Um die Ausbeutung der Meere zu bremsen, versuchen Wissenschaftler, Fische zu Vegetariern zu machen. Barsche und Seezungen sollen Soja fressen - oder auch Bakterien, die mit Methan gezüchtet worden sind
Forellen sind keine Vegetarier. Eine Forelle frisst Insekten, vielleicht ein paar Krebse und kleine Fische. Pflanzen stehen normalerweise nicht auf ihrem Speiseplan, schon gar kein Soja vom Acker. Oder bitteres Zeug wie Raps. Doch das soll sich ändern. 'Wir müssen neue Futterquellen finden, wenn wir die industrielle Aquakultur nachhaltig machen wollen', sagt Margareth Øverland von der Universität für Lebenswissenschaften in Ås, 30 Kilometer südlich von Oslo. Sie denkt dabei an Feldfrüchte, wie sie auch in die Tröge von Schweinen oder Rindern wandern. Aber nicht nur: Auch Methangas, Nadelbäume und das Treibhausgas Kohlendioxid will die Professorin in Fischfutter verwandeln.
Seit Jahren stagniert die Fangmenge, die aus Meeren, Seen und Flüssen gezogen wird, bei jährlich etwa 90 Millionen Tonnen. Doch zugleich stiegt der Bedarf an Speisefisch rasant. Deshalb sollen Fischfarmen die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage schließen, die Überfischung der Weltmeere stoppen und die Ernährung der Menschheit sichern - so die Hoffnung. Zuchtfische brauchen deutlich weniger Futter als Artgenossen in freier Wildbahn, weil sie für die Nahrungssuche praktisch keine Energie benötigen. Noch dazu haben Fische gegenüber Rindern, Schweinen und Geflügel den Vorteil, dass sie als wechselwarme Tiere keine aus der Nahrung gewonnene Energie für den eigenen Wärmehaushalt aufwenden müssen, sondern nahezu alles Futter in Wachstum und Bewegung umsetzen. Bei den Inhaltsstoffen sind Fische allerdings anspruchsvoller als Landbewohner, sie brauchen mehr Eiweiß.
Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO hat sich die Produktionsleistung der Aquakultur-Anlagen in den vergangenen zehn Jahren auf 60 Millionen Tonnen weltweit verdoppelt. Aber natürlich brauchen auch Fische in Gefangenschaft Futter. Statt also Fische für den Menschen im Meer zu fangen, werden für die Aquakultur im Meer gefangene Fische in Fischmehlfabriken zu Fischfutter verarbeitet. Allerdings ist auch diese Quelle fast erschöpft.
'Die weltweite Fischmehlproduktion liegt zwischen viereinhalb und sieben Millionen Tonnen pro Jahr. Das lässt sich nicht mehr groß steigern', sagt Ulfert Focken, Experte für Aquakultur und Fischernährung am Thünen-Institut für Fischereiökologie in Ahrensburg. 'Mit der vorhandenen Menge müssen wir möglichst viel Fisch für die menschliche Ernährung erzeugen.' Deshalb arbeiten Forscher wie Focken oder Øverland daran, den Fischmehlanteil in den Futterpellets immer weiter zu reduzieren und durch Nährstoffe aus pflanzlichen Quellen zu ersetzen.
Schon die bisherigen Erfolge sind erstaunlich. In den 1980er-Jahren habe der Fischanteil in den Futterpellets noch etwa die Hälfte des Gewichts ausgemacht, sagt Øverland. Heute seien es nur noch zehn bis 20 Prozent. Bei einigen Zuchtarten kann der Fisch-Anteil im Futter bereits so weit verringert werden, dass die Tiere weniger Fisch fressen, als ihr eigenes Körpergewicht am Ende ausmacht. Es geht noch extremer: 'Forellen lassen sich bereits heute komplett vegetarisch ernähren', erklärt Florian Nagel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gesellschaft für Marine Aquakultur (GMA) in Büsum. Andere Fische wie Steinbutt, Wolfsbarsch oder Seezunge sind anspruchsvoller. Nagel und seine Kollegen versuchen derzeit, aus Miesmuscheln, die für den menschlichen Verzehr zu klein sind, einen Futterzusatz zu entwickeln, um den Geschmack der Pflanzenkost auf die Vorlieben der Fische abzustimmen.
Wie die Zuchttiere das neue Futter annehmen, ist aber nur ein Teil des Problems. Die Auswirkungen auf die Gesundheit der Fische können gravierend sein, wenn die Futterhersteller nicht vorsorgen. 'Pflanzen wollen nicht gefressen werden', sagt Ulfert Focken. 'Deshalb wehren sie sich mit Dornen, aber auch mit chemischen Mitteln gegen Fressfeinde.' Landtiere haben im Lauf der Evolution gelernt, zumindest mit den Abwehrsubstanzen ihrer Hauptnahrungspflanzen umzugehen. 'Fische haben an der Koevolution von Pflanzen und Pflanzenfressern jedoch nicht teilgenommen', so Focken. 'Deshalb müssen wir das Futter für sie stark aufbereiten und es von den für sie gesundheitsschädlichen Substanzen befreien.'
So haben Wissenschaftler bereits die Rückstände der Rapsölproduktion und auch Soja für Fische verträglich gemacht. Momentan arbeiten die Ahrensburger daran, den Presskuchen aus Purgiernuss-Mühlen in Tiernahrung zu verwandeln. Die auch Jatropha genannt Ölfrucht gilt als vielversprechender Rohstoff für Biosprit in tropischen Ländern. 'Die Überreste der Produktion wären wegen ihrer hochwertigen Eiweißzusammensetzung ein guter Futterzusatz', sagt Focken, 'wenn es gelingt, die gesundheitsschädlichen Substanzen darin zu eliminieren.'
Bei der Futterformulierung komme es auf Ausgewogenheit an, erklärt Florian Nagel von der GMA: 'Man sollte nicht einfach das gesamte Fischmehl durch nur eine Zutat wie Soja ersetzen, sondern eine Mischung aus verschiedenen alternativen Rohstoffen wählen. So kann man die Vorteile jeder Pflanze nutzen und potenzielle Nachteile ausbalancieren.' Für vegetarische Forellen bestehe ein gesunder Mix zum Beispiel aus Raps, Soja, Weizen, Vitaminen, Mineralien sowie Ölen und ein paar Aminosäuren. Nagel und seine Kollegen suchen nach technischen Möglichkeiten, um alle möglichen Futterrohstoffe so aufzubereiten, dass sie den Fischen schmecken und deren Gesundheit nicht schaden. Dabei stehen ihnen in der Regel nur solche Zutaten zur Verfügung, die nicht direkt in die menschliche Ernährung gehen.
Zusätzlich müssen Fischzüchter mit den Landtierproduzenten um diese Rohstoffe konkurrieren. 'Fische kommen oft zuletzt', sagt Nagel. Er begrüßt, dass die Europäische Kommission Schlachtabfälle von Schweinen und Geflügel wieder als Fischfutter zugelassen hat. 'Es herrscht Rohstoffknappheit, von der der Verbraucher im Supermarkt aber nichts mitbekommt.' Schlachtabfälle seien eine wertvolle Proteinquelle, die man nicht ungenutzt lassen dürfe.
Aus demselben Grund will Margareth Øverland auf noch ungewöhnlicher klingende Futterquellen ausweichen. Sie meint, bedenkenlos auch Methangas und Fichtenholz in die Nahrungskette der Fische und damit der Menschen einschleusen zu können. Bakterien sollen sich von diesen Zutaten ernähren, sich rasant vermehren und dann im Futter landen. Das Bakterium Methylococcus capsulatus etwa kann Methan als Energiequelle für sein eigenes Wachstum verwerten; und Hefekulturen könnten auf Fichten-Spänen wachsen. 'Die sterilisierte und getrocknete mikrobielle Biomasse besteht zu 70Prozent aus Protein', erklärt Øverland und lobt die hochwertige Zusammensetzung der Eiweißstoffe. Ähnliches gelte für Algen, die man mit Kohlendioxid etwa aus den Schornsteinen von Kohlekraftwerken füttern könnte. Nach einem erfolgreichen Pilotversuch in Brandenburg lasse sich diese Futterquelle schon bald auf Fisch-Farmen nutzen.
Versuche ihrer Arbeitsgruppe hätten gezeigt, dass die mikrobiellen Futterzusätze von Lachsen besser vertragen werden als etwa Soja, berichtet Øverland. Allerdings sinke bei Alternativkost der Gehalt der wertvollen Omega-3-Fettsäuren im Fleisch der Tiere um etwa 30Prozent. Gerade diese Fettsäuren aber tragen erheblich dazu bei, dass Fisch so gesund ist.
Und wie schmeckt Fisch, der mit Bakterien gefüttert wurde statt mit Fisch? Øverland kann es noch nicht sagen: 'Wir haben noch keine sensorischen Tests gemacht.' Bislang haben die norwegischen Wissenschaftler nur Schweine und Geflügel verkostet, die Mikrobenprotein im Futter hatten. Die Qualität, beteuert Øverland, sei sehr gut gewesen.
Forellen sind keine Vegetarier. Eine Forelle frisst Insekten, vielleicht ein paar Krebse und kleine Fische. Pflanzen stehen normalerweise nicht auf ihrem Speiseplan, schon gar kein Soja vom Acker. Oder bitteres Zeug wie Raps. Doch das soll sich ändern. 'Wir müssen neue Futterquellen finden, wenn wir die industrielle Aquakultur nachhaltig machen wollen', sagt Margareth Øverland von der Universität für Lebenswissenschaften in Ås, 30 Kilometer südlich von Oslo. Sie denkt dabei an Feldfrüchte, wie sie auch in die Tröge von Schweinen oder Rindern wandern. Aber nicht nur: Auch Methangas, Nadelbäume und das Treibhausgas Kohlendioxid will die Professorin in Fischfutter verwandeln.
Seit Jahren stagniert die Fangmenge, die aus Meeren, Seen und Flüssen gezogen wird, bei jährlich etwa 90 Millionen Tonnen. Doch zugleich stiegt der Bedarf an Speisefisch rasant. Deshalb sollen Fischfarmen die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage schließen, die Überfischung der Weltmeere stoppen und die Ernährung der Menschheit sichern - so die Hoffnung. Zuchtfische brauchen deutlich weniger Futter als Artgenossen in freier Wildbahn, weil sie für die Nahrungssuche praktisch keine Energie benötigen. Noch dazu haben Fische gegenüber Rindern, Schweinen und Geflügel den Vorteil, dass sie als wechselwarme Tiere keine aus der Nahrung gewonnene Energie für den eigenen Wärmehaushalt aufwenden müssen, sondern nahezu alles Futter in Wachstum und Bewegung umsetzen. Bei den Inhaltsstoffen sind Fische allerdings anspruchsvoller als Landbewohner, sie brauchen mehr Eiweiß.
Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO hat sich die Produktionsleistung der Aquakultur-Anlagen in den vergangenen zehn Jahren auf 60 Millionen Tonnen weltweit verdoppelt. Aber natürlich brauchen auch Fische in Gefangenschaft Futter. Statt also Fische für den Menschen im Meer zu fangen, werden für die Aquakultur im Meer gefangene Fische in Fischmehlfabriken zu Fischfutter verarbeitet. Allerdings ist auch diese Quelle fast erschöpft.
'Die weltweite Fischmehlproduktion liegt zwischen viereinhalb und sieben Millionen Tonnen pro Jahr. Das lässt sich nicht mehr groß steigern', sagt Ulfert Focken, Experte für Aquakultur und Fischernährung am Thünen-Institut für Fischereiökologie in Ahrensburg. 'Mit der vorhandenen Menge müssen wir möglichst viel Fisch für die menschliche Ernährung erzeugen.' Deshalb arbeiten Forscher wie Focken oder Øverland daran, den Fischmehlanteil in den Futterpellets immer weiter zu reduzieren und durch Nährstoffe aus pflanzlichen Quellen zu ersetzen.
Schon die bisherigen Erfolge sind erstaunlich. In den 1980er-Jahren habe der Fischanteil in den Futterpellets noch etwa die Hälfte des Gewichts ausgemacht, sagt Øverland. Heute seien es nur noch zehn bis 20 Prozent. Bei einigen Zuchtarten kann der Fisch-Anteil im Futter bereits so weit verringert werden, dass die Tiere weniger Fisch fressen, als ihr eigenes Körpergewicht am Ende ausmacht. Es geht noch extremer: 'Forellen lassen sich bereits heute komplett vegetarisch ernähren', erklärt Florian Nagel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gesellschaft für Marine Aquakultur (GMA) in Büsum. Andere Fische wie Steinbutt, Wolfsbarsch oder Seezunge sind anspruchsvoller. Nagel und seine Kollegen versuchen derzeit, aus Miesmuscheln, die für den menschlichen Verzehr zu klein sind, einen Futterzusatz zu entwickeln, um den Geschmack der Pflanzenkost auf die Vorlieben der Fische abzustimmen.
Wie die Zuchttiere das neue Futter annehmen, ist aber nur ein Teil des Problems. Die Auswirkungen auf die Gesundheit der Fische können gravierend sein, wenn die Futterhersteller nicht vorsorgen. 'Pflanzen wollen nicht gefressen werden', sagt Ulfert Focken. 'Deshalb wehren sie sich mit Dornen, aber auch mit chemischen Mitteln gegen Fressfeinde.' Landtiere haben im Lauf der Evolution gelernt, zumindest mit den Abwehrsubstanzen ihrer Hauptnahrungspflanzen umzugehen. 'Fische haben an der Koevolution von Pflanzen und Pflanzenfressern jedoch nicht teilgenommen', so Focken. 'Deshalb müssen wir das Futter für sie stark aufbereiten und es von den für sie gesundheitsschädlichen Substanzen befreien.'
So haben Wissenschaftler bereits die Rückstände der Rapsölproduktion und auch Soja für Fische verträglich gemacht. Momentan arbeiten die Ahrensburger daran, den Presskuchen aus Purgiernuss-Mühlen in Tiernahrung zu verwandeln. Die auch Jatropha genannt Ölfrucht gilt als vielversprechender Rohstoff für Biosprit in tropischen Ländern. 'Die Überreste der Produktion wären wegen ihrer hochwertigen Eiweißzusammensetzung ein guter Futterzusatz', sagt Focken, 'wenn es gelingt, die gesundheitsschädlichen Substanzen darin zu eliminieren.'
Bei der Futterformulierung komme es auf Ausgewogenheit an, erklärt Florian Nagel von der GMA: 'Man sollte nicht einfach das gesamte Fischmehl durch nur eine Zutat wie Soja ersetzen, sondern eine Mischung aus verschiedenen alternativen Rohstoffen wählen. So kann man die Vorteile jeder Pflanze nutzen und potenzielle Nachteile ausbalancieren.' Für vegetarische Forellen bestehe ein gesunder Mix zum Beispiel aus Raps, Soja, Weizen, Vitaminen, Mineralien sowie Ölen und ein paar Aminosäuren. Nagel und seine Kollegen suchen nach technischen Möglichkeiten, um alle möglichen Futterrohstoffe so aufzubereiten, dass sie den Fischen schmecken und deren Gesundheit nicht schaden. Dabei stehen ihnen in der Regel nur solche Zutaten zur Verfügung, die nicht direkt in die menschliche Ernährung gehen.
Zusätzlich müssen Fischzüchter mit den Landtierproduzenten um diese Rohstoffe konkurrieren. 'Fische kommen oft zuletzt', sagt Nagel. Er begrüßt, dass die Europäische Kommission Schlachtabfälle von Schweinen und Geflügel wieder als Fischfutter zugelassen hat. 'Es herrscht Rohstoffknappheit, von der der Verbraucher im Supermarkt aber nichts mitbekommt.' Schlachtabfälle seien eine wertvolle Proteinquelle, die man nicht ungenutzt lassen dürfe.
Aus demselben Grund will Margareth Øverland auf noch ungewöhnlicher klingende Futterquellen ausweichen. Sie meint, bedenkenlos auch Methangas und Fichtenholz in die Nahrungskette der Fische und damit der Menschen einschleusen zu können. Bakterien sollen sich von diesen Zutaten ernähren, sich rasant vermehren und dann im Futter landen. Das Bakterium Methylococcus capsulatus etwa kann Methan als Energiequelle für sein eigenes Wachstum verwerten; und Hefekulturen könnten auf Fichten-Spänen wachsen. 'Die sterilisierte und getrocknete mikrobielle Biomasse besteht zu 70Prozent aus Protein', erklärt Øverland und lobt die hochwertige Zusammensetzung der Eiweißstoffe. Ähnliches gelte für Algen, die man mit Kohlendioxid etwa aus den Schornsteinen von Kohlekraftwerken füttern könnte. Nach einem erfolgreichen Pilotversuch in Brandenburg lasse sich diese Futterquelle schon bald auf Fisch-Farmen nutzen.
Versuche ihrer Arbeitsgruppe hätten gezeigt, dass die mikrobiellen Futterzusätze von Lachsen besser vertragen werden als etwa Soja, berichtet Øverland. Allerdings sinke bei Alternativkost der Gehalt der wertvollen Omega-3-Fettsäuren im Fleisch der Tiere um etwa 30Prozent. Gerade diese Fettsäuren aber tragen erheblich dazu bei, dass Fisch so gesund ist.
Und wie schmeckt Fisch, der mit Bakterien gefüttert wurde statt mit Fisch? Øverland kann es noch nicht sagen: 'Wir haben noch keine sensorischen Tests gemacht.' Bislang haben die norwegischen Wissenschaftler nur Schweine und Geflügel verkostet, die Mikrobenprotein im Futter hatten. Die Qualität, beteuert Øverland, sei sehr gut gewesen.