warrior einer der einflussreichsten Menschen der digitalen Welt. Als Technikchefin des Netzausrüsters Cisco entscheidet sie darüber, wie Menschen und zunehmend auch Maschinen quer über den Globus miteinander kommunizieren. Der Konzern ist so etwas wie der Klempner des Internets, fertigt Schalter und Schleusen und hält so das weltumspannende Internet am Laufen. Und Warrior, 48, ist diejenige, die entscheidet, wo investiert und mit wem kooperiert wird. Welche Technologien sie selbst begeistern, verrät sie auch schon mal via Twitter. Eineinhalb Millionen Menschen verfolgen ihre Tweets; Analysten und Risikokapitalgeber versuchen aus 160 Zeichen Hinweise herauszulesen, was das nächste große Ding werden könnte. Immer wieder fällt ihr Name, wenn darüber spekuliert wird, wer in den nächsten zwei Jahren auf Konzernchef John Chambers folgt.
Padma Warrior: Technikchefin bei Cisco und Netzexpertin.
Doch wenn sich die zierliche Frau durch das Gewusel von Messen schlängelt, dann zieht sie keine Blicke auf sich. Sie trägt einen bordeauxfarbenen Hosenanzug, die langen schwarzen Haare offen. Längst hat sie einen amerikanischen Pass, aber noch immer rollt sie die Worte wie Inder. Ihre Stimme ist sanft, ihre Urteile sind scharf.
Ihren ersten Job findet Padma Warrior Mitte der Achtzigerjahre in der Entwicklungsabteilung einer Chipfabrik von Motorola. Sie solle sich wie ein Mann benehmen, empfehlen ihr die Kollegen. Laut sprechen, unauffällig kleiden, sich groß machen. Warrior gibt nichts auf die Ratschläge - und klettert doch die Karriereleiter empor. 23 Jahre bleibt sie bei Motorola. Dann, im Jahr 2006, wird bei einer Podiumsdiskussion Cisco-Chef Chambers auf sie aufmerksam. Ein Jahr wirbt er um sie - mit dem Versprechen: Bei ihm könne sie ihre Visionen in die Tat umsetzen.
Diese Visionen, das ist eine Welt, in der das Internet zur zentralen Schaltstelle für alle möglichen Dinge des Alltags wird. Eine Welt, in der sie nicht mehr, wie an diesem Morgen in Barcelona, eine halbe Stunde im Stau steht, weil sie einem Taxifahrer vertraut. Eine Welt, in der sie dem Auto sagt, wo sie hin will - und dieses die beste Route findet, sie womöglich eine halbe Stunde früher weckt. Je vernetzter die Welt, desto besser für Cisco. Der Konzern ist einer der größten Ausstatter dieses Netzes. Noch. Denn mit chinesischen Anbietern wie Huawei sind angriffslustige und mittlerweile auch mächtige Rivalen herangewachsen.
Ihr Gespür für das, was wichtig werden könnte, hat Padma Warrior an ihrem Sohn geschärft. 18 Jahre ist er inzwischen. Und er schließt, wie so viele in seinem Alter, Freundschaften ganz selbstverständlich im Internet. 'Diese Generation bekommt viel genauer mit, was auf der Welt passiert', sagt die Mutter. 'Und sie nimmt daran auch mehr Anteil.' Als sie im Osten Indiens aufwuchs, drang das, was in den USA passierte, nur durch einen Filter zu ihr. 'Ich musste Zeitungen lesen und ich habe eine Menge gelesen. Aber ich hatte nie die Möglichkeit, mit ganz normalen Menschen in Kontakt zu kommen.'
Sie weiß wohl um die Grenzen einer völlig vernetzten Welt. Sie weiß, dass nicht alle ständig online sein wollen. 'Wir neigen dazu, unsere eigenen Bedürfnisse hinter all dem anzustellen, was wir täglich zu erledigen haben.' Ein Reflex, der sich irgendwann rächt. Sie selbst meditiert 20 Minuten täglich. Am Samstag stöpselt sie sich für einige Stunden ab, um zu malen und Gedichte zu schreiben. 'Um meine Batterien aufzuladen', wie sie es ausdrückt.
Technik ist für sie etwas, das das Leben erleichtert. Ihre Eltern, so erinnert sie sich, hatten noch Angst vor dem Bankautomaten, stellten sich lieber stundenlang in die Schlange am Schalter. Warrior muss lachen, wenn sie das erzählt. Daraus nimmt sie die Sicherheit, dass ihr Sohn mit der Technologie, die ihrer eigenen Generation heute unheimlich erscheint, morgen ebenso selbstverständlich umgehen wird wie sie heute mit dem Bankautomaten. 'Wir können Technik sicher machen.'
Aber dazu sei es wichtig, dass Menschen aus verschiedenen Fachrichtungen enger zusammenarbeiten. Dass Informatiker sich auch mit Design beschäftigen. Dass an den Wirtschaftsschulen nicht nur unterrichtet wird, wie man mit Zahlen umgeht - sondern auch, wie man Mitarbeiter motiviert. Und, auch davon ist sie überzeugt, es braucht mehr Frauen in den Technologiekonzernen. Sie selbst hat ihr Studium an einer renommierten Technikhochschule in Delhi als eine der Jahrgangsbesten abgeschlossen - und als eine von fünf Frauen unter 250 Studenten in ihrem Jahrgang.
Unter Ciscos Entwicklern kommt heute auf drei Männer eine Frau. Zu wenig, wie Warrior findet. 'Ein Abschluss in Informatik hilft in der Branche, auch um sich im Management Respekt zu verschaffen', betont sie. Tatsächlich, sagen Mitarbeiter, stecke sie tief in den technischen Details, verliere über dem Kleinkram aber nie den strategischen Weitblick. Man könne bei ihr wirklich alles auf den Tisch bringen, auch Probleme, ohne sich zuvor zu überlegen, wie das wohl ankommt. 'Und immer nimmt sie sich die Zeit, ein paar Tage später eine E-Mail zu schreiben, was sie aus dem gemeinsamen Gespräch mitgenommen hat', sagt einer.
Sie selbst lädt regelmäßig Frauen zu sich nach Hause ein. Da sitzen sie dann, gestandene Managerinnen der großen Firmen neben den Jungen, die gerade ihr eigenes Start-up hochziehen. Und Warrior sagt ihnen: Verstellt euch nicht! Haltet euch bloß nicht zurück! 'Wir alle sind schließlich dann am glücklichsten, wenn wir uns so geben können, wie wir wirklich sind', sagt sie. Dann könne jeder all seine Fähigkeiten einbringen. Und dann können Frauen auch etwas weiter kommen. 'Frauen neigen dazu, die Dinge vielleicht etwas zu genau zu analysieren. Dann zögern sie, sagen sich: Vielleicht bin ich noch nicht so weit, vielleicht brauche ich noch etwas mehr Zeit. Männer ergreifen die erste Chance, die sich ihnen bietet.'
Ihren heutigen Ehemann kennt sie seit der Schulzeit in Indien. Heute ist er Chef eines Laserherstellers in Wisconsin, mehr als 3000 Kilometer östlich des Silicon Valley, wo auch die Firmenzentrale von Cisco liegt. Für solch ein Familienleben braucht es Talent bei Organisation und Improvisation - sowie: Gelassenheit. Frauen, beobachtet Padma Warrior, wollen bei jeder Elternversammlung dabei sein, bei jeder wichtigen Besprechung im Büro. 'Das verursacht Stress.' Sie selbst habe das als junge Mutter erlebt: Zwei Wochen nach der Geburt war sie im Büro. Ihren Sohn vertraute sie einer Nachbarin an. Und doch fragte sie sich, wenn sie im Büro war, ob es ihm gut gehe. Und sie fragte sich, wenn sie zu Hause war, ob im Büro alles gut gehe. 'Damals habe ich gelernt, dass man nicht alles perfekt machen kann.'
Ihr Vorbild, hat Padma Warrior einmal gesagt, sei Mutter Teresa. Nicht weil sie Gutes getan habe. Sondern weil sie mutig war.