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Regeln für ein tödliches Geschäft

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Die UN-Staaten verhandeln über Standards für den internationalen Waffenhandel. Viel dürfte dabei von den USA abhängen.

Es ist ein Milliarden-Geschäft und ein tödliches Business. 60, 70 Milliarden Dollar dürfte der globale Handel mit Waffen inzwischen umfassen. Schätzungsweise 2000 Menschen sterben weltweit Tag für Tag durch Waffen, die illegal verkauft worden sind. In New York hat nun der Versuch begonnen, den Handel mit dem Tötungswerkzeug durch ein paar verbindliche Regeln einzuschränken: Vertreter der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verhandeln seit Wochenbeginn über den sogenannten Arms Trade Treaty (ATT), einen internationalen Waffenhandelsvertrag. Es ist der bisher ehrgeizigste Versuch der UN, Regeln für den internationalen Waffenhandel aufzustellen.

Bis Gründonnerstag soll der Vertragstext fertig und abgesegnet sein. Es gibt indes zwei Probleme: Alle, wirklich alle, müssen zustimmen. Es herrscht Konsensprinzip. Und ein erster Anlauf im Juli vergangenen Jahres ist schon gescheitert. Drei der fünf größten Waffenexporteure der Welt, Russland, China, vor allem aber die USA, hatten weiteren 'Gesprächsbedarf' angemeldet, wie es damals diplomatisch hieß. Und keiner weiß, ob dieser Gesprächsbedarf inzwischen befriedigt ist.


Über den Waffenhandel wird viel diskutiert

Das Abkommen würde zum ersten Mal international verbindliche Regeln aufstellen, die beim Handel mit Waffen beachtet werden müssten. 'Es gibt gemeinsame Standards selbst für den globalen Handel mit Sesseln', sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zur Eröffnung der neuen Verhandlungsrunde, 'aber keine Standards für den Handel mit Waffen'. So sollten künftig Staaten Geschäfte verbieten, wenn sie den Verdacht haben, dass die Waffen zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder bei Menschenrechtsverletzungen eingesetzt würden. Verhindern sollten sie die Geschäfte auch, wenn die Gefahr besteht, dass die Waffen auf dem Schwarzmarkt landen, gegen Frauen und Kinder eingesetzt werden oder Korruption im Spiel sein könnte. Eine Meldepflicht soll eingeführt werden: Alle Regierungen müssten den UN künftig berichten, wie viel Waffen sie ins Ausland verkauft haben, und bescheinigen, dass die Geschäfte nicht gegen die Regeln des ATT verstoßen.

So sieht es jedenfalls der Vertragsentwurf vor, auf dessen Grundlage nun verhandelt wird. Deutschland steht da auf der Seite der Länder, die eine Aufweichung der geplanten Regeln in New York verhindern wollen. Berlin strebe ein 'weltweit verbindliches Abkommen mit hohen Standards' an, so ein Sprecher des Außenministeriums. Dafür hatte das Ministerium noch Ende Februar Experten aus 14 Ländern nach Berlin eingeladen, unter ihnen hochrangige Vertreter von Schlüsselstaaten wie den USA, Russland, Brasilien und China, um sie von der Notwendigkeit eines 'robusten Abkommens', wie es in der Diplomatensprache heißt, zu überzeugen.

Im Einzelnen sollen künftig acht Waffenkategorien der internationalen Kontrolle unterliegen: Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, großkalibrige Artillerie-Systeme, Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, Kriegsschiffe, Raketen und Abschussrampen sowie Kleinwaffen und leichte Waffen. Deutschland und andere Staaten wollen den Katalog noch erweitern und Munition sowie Waffenteile als eigene Kategorien aufführen. Das dürfte nicht auf allgemeine Gegenliebe stoßen. Es gibt vielmehr Versuche, die Kleinwaffen - also Gewehre und Pistolen - von der Kontrollliste zu streichen. Umstritten dürfte auch die Frage sein, wann Regierungen Geschäfte untersagen müssten. So wird es Vorstöße geben, den Verdacht auf Korruption oder Menschenrechtsverletzungen aus dem Prüfkatalog zu nehmen. Offen ist auch, wie verbindlich die Berichtspflicht der Staaten sein soll. Sollen sie jährlich berichten müssen? Sollen die Berichte öffentlich sein?

Das Schicksal des Abkommens dürfte vor allem von den USA abhängen. Washington hatte sich im Sommer nicht zu einer Zustimmung zum Vertrag durchringen können. Dem hatten sich dann China und Russland angeschlossen. Das Weiße Haus hatte befürchtet, sich im Präsidentschaftswahlkampf eine Blöße zu geben. Die amerikanische Waffenlobby lief bereits damals Sturm gegen das Abkommen. Auch im Senat, der den ATT mit Zweidrittelmehrheit absegnen müsste, rührte sich Widerstand. Allerdings hat sich nach dem Schulmassaker von Newtown das Klima gewandelt. Die Regierung Obama will in den USA selbst den Handel mit bestimmten Waffenkategorien und Munitionsarten einschränken. Deshalb erwarten Experten, dass sie dem ATT nun aufgeschlossener gegenüber steht. Außenminister John Kerry hatte vergangene Woche jedoch betont, dass die USA keine 'neuen Anforderungen' an amerikanische Waffenexporteure hinnehmen würden.

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