Auf der Suche nach der digitalen Zukunft: das South by Southwest-Festival
Jedes Jahr im März reisen Software-Entwickler, Investoren, Hipster und Nerds nach Austin, um bei 'South by Southwest Interactive' der Zukunft der digitalen Welt auf die Spur zu kommen. Was als Musikfestival begann, teilt sich heute in drei Großereignisse für Musik, Film und digitale Kultur. Seit hier 2007 Twitter präsentiert und 2009 Foursquare bekannt wurde, wird alljährlich über das 'nächste große Ding' spekuliert. Fünf Tage dauert SXSW Interactive mit Hunderten Veranstaltungen und knapp 30000 Besuchern.
Die erste 'Keynote'-Rede hält Elon Musk: 'Ich wäre sehr enttäuscht, wenn ich es nicht mehr erlebe, dass Menschen auf dem Mars landen'. Der 41-jährige Südafrikaner wurde mit dem Online-Bezahlsystem Paypal zum Milliardär. Jetzt will er drei Industrien gleichzeitig revolutionieren: SolarCity ist der größte US-Anbieter von Sonnenkollektoren, Tesla stellt Elektroautos her und SpaceX schickt Raketen ins All.
Als fünffacher Vater hat er auch eine Idee, wie man das Schulsystem verbessern kann: 'Bildung muss wie ein Videospiel sein: spannend, interaktiv und mit der eigenen Geschwindigkeit für jeden.' Allerdings lasse sich sein Arbeitspensum nur bewältigen, indem er Emails beantworte, während er sich um seinen Nachwuchs kümmere, gesteht Musk. Hier wird der Moderator Chris Anderson, zum einzigen Mal kritisch: 'Ich mache das nicht mehr. Es ist weder gut für die Kinder noch für die Emails.'
Auch Anderson will Grundschüler für Technik begeistern. Mit 3D-Robotics verkauft der frühere Wired-Chefredakteur Drohnen für den Hausgebrauch. Er möchte sie in jedem Klassenzimmer sehen: 'Da ist alles dabei: Hardware, Software, Elektronik, Aerodynamik. Nichts ist besser als ein fliegender Roboter, um Kids fürs Programmieren zu interessieren.' Andernfalls, so warnt er, würden die USA ihren Vorsprung als Tech-Standort einbüßen.
2015 wird die US-Luftfahrtbehörde FAA entscheiden, nach welchen Regeln Privatleute unbemannte Flugkörper einsetzen können. Bei SXSW herrscht ein durchweg euphorisches Verhältnis zu Technik, deswegen wird bei der Podiumsdiskussion zum Thema 'Wer hat Angst vor der großen, bösen Drohne?' auch vor allem über Chancen geredet. Erin Rapacki, die Marketing für Robotertechnik betreibt, prognostiziert, dass Drohnen im Jahr 2023 Pakete zustellen werden und wir uns bis dahin auch an Roboter in der Altenpflege gewöhnt haben. Ob der weit verbreitete Einsatz im Privaten nicht die Akzeptanz von Drohnen als Kriegswaffe weiter erhöhen dürfte, fragt keiner der 100 Zuhörer. Ein Drittel lässt schon heute Flugroboter aufsteigen und viele machen 'die Medien' für deren schlechtes Image verantwortlich. Also gibt Chris Anderson folgende Devise vor: 'Macht etwas, das so cool ist, dass die Medien positiv berichten müssen.'
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Auf der Suche nach dem 'nächsten großen Ding' landet man dieses Jahr eher bei Hardware. Das gilt für Google Glass, die Brille mit Internet-Anschluss und Kamera, ebenso wie für die 99 Dollar-Konsole Ouya oder den 'smart bra', der Büstenhalter, der angeblich Brustkrebs erkennt. Die längste Warteschlange bildet sich aber vor dem temporären Hauptquartier der Tech-Website Mashable.com: Dort können die Besucher ein Foto mit der berühmtesten Katze der Welt machen. 'Grumpy Cat' heißt das Tier mit der mürrischen Miene, die zum Internet-Mem mit eigener Website wurde. Trotz des Rummels tut die grantige Katze in Texas vor allem eins: dösen.
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Die Popularität von 'Grumpy Cat' wundert den Gründer von Buzzfeed Jonah Peretti nicht. 'Niedliche Tiere verdienen Respekt', lautet ein Merksatz seines Vortrag über 'Die große Machtverschiebung in den Medien'. Beim Start 2006 lachte die Konkurrenz über die vielen Hunde, Katzen und Otter. Heute ist die Site profitabel, hat pro Monat 40 Millionen User.
Buzzfeed präsentiert viele Geschichten, die Nutzer gern auf Facebook, Twitter oder in Blogs teilen. Wer 'virale Inhalte' kreieren wolle, muss laut Peretti Regeln beachten: Neben Tieren und Humor sind Emotionen und Nostalgisches extrem wirksam. Alles muss auf Smartphones funktionieren. Politik oder Sex solle man vermeiden: 'Bei Google suchen die Leute nach Nacktfotos von Promis. Bei Facebook würde dies niemand teilen, weil es anstößig wirkt.'
Peretti hilft auch Anzeigenkunden bei viraler Werbung: Für den Prius, das Hybridauto von Toyota, warb die Bildstrecke 'Die 20 coolsten Hybrid-Tiere'. Für Virgin Mobile entstand 'Zehn Kinofilme, die anders enden würden, wenn es damals schon Handys gegeben hätte.'
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Solche kommerziellen Erfolge sind der Traum unzähliger junger Firmengründer. Scheinbar im Widerspruch steht dagegen das vorherrschende Open-Source-Ideal. Fast jeder plädiert hier bedingungslos dafür, alles verfügbare Wissen, aber auch Kultur online zugänglich zu machen. Das erklärt, wieso Kim Schmitz alias Kim Dotcom in Austin so gut ankommt.
Der Gründer des Filehosters Megaupload sitzt immer noch in Neuseeland fest, weil ihm das FBI vorwirft, Urheberrechtsverletzungen im Werte von 500 Millionen Dollar verursacht zu haben. Beim Interview über Skype stilisiert sich Dotcom als Märtyrer im Kampf für ein freies Internet, der den Leuten nur Speicherplatz angeboten und deren Privatsphäre geschützt habe.
Das Weiße Haus habe das SOPA-Gesetz zur Bekämpfung von Piraterie im Internet durchboxen wollen, um sich für Hollywoods Wahlkampf-Spenden zu bedanken, sagt er. Nach den Protesten habe Obama SOPA beerdigt. Megaupload habe man quasi als Bauernopfer geschlossen. Die Verschwörungstheorien werden nicht hinterfragt, da Moderator Charles Graeber an einem Buch über Schmitz arbeitet und Streit vermeidet. Schuld an der Online-Piraterie ist für Dotcom das 'veraltete Geschäftsmodell' der Filmindustrie: Indem sie die Blockbuster zunächst in den USA in die Kinos bringe und den Rest der Welt monatelang warten lasse, würden die Leute zum illegalen Download gezwungen: 'Sie wollen das Zeug sehen und können es nirgends rechtmäßig kaufen.' Der Saal jubelt.
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Noch radikaler geht Cody Wilson mit der Open-Source-Idee um. Der Jura-Student arbeitet mit einem handelsüblichen 3D-Drucker daran, die Einzelteile für das Sturmgewehr AR-15 herzustellen, das beim Grundschul-Massaker in Newtown verwendet wurde. Die Dateien soll jeder herunterladen können. Einige Teile hat er erfolgreich getestet; die Youtube-Videos sind ein Hit in der Waffenszene.
Cody Wilson geht es bei 'Wiki Weapon' um Prinzipielles. Der 24-Jährige glaubt daran, dass der Staat nicht vorschreiben dürfe, wofür Technik eingesetzt werde. Dass die gerade im US-Kongress diskutierte strengere Überprüfung potenzieller Waffenkäufer wirkungslos wäre, wenn jeder die Teile eines Sturmgewehrs selbst herstellen kann, stört den Krypto-Anarchisten nicht. Er wird sein Projekt durchziehen: 'Jetzt können wir noch gar nicht wissen, welche Folgen es hat, wenn unser Vorhaben gelingt. Gerät die Gesellschaft aus den Fugen? Ich will es herausfinden.'
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Den letzten Vortrag hält der Science-Fiction-Autor Bruce Sterling. Der 58-Jährige spottet über das derzeit so überreizte Schlagwort ' creative disruption' (kreative Störung). Er fragt, ob es der Technik gelungen sei, die Strukturen der Finanz- und der Gesundheitsindustrie aufzubrechen oder etwas an Amerikas enormen Ausgaben für Militär und Gefängnisse zu ändern?
Für Sterling lautet die Antwort: Nein. Ein 3D-Drucker sei ein nettes Spielzeug, dessen Produkte letztlich niemand brauche. Dafür habe die Technik Romane, Zeitungen, Buchläden und die Musikindustrie in Gefahr gebracht. Das sei keine Verschwörungstheorie, sondern eine ganz einfache Gleichung: 'Eine Stunde, die jemand mit Google Glass rumspielt, ist eine Stunde, die er nicht damit verbringt, in einem Buchladen zu stöbern.'
Jedes Jahr im März reisen Software-Entwickler, Investoren, Hipster und Nerds nach Austin, um bei 'South by Southwest Interactive' der Zukunft der digitalen Welt auf die Spur zu kommen. Was als Musikfestival begann, teilt sich heute in drei Großereignisse für Musik, Film und digitale Kultur. Seit hier 2007 Twitter präsentiert und 2009 Foursquare bekannt wurde, wird alljährlich über das 'nächste große Ding' spekuliert. Fünf Tage dauert SXSW Interactive mit Hunderten Veranstaltungen und knapp 30000 Besuchern.
Die erste 'Keynote'-Rede hält Elon Musk: 'Ich wäre sehr enttäuscht, wenn ich es nicht mehr erlebe, dass Menschen auf dem Mars landen'. Der 41-jährige Südafrikaner wurde mit dem Online-Bezahlsystem Paypal zum Milliardär. Jetzt will er drei Industrien gleichzeitig revolutionieren: SolarCity ist der größte US-Anbieter von Sonnenkollektoren, Tesla stellt Elektroautos her und SpaceX schickt Raketen ins All.
Als fünffacher Vater hat er auch eine Idee, wie man das Schulsystem verbessern kann: 'Bildung muss wie ein Videospiel sein: spannend, interaktiv und mit der eigenen Geschwindigkeit für jeden.' Allerdings lasse sich sein Arbeitspensum nur bewältigen, indem er Emails beantworte, während er sich um seinen Nachwuchs kümmere, gesteht Musk. Hier wird der Moderator Chris Anderson, zum einzigen Mal kritisch: 'Ich mache das nicht mehr. Es ist weder gut für die Kinder noch für die Emails.'
Auch Anderson will Grundschüler für Technik begeistern. Mit 3D-Robotics verkauft der frühere Wired-Chefredakteur Drohnen für den Hausgebrauch. Er möchte sie in jedem Klassenzimmer sehen: 'Da ist alles dabei: Hardware, Software, Elektronik, Aerodynamik. Nichts ist besser als ein fliegender Roboter, um Kids fürs Programmieren zu interessieren.' Andernfalls, so warnt er, würden die USA ihren Vorsprung als Tech-Standort einbüßen.
2015 wird die US-Luftfahrtbehörde FAA entscheiden, nach welchen Regeln Privatleute unbemannte Flugkörper einsetzen können. Bei SXSW herrscht ein durchweg euphorisches Verhältnis zu Technik, deswegen wird bei der Podiumsdiskussion zum Thema 'Wer hat Angst vor der großen, bösen Drohne?' auch vor allem über Chancen geredet. Erin Rapacki, die Marketing für Robotertechnik betreibt, prognostiziert, dass Drohnen im Jahr 2023 Pakete zustellen werden und wir uns bis dahin auch an Roboter in der Altenpflege gewöhnt haben. Ob der weit verbreitete Einsatz im Privaten nicht die Akzeptanz von Drohnen als Kriegswaffe weiter erhöhen dürfte, fragt keiner der 100 Zuhörer. Ein Drittel lässt schon heute Flugroboter aufsteigen und viele machen 'die Medien' für deren schlechtes Image verantwortlich. Also gibt Chris Anderson folgende Devise vor: 'Macht etwas, das so cool ist, dass die Medien positiv berichten müssen.'
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Auf der Suche nach dem 'nächsten großen Ding' landet man dieses Jahr eher bei Hardware. Das gilt für Google Glass, die Brille mit Internet-Anschluss und Kamera, ebenso wie für die 99 Dollar-Konsole Ouya oder den 'smart bra', der Büstenhalter, der angeblich Brustkrebs erkennt. Die längste Warteschlange bildet sich aber vor dem temporären Hauptquartier der Tech-Website Mashable.com: Dort können die Besucher ein Foto mit der berühmtesten Katze der Welt machen. 'Grumpy Cat' heißt das Tier mit der mürrischen Miene, die zum Internet-Mem mit eigener Website wurde. Trotz des Rummels tut die grantige Katze in Texas vor allem eins: dösen.
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Die Popularität von 'Grumpy Cat' wundert den Gründer von Buzzfeed Jonah Peretti nicht. 'Niedliche Tiere verdienen Respekt', lautet ein Merksatz seines Vortrag über 'Die große Machtverschiebung in den Medien'. Beim Start 2006 lachte die Konkurrenz über die vielen Hunde, Katzen und Otter. Heute ist die Site profitabel, hat pro Monat 40 Millionen User.
Buzzfeed präsentiert viele Geschichten, die Nutzer gern auf Facebook, Twitter oder in Blogs teilen. Wer 'virale Inhalte' kreieren wolle, muss laut Peretti Regeln beachten: Neben Tieren und Humor sind Emotionen und Nostalgisches extrem wirksam. Alles muss auf Smartphones funktionieren. Politik oder Sex solle man vermeiden: 'Bei Google suchen die Leute nach Nacktfotos von Promis. Bei Facebook würde dies niemand teilen, weil es anstößig wirkt.'
Peretti hilft auch Anzeigenkunden bei viraler Werbung: Für den Prius, das Hybridauto von Toyota, warb die Bildstrecke 'Die 20 coolsten Hybrid-Tiere'. Für Virgin Mobile entstand 'Zehn Kinofilme, die anders enden würden, wenn es damals schon Handys gegeben hätte.'
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Solche kommerziellen Erfolge sind der Traum unzähliger junger Firmengründer. Scheinbar im Widerspruch steht dagegen das vorherrschende Open-Source-Ideal. Fast jeder plädiert hier bedingungslos dafür, alles verfügbare Wissen, aber auch Kultur online zugänglich zu machen. Das erklärt, wieso Kim Schmitz alias Kim Dotcom in Austin so gut ankommt.
Der Gründer des Filehosters Megaupload sitzt immer noch in Neuseeland fest, weil ihm das FBI vorwirft, Urheberrechtsverletzungen im Werte von 500 Millionen Dollar verursacht zu haben. Beim Interview über Skype stilisiert sich Dotcom als Märtyrer im Kampf für ein freies Internet, der den Leuten nur Speicherplatz angeboten und deren Privatsphäre geschützt habe.
Das Weiße Haus habe das SOPA-Gesetz zur Bekämpfung von Piraterie im Internet durchboxen wollen, um sich für Hollywoods Wahlkampf-Spenden zu bedanken, sagt er. Nach den Protesten habe Obama SOPA beerdigt. Megaupload habe man quasi als Bauernopfer geschlossen. Die Verschwörungstheorien werden nicht hinterfragt, da Moderator Charles Graeber an einem Buch über Schmitz arbeitet und Streit vermeidet. Schuld an der Online-Piraterie ist für Dotcom das 'veraltete Geschäftsmodell' der Filmindustrie: Indem sie die Blockbuster zunächst in den USA in die Kinos bringe und den Rest der Welt monatelang warten lasse, würden die Leute zum illegalen Download gezwungen: 'Sie wollen das Zeug sehen und können es nirgends rechtmäßig kaufen.' Der Saal jubelt.
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Noch radikaler geht Cody Wilson mit der Open-Source-Idee um. Der Jura-Student arbeitet mit einem handelsüblichen 3D-Drucker daran, die Einzelteile für das Sturmgewehr AR-15 herzustellen, das beim Grundschul-Massaker in Newtown verwendet wurde. Die Dateien soll jeder herunterladen können. Einige Teile hat er erfolgreich getestet; die Youtube-Videos sind ein Hit in der Waffenszene.
Cody Wilson geht es bei 'Wiki Weapon' um Prinzipielles. Der 24-Jährige glaubt daran, dass der Staat nicht vorschreiben dürfe, wofür Technik eingesetzt werde. Dass die gerade im US-Kongress diskutierte strengere Überprüfung potenzieller Waffenkäufer wirkungslos wäre, wenn jeder die Teile eines Sturmgewehrs selbst herstellen kann, stört den Krypto-Anarchisten nicht. Er wird sein Projekt durchziehen: 'Jetzt können wir noch gar nicht wissen, welche Folgen es hat, wenn unser Vorhaben gelingt. Gerät die Gesellschaft aus den Fugen? Ich will es herausfinden.'
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Den letzten Vortrag hält der Science-Fiction-Autor Bruce Sterling. Der 58-Jährige spottet über das derzeit so überreizte Schlagwort ' creative disruption' (kreative Störung). Er fragt, ob es der Technik gelungen sei, die Strukturen der Finanz- und der Gesundheitsindustrie aufzubrechen oder etwas an Amerikas enormen Ausgaben für Militär und Gefängnisse zu ändern?
Für Sterling lautet die Antwort: Nein. Ein 3D-Drucker sei ein nettes Spielzeug, dessen Produkte letztlich niemand brauche. Dafür habe die Technik Romane, Zeitungen, Buchläden und die Musikindustrie in Gefahr gebracht. Das sei keine Verschwörungstheorie, sondern eine ganz einfache Gleichung: 'Eine Stunde, die jemand mit Google Glass rumspielt, ist eine Stunde, die er nicht damit verbringt, in einem Buchladen zu stöbern.'